Die Rückkehr der Intercity-Züge nach Oberstdorf
Eine Wintersaison lang musste das Allgäu auf die touristisch wichtigen Intercity-Verbindungen nach Oberstdorf verzichten - doch nun kommen Sie schneller als ursprünglich befürchtet wieder: Die IC-Züge aus Dortmund/Ulm und Hamburg/Augsburg werden vom 1. März 2025 an wieder fahren, kündigte ein Bahn-Sprecher an. Die Verbindungen sind bereits im Online-Fahrplan abrufbar und buchbar.
Nach dem Ausfall eines Stellwerks in Oberstdorf im Sommer 2024 kündigte die Bahn am 16. Oktober 2024 zunächst eine unbefristete Einstellung des Intercity-Verkehrs (IC) nach Oberstdorf an, zumindest für mehrere Jahre bis zur Fertigstellung eines neuen Stellwerks. Die alte Anlage könne nicht mehr repariert werden; ohne die Möglichkeit, Weichen umzustellen konnten nur noch Triebwagenzüge (mit Lokführer-Stand an beiden Enden) in den Bahnhof einfahren. Am 11. November 2024 teilte die Deutsche Bahn (DB) dann mit, das defekte Stellwerk könne nun doch repariert werden und stellte in Aussicht, die Züge würden voraussichtlich ab März 2025, also nach der Wintersaison, wieder fahren. Vorausgegangen waren Proteste des Freistaats, der Region und der IHK Schwaben.
„Der gesamte Fahrplan wird wieder angeboten"
Vom 1. März an könne „im Zugverkehr von und nach Oberstdorf wieder der gesamte Fahrplan inklusive der Züge des Fernverkehrs angeboten werden", erklärte ein Bahn-Sprecher laut „Stuttgarter Zeitung" vom 3. Februar. Dies gelte auch für den Regionalverkehr (RE ab Ulm und Augsburg), bei dem es ebenfalls Einschränkungen und Fahrzeitverlängerungen gegeben hatte. Allerdings wies der Bahn-Sprecher darauf hin, dass „im Jahresverlauf aufgrund von planmäßigen Bauarbeiten im Schienennetz zu sporadischen Einschränkungen im Regional- und Fernverkehr nach Oberstdorf kommen" könne. Es empfehle sich jeweils ein Blick in die Online-Fahrplanauskunft.
Ein drastisches Symbol für den Zustand der Infrastruktur
Die drohende Abkopplung des Allgäus vom Fernverkehr und die Proteste aus der Region dagegen waren bundesweit registriert und in den Medien aufgegriffen worden - auch als ein besonders drastisches Beispiel für den Zustand der Bahn-Infrastruktur. Am 11.11.2024 schließlich erklärte die Bahn: „Der massive Kabelschaden im Stellwerk Oberstdorf ist reparabel. Dies haben Untersuchungen der Deutschen Bahn AG (DB) ergeben. Die Reparaturarbeiten haben bereits begonnen. Die DB rechnet damit, sie in den ersten Wochen des kommenden Jahres abzuschließen. (…) Zunächst war die DB davon ausgegangen, die Stellwerksanlage komplett erneuern zu müssen. Dies hätte mehrere Jahre gedauert.”
IHK begrüßt Rettung: „Allgäu bleibt auf der Fernverkehrs-Landkarte“
Zur „Rettung” des Bahn-Fernverkehrs im Allgäu erklärte Josef Brandner, Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Verkehr und Infrastruktur: „Es ist ein wichtiges Signal, dass die Bahn nach entsprechenden Forderungen aus der regionalen Politik, von Touristikern und der IHK nun doch noch einen Weg gefunden hat, die Infrastruktur in Oberstdorf so weit instand zu setzen, dass es nicht auf Jahre hinaus nur einen ‚Notbetrieb‘ im südlichen Oberallgäu geben wird. Das nun abgewendete Szenario muss für die Politik und für die Bahn ein eindringlicher Appell sein, die überfällige Sanierung, den Ausbau und die Elektrifizierung der Strecken ins Allgäu jetzt endlich anzugehen. Es klemmt dort an vielen Stellen. Die Region kann nicht nochmals jahre- oder jahrzehntelang warten.“
Julia Zwicker, Vorsitzende der IHK-Regionalversammlung Kempten/Oberallgäu, sagte: „Für den Tourismus und die Gäste ist es wichtig, dass das Allgäu auf der ‚Landkarte‘ des Bahn-Fernverkehrs verbleibt." Es sei ein Verlust, dass die Intercity-Verbindung für die Wintersaison 2024/25 nicht zur Verfügung stand. „Mittel- und langfristig kann die Fernverkehrsverbindung in das Allgäu nur gesichert werden, wenn sie besser, schneller und – aus Sicht der Tourismusbranche wie auch der Bahn selbst – attraktiver wird.“
Touristiker warnten vor einer „Katastrophe" für das Allgäu
Der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter hatte als Reaktion auf die erste Ankündigung der Bahn vom 16.10.2024 gefordert, das defekte Stellwerk in Oberstdorf umgehend behelfsmäßig zu reparieren oder ein Notstellwerk zu errichten. Die Bahn wies dies allerdings als nicht umsetzbar zurück, ebenso wie Vorschläge, die IC-Züge dann eben wenigstens bis Kempten oder Sonthofen fahren zu lassen. Das touristische Nachfragepotenzial komme vor allem aus der Direktverbindung nach Oberstdorf, so dass es bei einem verkürzten Zuglauf bei der Notwendigkeit bleibe, unterwegs umzusteigen und der Nutzen dieser IC-Züge dann nicht mehr gegeben sei, erläuterte eine Bahnsprecherin.
