Deutschland durch Fünf – Stromgebotszone in der Zerreißprobe

Ende April 2025 lag er schließlich auf dem Tisch: das Bidding Zone Review des Verbandes europäischer Übertragungsnetzbetreiber, kurz ENTSO-E. Dabei schlägt der Bericht infolge seiner Simulationen vor, dass Deutschland und Luxemburg künftig in fünf Stromgebotszonen aufgeteilt werden sollen. Damit legt die Studie die Diskussionsgrundlage der EU-Mitgliedstaaten, die Ende Oktober in der Pflicht stehen, eine weitreichende Entscheidung für die deutsche Wirtschaft zu treffen.

Der Disput um die Stromgebotszone

Doch zunächst einmal von vorne: Was ist überhaupt eine Stromgebotszone? De facto zahlt ein jeder Endverbraucher unterschiedliche Stromrechnungen, die in der Höhe ganz unterschiedlich ausfallen. Der Großhandelspreis auf der Strombörse wiederum wird einheitlich auf geographische Räume zugeschnitten, die meistens mit den Ländergrenzen korrespondieren. Deutschland, Österreich und Luxemburg bildeten bis 2018 eine solche Stromgebotszone – bis zum Ausschluss unseres südlichen Nachbarn. Grund: Polen und Tschechien beschwerten sich seinerzeit über Netzprobleme. Jahre später erleben Deutschland und Luxemburg die gleiche Diskussion; die Nachbarn beklagen instabile Netze. Dem Ganzen liegt allerdings eine tiefergehende Diskussion zugrunde, die sich in Deutschland in zwei auseinanderklaffenden Lagern widerspiegelt.

Kupferplattenfiebertraum – was für eine Aufteilung spricht

Befürworter sehnen eine Aufteilung der Stromgebotszone herbei und nennen im Kern zwei Argumente: erstens, Harmonisierung von Markt und physikalischem Stromfluss und zweitens, regionale Gleichbehandlung. Vor allem unter den Energieökonomen herrscht Konsens, dass der aktuelle Markt und der Stromfluss zwei Parallelwelten abbilden, die wenig gemein haben. Einfach formuliert, gelangt der günstige Windstrom aus dem Norden und Osten bei hohem Bedarf nicht in die süd(west)lichen Bundesländer, was sogenannte Redispatch-Kosten verursacht. Redispatch beschreibt, dass Stromnetzbetreiber Netzüberlastungen vermeiden, indem sie bspw. die Windräder im Norden abregeln und teurere Gaskraftwerke im Süden ans Netz holen. Vorerst fehlen die Übertragungsnetze, die den Überschuss an Windstrom in den Süden transportieren. Allein 2024 entstanden durch Redispatch 2,8 Milliarden Mehrkosten, die an die Stromerzeuger gezahlt wurden (entweder, weil sie aus dem Netz genommen oder angeschlossen wurden). Diese Kosten geben die Stromnetzbetreiber an die Verbraucher weiter. Folglich steigt die Stromrechnung. Deutschland werde nach Ansicht der Kritiker als Kupferplatte gehandelt, wo immer und überall Strom in gleichen Mengen zur Verfügung stehe. Das sei aber nicht mit den physikalischen Gegebenheiten vereinbar. So entstehe ein falscher Preis und somit ein falsches Marktsignal. Entsprechend müsse die Kupferplatte schnipp-schnapp so aufgeteilt werden, dass sie reale Preise abbilde und Erneuerbare dort fördere, wo sie gebraucht werden. Die Maßnahmen senken Redispatch-Kosten, steigern Effizienzgewinne und nutzen den Markt als ökonomischen Treiber der Energiewende.

Einheit schafft Planbarkeit – kontra Aufteilung

Die andere Seite dieser Kupfermünze zeigt jedoch ein anderes Bild – eines, zu dem auch die IHK Schwaben steht. In Europa gibt es bereits mehrere Länder, die in verschiedene Strompreiszonen unterteilt sind: Schweden, Norwegen, Dänemark und Italien. Das Bidding Zone Review fokussierte sich zwar auf Deutschland, allerdings auch auf Frankreich und die Niederlande. Auch steht eine neue Unterteilung Schwedens im Raum. Und genau hier liegt das Problem: mangelnde Planbarkeit für Unternehmen. Deutschland gilt als Dreh- und Angelpunkt für stabile Großhandelspreise, die sich durch eine hohe Liquidität am Terminmarkt auszeichnen. Unternehmen können ihren Strombedarf langfristig absichern, ohne mit größeren Schwankungen zu rechnen – zumindest aufgrund geringer Liquidität. Statt dringend notwendiger Preisentlastung, drohen weitere strukturelle Belastungen (zumal Preisreduktionen seitens der Regierung bislang versäumt blieben). Denn ein zweites und wichtiges Argument für den Erhalt der Stromgebotszone ist der laufende Netzausbau. Ja, die HGÜ-Leitungen Süd- und Südost-Link sind verzögert, aber sie befinden sich im Bau und sollen bis 2027/2033 fertiggestellt sein. Damit würden schließlich auch die physikalischen Stromflüsse besser mit dem Markt harmonisiert. Das Problem einer Aufteilung wäre nicht nur eine strukturelle Schwächung des industriellen Südens, sondern die im Dreijahrestakt stattfindende Neubeurteilung der Stromgebotszonen. Die Produktionsbranche müsste quasi wie auf einer Eisscholle sitzend immerzu dorthin wandern, wo der Strompreis am günstigsten wäre, um Standortnachteilen auszuweichen – eine Zumutung. Wenn die HGÜ-Leitungen jedoch stehen, wäre eine Aufteilung überflüssig und volkswirtschaftlicher Schaden gemieden. Bis die potenziell fünf neuen Stromzonen stünden, braucht es vermutlich einige Jahre und bis dahin wird mehr Windstrom aus dem Norden in den Süden transportiert.

Wie geht es weiter?

Letztlich liegt die Entscheidung Ende Oktober dieses Jahres in den Händen der EU-Mitgliedstaaten, und sollten diese keine Einigung treffen können, fällt diese Verantwortung auf die EU-Kommission. Die IHKs aus Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW plädieren für einen Erhalt der Stromgebotszone. Für die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben bedeutet dies stabilere Strompreise in wirtschaftlich stockenden Zeiten.

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