ZUGVERKEHR

Kommt nun doch die Elektrifizierung bis Oberstdorf?

Seit Dezember 2020 fahren Züge elektrisch von München über Memmingen nach Lindau; nun hoffen Freistaat und Region auf eine Elektrifizierung weiterer Strecken im Allgäu. Ganz vorne auf Wunschliste steht Ulm–Kempten–Oberstdorf. 
Die Bahnstrecke von Ulm über Kempten bis Oberstdorf soll vollständig elektrifiziert werden. Das hat Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter am 27. September 2023 bei einem Besuch im Oberallgäu angekündigt: „Wir möchten die Illertalbahn bis nach Oberstdorf elektrifizieren. Damit kann der Regionalexpress von Ulm nach Oberstdorf elektrisch fahren und die Fernzüge können ohne Dieselloks das Oberallgäu erreichen. Das ist ein großer Beitrag zum Klimaschutz in dieser wichtigen Urlaubsregion.“
Die IHK Schwaben hatte sich auf politischer Ebene, bei der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans und auch mit Gutachten seit mehr als zwanzig Jahren für den Ausbau und eine durchgehende Elektrifizierung der Strecke eingesetzt.
Am 12.02.2024 haben der Freistaat Bayern und die Deutsche Bahn einen Vertrag für die Entwurfs- und Genehmigungsplanung für eine Elektrifizierung zwischen Ulm und Kempten sowie des Abzweigs von Senden nach Weißenhorn (Stadtwerke Ulm) unterzeichnet, außerdem für einen zweigleisigen Ausbau von Neu-Ulm bis Senden sowie zwischen Kellmünz (Landkreis Neu-Ulm) und Pleß (Landkreis Unterallgäu). Der Freistaat Bayern stellt dafür knapp 41 Millionen Euro zur Verfügung. Vorausgegangen waren entsprechende Vorplanungen. 
Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn in Bayern: „Ich freue mich sehr, dass wir heute den Planungsvertrag für den Ausbau und die Elektrifizierung der Illertalbahn unterzeichnet haben. Die Illertalbahn ist aktuell das größte Elektrifizierungsprojekt der Bahn in Bayerisch-Schwaben.
Josef Brandner, Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Verkehr und Mobilität und stellvertretender Präsident der IHK Schwaben erklärte zu der Ankündigung des Freistaats vom September 2023: „Eine durchgehende Elektrifizierung wäre ein durchschlagender Erfolg und von eminenter Bedeutung für die Tourismusregion Allgäu. Nur einen Teil der Strecke auszubauen würde einen zusätzlichen Umstieg für Reisende ins Oberallgäu in Kempten notwendig machen, über den Umstieg zum Fernverkehr in Ulm hinaus, und so das Allgäu ins Hintertreffen gegenüber Urlaubszielen gebracht, die heute schon mit durchgehenden ICE- und IC-Zügen elektrisch  erreichbar sind.“ Eine Elektrifizierung nur für Ulm–Kempten wäre insofern eine ‚halbe Sache‘. Die Wirtschaft setzt darauf, dass der Ankündigung nun rasch die Realisierung folgt: „Das Beispiel München–Memmingen–Lindau vor wenigen Jahren hat gezeigt, wie schnell sich die Elektrifizierung umsetzen lässt, wenn die notwendigen Entscheidungen erst einmal gefallen sind. Auch bei der Illertalbahn sollte dies nach fast 40 Jahren Diskussion nun gelingen.“
Den Ansatz für Ulm–Kempten möchte der Freistaat laut Mitteilung auch auf den südlich angrenzenden Abschnitt von Kempten über Immenstadt nach Oberstdorf übertragen. Neben der Streckenelektrifizierung sollen weitere Verbesserungen in die Planung integriert werden, um ein Fahrplankonzept mit kürzeren Reisezeiten und zusätzlichen Haltepunkten zu ermöglichen. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die Stadt Kempten und der Landkreis Oberallgäu geben hierzu ein gemeinsam finanziertes Gutachten in Auftrag, hieß es im September 2023. Wenn die Ergebnisse dieses Gutachtens Mitte 2024 vorliegen, wolle der Freistaat die DB mit der Planung der Elektrifizierung und der weiteren Infrastrukturausbauten beauftragen.
Aktuell kaum Perspektive für Augsburg–Buchloe–Kempten 
Als ebenfalls wichtige Strecke ins Allgäu hatte der Freistaat Augsburg–Buchloe–Kempten für ein Bundes-Programm „Elektrische Güterbahnen“ vorgeschlagen; sie ist dem im März 2021 vorgelegten Gutachten zufolge aber mangels Wirtschaftlichkeit durchgefallen: auf Platz 36 von 38 Projekten in Deutschland. Dies war nicht überraschend, weil der Güterverkehr auf dieser Strecke nur eine untergeordnete Rolle spielt, anders als der Personenverkehr. Nun laufen politische Bemühungen um andere Finanzierungstöpfe, zum Beispiel aus dem reformierten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Der Bund selbst sieht Augsburg–Buchloe–Kempten als Strecke mit „ggf. weiteren Potenzialen für alternative Antriebe“, also z.B. für Wasserstoff-/Brennstoffzellen-Züge. Das ist aber nicht mit konkreten Planungen hinterlegt. 
Auch die IHK Schwaben hatte sich – u.a. mit einem Gutachten 2007 sowie 2015 in ihrer Stellungnahme zum aktuellen Bundesverkehrswegeplan – für die Elektrifizierung von Augsburg–Buchloe als wichtige Querverbindung zwischen den Linien München–Lindau und München–Stuttgart eingesetzt. Aus Kundensicht wäre in jedem Fall eine Elektrifizierung nicht nur zwischen Augsburg und Buchloe, sondern bis Kempten sinnvoll: Sonst müssen Reisende nach Kempten, wie seit Dezember 2020 zwischen München und Kempten der Fall, öfter in Buchloe umsteigen, denn der Freistaat will möglichst wenig Diesel-Züge unter der elektrischen Oberleitung (München–Buchloe) fahren lassen.