Auf die erste Erklärung, der Fernverkehr werde mehrere Jahre lang nicht fahren, hatten Touristiker im Allgäu mit Entsetzen reagiert; von einer „Katastrophe“ sprach das Landratsamt Oberallgäu. Gerade im Allgäu zeige sich an vielen Stellen, die Infrastruktur den Bahnbetrieb mehr und mehr zur „Mängelverwaltung“ mache, so der Vorsitzende des IHK-Verkehrsausschusses, Josef Brandner. Mehrere Allgäuer Politiker schrieben gemeinsam an den neuen bayerischen Bahn-Konzernbevollmächtigten Heiko Büttner, die ersatzlose Einstellung des Fernverkehrs auf Jahre hinaus sei „nicht akzeptabel”. Sie forderten eine Zusage der Bahn, dass diese Verbindungen über das Jahr 2027 hinaus gesichert seien.
Minister Bernreiter: Druck aus der Region hat gewirkt
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter sagte: „Das Worst-Case-Szenario ist abgewendet. Das ist eine sehr gute Nachricht für Oberstdorf und das ganze südliche Allgäu. Meine Gespräche mit der Bahn und der Druck aus der Region haben Wirkung gezeigt. Es wäre undenkbar gewesen, Oberstdorf über Jahre vom Fernverkehr abzuschneiden. Jetzt kommt es darauf an, dass die Bahn die Reparatur möglichst schnell umsetzen kann und das Stellwerk danach auch zuverlässig funktioniert, bis das ankündigte neue elektronische Stellwerk in Oberstdorf gebaut wird.“
Bahn: „Flexibler“ reisen mit Umstieg in Ulm oder Augsburg
Die Bahn hatte in der ersten Ankündigung darauf verwiesen, statt mit den IC-Zügen hätten Reisende ins Allgäu hätten künftig mit einem Umstieg in Ulm, Augsburg oder München „vielfach schnellere und flexiblere An- und Abreisemöglichkeiten“. Allerdings ist das für Reisende mit Gepäck nur bedingt attraktiv. Die unpünktlichen Regionalzüge vor allem in der Relation Ulm-Oberstdorf lassen den Anschluss in Ulm oftmals zum Glücksspiel werden. Vor etwa zwei Jahren erklärte die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die den Regionalverkehr im Auftrag des Freistaats organisiert, in Ulm sei die Zahl der Anschlüsse, die erreicht werden, auf unter 50 Prozent gefallen. In der „Neu-Ulmer Zeitung“ erklärte ein Sprecher der BEG am 17. Oktober 2024, einen Tag nach der Ankündigung, den IC-Verkehr vorerst einzustellen, zu den Verspätungen und Ausfällen auf dem Teilstück Ulm–Memmingen, man habe volles Verständnis für den „Unmut“ der Kunden.
Die Intercity-Verbindungen nach Oberstdorf haben in den vergangenen Jahren immer wieder “gewackelt”. Phasenweise fuhr der Zug Dortmund-Oberstdorf “planmäßig” überhaupt nicht, zum Teil wochenlang wegen Bauarbeiten im Raum Stuttgart, zuletzt auch im Sommer 2024 bsi zum Ausfall des Stellwerks in Oberstdorf. Zeitweise galt der IC 2012/2013 „Allgäu” als einer der unpünktlichsten Züge Deutschlands; es gab in den vergangenen Jahren Phasen, in denen er nicht einmal an zehn Prozent der Tage sein Ziel fahrplanmäßig (sofern überhaupt) erreichte. Auch der IC 2084/2085 „Nebelhorn” Hamburg-Augsburg-Oberstdorf fiel in den vergangenen Jahren immer wieder über längere Zeiträume aus, meist wegen Bauarbeiten an der Nord-Süd-Achse Hannover-Würzburg.
Massive ungelöste Probleme seit mindestens sechs Jahren
Die Infrastruktur-Mängel an der Strecke Ulm-Kempten-Oberstdorf sind massiv - und auch nicht neu. Nach einem Bericht der „Allgäuer Zeitung” gab es bereits in den Jahren 2018 bis 2021 allein in den drei Stellwerken Kempten, Fischen und Oberstdorf insgesamt 343 Störungen an der Leit- und Sicherungstechnik bzw. an Bahnübergängen - also in etwa an jedem vierten Tag. Trotzdem sind Investitionen in Oberstdorf offenkundig unterblieben. Im Herbst 2024 kamen zum Teil mehrmals pro Woche Störungen an Stellwerken zwischen Ulm und Kempten hinzu.
(Stand: 05.02.2025)
(Stand: 05.02.2025)