Regeln zur Entsendung von Arbeitnehmern in der EU

Seit dem 30. Juli 2020 gelten in der EU neue Vorschriften für die grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern. Bis zu diesem Datum mussten die Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie 2018/957 in nationales Recht umsetzen. Die Vorschriften sollen dafür sorgen, dass die entsendeten Arbeitskräfte stärker als bislang von den im Bestimmungsstaat geltenden Arbeitsbedingungen profitieren.

Die wichtigsten Punkte der EU-Richtlinie

  • Gemäß dem Grundsatz “Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” haben die entsendeten Arbeitnehmer Anspruch nicht mehr nur auf den örtlichen Mindestlohn, sondern auf alle Entgeltbestandteile, die vor Ort nach dem nationalen Recht oder nach allgemein verbindlichen Tarifverträgen festgeschrieben sind. Dazu können beispielsweise bezahlter Mindestjahresurlaub oder Überstundenzuschläge zählen.
  • Zusätzlich zur Entlohnung muss der Arbeitgeber dem entsendeten Arbeitnehmer Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten erstatten. Dies muss im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten erfolgen, die für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis relevant sind, i.d.R. die Bedingungen im Herkunftsstaat.
  • Wenn die geplante Entsendung mehr als vier Wochen dauert, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Vorfeld schriftlich über folgende Punkte informieren: die Dauer der Entsendung; die Währung, in der die Vergütung erfolgt; ggf. weitere Geld- oder Sachleistungen; ggf. die Bedingungen für die Rückführung des Arbeitnehmers. Ab dem 1. August 2022 sind zusätzlich folgende Informationen vorab mitzuteilen: das Land oder die Länder, in dem bzw. in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll; die geplante Dauer der Arbeit im Ausland; die Vergütung, auf die der Arbeitnehmer im Einklang mit dem geltenden Recht des Aufnahmemitgliedstaats Anspruch hat; falls anwendbar: Entsendezulagen und Regelungen für die Erstattung von Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten.
  • Dauert die Entsendung länger als 12 Monate (in begründeten Ausnahmefällen länger als 18 Monate), hat der entsendete Arbeitnehmer Anrecht auf alle verbindlich geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats. Hiervon ausgenommen sind die Verfahren und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrags sowie die Regelungen für zusätzliche betriebliche Altersversorgungssysteme.
  • Die Mitgliedstaaten müssen jeweils auf einer einzigen nationalen Website Informationen zu den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bereitstellen, die auf in ihr Hoheitsgebiet entsendete Arbeitnehmer anwendbar sind.
  • Die Richtlinie sieht wie bislang vor, dass die Mitgliedstaaten weitere Auflagen durch nationale Regelungen vorsehen können. So können die Aufnahmestaaten z.B. die Vorlage von Dokumenten über die Entsendung bzw. die entsendeten Arbeitnehmer verlangen und eine Haftung von Auftraggebern für Auftragnehmer im Rahmen direkter Unteraufträge vorschreiben.
  • Die Richtlinie stellt klar, dass die Regelungen für entsendete Arbeitnehmer nicht für Geschäftsreisen gelten, d.h. wenn keine Dienstleistungen erbracht werden. Von den Entsendevorschriften ausgenommen sind also z.B. die Teilnahme an Konferenzen, Sitzungen, Messen oder Schulungen im Ausland.
Nähere Informationen und alle Vorschriften stellt die Europäische Kommission in kompakter bereit im → Kurzleitfaden zur Entsendung von Arbeitnehmern und → Leitfaden zur Entsendung von Arbeitnehmern
Erfahrungsgemäß werden nicht alle EU-Mitgliedstaaten die EU-Richtlinie fristgemäß und vollständig in nationales Recht umsetzen. Wie bisher bei Meldeverfahren oder Dokumentationspflichten, werden sicher auch künftig die nationalen Bestimmungen unterschiedlich ausgestaltet.
Unabhängig von der EU-Richtlinie gilt weiterhin die Pflicht, dass alle in einem anderen EU-Staat vorübergehend beruflich Tätigen (seien es entsendete Arbeitnehmer oder Selbstständige) eine A1-Bescheinigung über ihren Sozialversicherungsstatus mitführen.

