Norddeutschland mit der Welt auf der Grünen Woche 2024

In diesem Jahr kamen weniger Besucher als im Vorjahr zur Grünen Woche nach Berlin. Als Grund führt die Messe Berlin den GDL-Streik an. Die Messe ist aber weiterhin die internationale Leitmesse der Land- und Ernährungswirtschaft. Die Halle von Mecklenburg-Vorpommern war wieder ein stark frequentierter Anlaufpunkt mit einer breiten Bewerbung der Produkte und Möglichkeiten des Bundeslands.
Neben einer großen Zahl privater Besucherinnen und Besucher und Fachpublikum der Grünen Woche ist die Messe auch ein Treffpunkt der deutschen und internationalen Politik. Die internationale Leitmesse für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau stand dieses Jahr unter dem Eindruck der nationalen Bauernproteste. Bundeskanzler Olaf Scholz, acht Bundesministerinnen und -minister und zahlreiche Politikerinnen und Politiker nutzten die Chance, auf der Grünen Woche in direkten Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft und Ernährung zu kommen. Im Fokus standen weiterhin internationale Ernährungssicherheit, die Zukunft der Landwirtschaft, kulinarische Trends und nachhaltige Innovationen. Unter dem Leitthema „Gemeinsam für eine Welt ohne Hunger“ fand das 16. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) im CityCube Berlin statt. Etwa 2.000 internationale Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nahmen daran teil und diskutierten zusammen über innovative Projekte und Lösungsansätze. Politischer Höhepunkt des GFFA bildete die 16. Berliner Agrarministerkonferenz, bei der sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit Amtskolleginnen und -kollegen aus rund 65 Staaten sowie Vertreterinnen und Vertretern von mehr als zehn internationalen Organisationen beriet. In ihrem Abschlusskommuniqué verpflichteten sich die Agrarministerinnen und -minister, die dringend benötigte Transformation hin zu widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Agrar- und Ernährungssystemen voranzutreiben.

IHK Nord, Netzwerke und Unternehmen treffen Politik

Die IHK zu Schwerin und die IHK Nord haben die Messe wieder dazu genutzt, die norddeutschen Netzwerke und Unternehmen der Ernährungswirtschaft sowie die Industrie- und Handelskammern aus dem Norden einzuladen. Zu dem Gespräch in der Halle von Mecklenburg-Vorpommern war auch Claudia Müller eingeladen, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Nach einem Gespräch im Herbst 2023 in Schwerin war dies bereits das zweite Treffen der Ernährungsbranche mit der Politikerin aus Mecklenburg-Vorpommern. In Berlin waren auch der Lübecker Cerealien-Produzent und Vicepräses der IHK zu Lübeck, Jochen Brüggen, und Armin Kremer, Inhaber der Mecklenburger Landpute GmbH dabei. Sie erläuterten in der Diskussion sehr deutlich die Schwierigkeiten der Ernährungsbranche und zeigten auf, wie das weiter steigende Maß an Regulatorik, Bürokratie und Dokumentationspflichten die Wertschöpfung stört. Claudia Müller machte darauf aufmerksam, dass eine Vielzahl der Verpflichtungen auch aus Verbraucherschutzinteressen resultieren – und zusätzlich aber eine fehlende Vernetzung von Behörden untereinander eine gemeinsame Nutzung von Daten verhindert. Die Runde konnte daher zusammenfassen: Ehrenwertes Ziel, aber wirtschaftsunfreundlich umgesetzt bei gleichzeitig digitalem Versagen der Verwaltung.
„Die Grüne Woche ist das Schaufenster für die Landwirtschaft, den Gartenbau und die Ernährungsbranche. In den vergangenen zehn Tagen wurde in den Messehallen vernetzt, diskutiert und Neues entdeckt. Nicht nur innerhalb der Branche und mit der Politik wurde viel diskutiert, auch Verbraucherinnen und Verbraucher sind ins Gespräch gekommen mit den Menschen, die unsere Lebensmittel herstellen und verarbeiten. Darin liegt unsere gemeinsame Chance, dass wir das Verständnis füreinander stärken und im Dialog weiterkommen. Wichtig ist mir, dass wir den Geist der Grünen Woche weitertragen und die aktuelle Debatte nutzen, um die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft nachhaltig und damit zukunftsfest weiterzuentwickeln.“
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft

Branche wehrt sich gegen politische Markteingriffe

Die IHK Nord legte dem BMEL auch eine aktuelle Übersicht eigener Positionen vor. Diese betreffen insbesondere die Forderung der Land- und Ernährungswirtschaft nach einem „Level Playing Field“ auf EU-Ebene, also die vergleichbare Umsetzung von EU-Recht in den Mitgliedsstaaten und die vergleichbare Sanktion von Verstößen dagegen. Unternehmen beklagen, dass in der EU offenbar massive Unterschiede in diesem Punkt vorliegen – und die Politik in Deutschland dazu weitere, nationale Regularien einführt, die die Wettbewerbsfähigkeit behindern. Auch greife die Politik zu sehr in den Markt ein. So lehnen die Industrie- und Handelskammern das geplante Werbeverbot für bestimmte Lebensmittel ab, da die Wirksamkeit dieser Verbote nicht belegt sei und zudem Produkt- und Prozessinnovationen verhinderten. Ein Lob hingegen äußerte die IHK Nord zur Entscheidung des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir gegen ein pauschales Verbot der mobilen Grundfischerei in Naturschutzgebieten, wie es im „EU-Aktionsplan zum Schutz und zur Wiederherstellung von Meeresökosystemen für eine nachhaltige und widerstandfähige Fischerei“ vorgeschlagen wurde. Der Einsatz für differenzierte, umweltfreundliche und somit ökonomisch sowie ökologisch nachhaltige Lösungen im Fischereibereich ist nach Ansicht der IHK Nord der richtige Weg, um wie im Koalitionsvertrag angekündigt, die Küstenfischerei zu erhalten. Fischfang, -verarbeitung und -handel gelten insbesondere in der kleinen und mittelständischen Wirtschaft in Norddeutschland – in Ernährungswirtschaft und Tourismus – als identitätsstiftender Faktor in den Küstenländern.
Die Grüne Woche zählt bundesweit zu den traditionsreichsten Messen und zu den bekanntesten Veranstaltungen in Deutschland. Gegründet 1926 im Berlin der Goldenen Zwanziger, gilt die Messe heute als internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Aussteller aus aller Welt präsentieren an zehn Veranstaltungstagen ein umfangreiches Produktangebot. Zudem gibt die Grüne Woche aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltige Landnutzung eine Bühne. Besonders positiv war die Resonanz der regionalen Aussteller aus den Bundesländern. Sie konnten mit ihren vielfältigen, regionalen Spezialitäten beim Lebensmitteleinzelhandel punkten. Einkäuferinnen und Einkäufer besuchten die Grüne Woche, um Produkte für zukünftige Sortimentserweiterungen zu finden und zahlreiche Leistungsgespräche zu führen.