Was in Deutschland zu beachten ist

Bevor ein Mitarbeiter ins Ausland entsendet wird, bedarf es oftmals einer Anpassung des Arbeitsvertrages. Außerdem muss der Arbeitnehmer seine Zustimmung zur Entsendung erteilen.
In steuerrechtlicher Hinsicht gilt in der Regel, dass ein Arbeitseinsatz an einer anderen Arbeitsstätte im Ausland unter drei Monaten unproblematisch ist.
Grundsätzlich aber sind gemäß des Grundsatzes des „Welteinkommensprinzip“ sowohl die inländischen als auch ausländische Einkünfte in Deutschland zu versteuern. Darüber hinaus ist im Falle einer Tätigkeit im Ausland auch das Zielland einkommensteuerberechtigt. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, hat Deutschland mit einer Vielzahl von Staaten sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen, in denen festgelegt wird, welchem Vertragsstaat die Besteuerungsrechte zustehen. Bei der Feststellung, ob Arbeitslohn bei der Mitarbeiterentsendung im Heimats- oder im Tätigkeitsstaat zu versteuern ist, muss insbesondere die 183-Tage-Grenze geprüft werden.
In Deutschland gilt für alle Arbeitnehmer das sogenannte Territorialitätsprinzip. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer, die in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben und hier arbeiten, sozialversicherungspflichtig sind. Diese Pflicht zur Sozialversicherung gilt auch, wenn:
  • im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses im Inland (Deutschland) eine Entsendung ins Ausland erfolgt,
  • diese Entsendung zeitlich befristet ist und
  • eine Weiterbeschäftigung bei der Rückkehr aus dem Ausland vorgesehen ist.
Unternehmen, die planen Mitarbeiter (kurzfristig) ins Ausland zu senden, sollten sich hier umfassend von ihrem Steuerberater beraten zu lassen.
Vom ersten Tag an sind Unternehmen dazu verpflichtet, jede einzelne Dienstreise an die Krankenkasse des Mitarbeiters zu melden. Diese dokumentiert die Zeiten und informiert, wenn die Frist zum Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem abzulaufen droht. Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) unterstützt umfassend zu dem Thema.
Außerdem gilt es auch an alltägliche Dinge zu denken wie Internationaler Führerschein, gültiger Impfausweis, etc.
Bevor ein deutscher Arbeitnehmer zum Arbeiten über die Grenze in einem anderen Mitgliedsland oder der Schweiz tätig wird, muss er für die Zeit der Entsendung bei der deutschen Krankenkasse das Formular A1 anfordern und ausfüllen, unabhängig davon, ob er als Arbeitnehmer oder Selbständiger tätig wird.

Praxistipp

Verwenden Sie für die vorübergehende Ausfuhr von Berufsausrüstung, Messegüter oder Warenmuster ins (Nicht-EU-)Ausland ein Carnet ATA. Das Carnet ATA ist eine Art internationales Zollpassierscheinheft und erleichtert die vorübergehende Ausfuhr von Waren in über 60 Länder. Die Zahlung von Zöllen oder die Hinterlegung von Sicherheitsleistungen in den Einfuhrländern entfällt. Die IHK stellt ein Carnet ATA aus.

Was im Ausland zu beachten ist

Grundsätzlich muss überprüft werden, ob die angebotene Dienstleistung im Zielmarkt ohne weiteres ausgeübt werden darf. In Österreich wird zum Beispiel zwischen dem reglementierten und den sogenannten freien Gewerben unterschieden. Fällt die von Deutschland aus angebotene Dienstleistung in eine reglementierte Berufsgruppe, so ist bei einer erstmaligen Ausführung die geplante Tätigkeit in Österreich schriftlich anzuzeigen. Eine Anerkennung von Qualifikationen, Zertifikaten und Dokumenten ist keine Selbstverständlichkeit. In manchen Fällen kann es vorkommen, dass der Mitarbeiter noch weitere Prüfungen absolvieren müsste, um in Österreich tätig sein zu dürfen.
Generell ist davon auszugehen, dass es im Ausland eine Meldepflicht gibt, wenn man Mitarbeiter entsendet. Teilweise ist auch ein entsprechendes Arbeits-Visum notwendig. Neben der Meldepflicht für geplante Arbeitstätigkeit kann es auch eine aufenthaltsrechtliche Meldepflicht geben.
Wichtig ist auch, geltende Mindestlöhne zu beachten. Ausländische Dienstleistungserbringer aus dem EU/EFTA-Raum sind bei einer Entsendung von Mitarbeitern in die Schweiz beispielsweise verpflichtet, mindestens den Mindestlohn zu zahlen, den Schweizer Unternehmen der Branche im entsprechenden Kanton, in dem die Dienstleistung erbracht wird, ihren Mitarbeitern zahlen müssen.
Um Ärger und Sanktionen während des Auslandseinsatzes zu vermeiden, sollte das entsendende Unternehmen sich darüber hinaus rechtzeitig mit den Gesundheits- und Arbeitsschutzbestimmungen vor Ort vertraut machen. Denn bei Entsendungen gilt das sog. Arbeitsortsprinzip, d.h. es gelten die Bestimmungen des jeweiligen Landes. Oft ist das Überwachungssystem engmaschig, so dass Verstöße gegen geltendes Arbeitsschutzrecht empfindliche Strafen nach sich ziehen können.
Zudem können Auslandseinsätze Auswirkungen auf die Steuer- und Sozialversicherungspflicht der Mitarbeiter in Deutschland haben.

Umsatzsteuer

Außerdem ist es wichtig, sich mit dem Thema Umsatzsteuer auseinander zu setzen. Hierbei spielt vor allem eine Rolle in welchem Land die erbrachte Dienstleistung umsatzsteuerlich erfasst wird, wie als Folge dessen die jeweilige Rechnungsstellung auszusehen hat und wer die Bezahlung der Steuer übernimmt.
Im zwischenunternehmerischen Bereich gilt als Grundregel, dass Dienstleistungen dort steuerbar sind, wo der Leistungsempfänger (Auftraggeber) seinen Sitz hat, beziehungsweise wenn die Leistung an eine Betriebsstätte ausgeführt wird, wo diese ihren Sitz hat. Dies gilt auch dann, wenn die Tätigkeit nicht überwiegend im Ausland ausgeführt wird.
Wer eine Dienstleistung abrechnet, die aufgrund der Grundregel innerhalb der EU steuerbar ist, hat entsprechende im europäischen Recht verankerte Regelungen zu beachten.
Wer hingegen eine Dienstleistung abrechnet, die aufgrund der Grundregel im Drittland steuerbar ist, hat die im Recht des Drittlandes verankerte Regelung zu beachten.