Zahlen und Einschätzungen

DIHK-Report zur Unternehmennachfolge 2023

Mit dem DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2023 legt die Deutsche Industrie- und Handelskammer Daten und Fakten zur Nachfolgesituation im deutschen Mittelstand vor. Die Grundlage für die DIHK-Aussagen zur Unternehmensnachfolge bilden Erfahrungsberichte der IHK-Beraterinnen und -Berater der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) sowie eine statistische Auswertung des IHK-Service.
Insgesamt fußt der DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge 2023 auf über 24.000 persönlichen Kontakten im Jahr 2022 von IHK-Expertinnen und -Experten mit Unternehmen auf Nachfolge­suche sowie mit Personen, die an der Übernahme eines Unternehmens interessiert sind. Zudem liegen der Auswertung die Einschätzungen der IHK-Unternehmensnachfolge­beraterinnen und
-berater hinsichtlich der Qualität der Planungen der beratenen Alt-Inhaberinnen und -Inhaber sowie Übernahmeinteressenten zugrunde. Die DIHK hat die IHK-Expertinnen und Experten im Zeitraum vom 28. Februar bis zum 3. März 2023 befragt. Aktuelle Berichte und Einschätzungen der IHKs, die den DIHK seitdem erreichten, wie etwa im Rahmen des Jahrestreffens der IHK-Expertinnen und Experten zur Unternehmensnachfolge am 11. und 12. September 2023, sind in die vorliegende Auswertung einbezogen.

Nachfolgelösung im Mittelstand drängendes Thema

Eine Unternehmensübertragung ist ein komplexer betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Prozess. Zudem hat die Unternehmensnachfolge auch eine starke emotionale Komponente für die Unternehmerinnen und Unternehmer: Eine Unternehmensnachfolge bedeutet oftmals Abschied nehmen von einem Lebenswerk. Umso wichtiger ist es, gute Perspektiven für die „Zeit danach“ zu entwickeln und aufzuzeigen.
Gleichzeitig müssen sich die Unternehmerinnen und Unternehmer bei der sorgfältigen Nachfolgeplanung auch mit vielen unangenehmen Fragen beschäftigen – wie Krankheit, Unfall oder Tod. Die derzeitigen Herausforderungen wie Klimawandel, Transformation hin zu nachhaltigem Wirtschaften, Digitalisierung, hohe Energiepreise und Zinsen, hartnäckige Inflation, zunehmender administrativer Aufwand sowie Verunsicherung über politisches Handeln erschweren Unternehmensnachfolgen nochmals. Die in der Summe erheblich gestiegenen Unsicherheiten machen es Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhabern wie auch Übernahmeinteressierten schwer, künftige Markt- und Geschäftsentwicklungen und damit auch den Wert des Unternehmens und seine Geschäftsperspektive einzuschätzen.
Für viele Unternehmen, die sich mit der Nachfolge befassen, sind die 79 IHKs mit ihren insgesamt 200 Geschäftsstellen erste Ansprechpartner. Die IHKs agieren dabei neutral und sind dem Gesamtinteresse der regionalen Wirtschaft verpflichtet. Sie sensibilisieren Senior-Unternehmerinnen und -Unternehmer für die Notwendigkeit, die Nachfolge anzugehen und zeigen ihnen wie auch nachfolgeinteressierten Existenzgründerinnen und -gründern Perspektiven und Herausforderungen auf. Insbesondere kleine und mittelgroße Betriebe suchen den Kontakt zur IHK, um Informationen über den Nachfolgeprozess zu erhalten. 94 Prozent der beratenen Unternehmen beschäftigen weniger als 50 Mitarbeitende. Mit mehr als 24.000 Kontakten, Gesprächen und Beratungen allein im Jahr 2023 leisten die IHKs einen erheblichen Beitrag, damit Betriebe erfolgreich eine Nachfolge finden – und tragen damit auch zur Zukunft des Mittelstandes in Deutschland bei.
Je nach Wissensstand aller Beteiligten und je nach Stand des Übertragungsprozesses bieten IHKs ein vielfältiges und passgenaues Angebot. Die Begleitung von Unternehmen sehen IHKs als ganzheitliche Aufgabe, bei der die einzelnen Leistungen aus einer Hand erfolgen:
  • Bereits im Vorfeld einer IHK-Begleitung sprechen etwa IHK-Nachfolgemoderatorinnen und -moderatoren (zum Beispiel IHK Region Stuttgart) Unternehmen auf das sensible Thema Nachfolge an, arrangieren Treffen etwa mit Unternehmens- oder Steuerberatungen und bringen Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber mit potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern zusammen. Das erfordert neben Know-how in steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl: Das „Loslassen vom Lebenswerk“ ist für die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer verständlicherweise nicht einfach.
  • Auf Nachfolgetagen und -seminaren informieren die IHKs Senior-Unternehmerinnen und Senior-Unternehmer sowie Übernahmeinteressenten zu grundlegenden Fragen der Betriebsübergabe oder -übernahme.
  • In der IHK-Nachfolgeberatung werden individuelle, spezifische Probleme erörtert und konkrete Konzepte zur Unternehmensnachfolge besprochen.
  • IHKs bringen Unternehmen und Übernahmeinteressente zusammen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die persönliche Ansprache. Hierfür haben die IHKs verschiedene Foren wie etwa Nachfolger-Clubs (IHK Nord Westfalen) und Nachfolge-Pools (Nachfolge-Pool der IHKs in NRW) geschaffen. Über die Unternehmensbörse „nexxt-change“ können Senior-Unternehmerinnen und -Unternehmer und Übernahmeinteressenten zudem bundesweit suchen und dann via IHK den Kontakt zu möglicherweise passenden Personen aufnehmen.
  • Dabei pflegen die IHKs vor Ort Netzwerke zur Unternehmensnachfolge, die alle nachfolgerelevanten Akteure einbeziehen. Hier können Senior-Unternehmen mit Beratern, Finanzierungspartnern oder auch potenziellen Übernehmerinnen und Übernehmern in Kontakt treten.

Krisen und Unsicherheit über wirtschaftliche Rahmenbedingungen stellen Erfolgsmodell „Standort Deutschland“ in Frage

Der Mittelstand lebt und arbeitet in einer Zeit, die von existenziellen Herausforderungen geprägt ist. Innerhalb nur weniger Jahre müssen die Unternehmen gleich zwei epochale Krisen bewältigen, welche die aktuellen Geschäfte vielfach grundlegend treffen und die Zukunft vieler Unternehmen deutlich unsicherer machen. Die Corona-Pandemie hat zu erheblichen Einbußen bei Liquidität und Eigenkapital gerade konsumnaher Unternehmen geführt. Die Folgen des Kriegs Russlands in der Ukraine machen das Geschäftsumfeld erheblich schwieriger - mit hartnäckiger Inflation, stark gestiegenen Zinsen und hohen Energiepreisen. Und, durch die demografische Entwicklung fehlen seit Jahren Fachkräfte.
Dieses Umfeld erschwert auch die Suche nach Unternehmensnachfolgen. Denn solch unsichere Perspektiven erschweren langfristig angelegtes unternehmerisches Engagement. Zudem wirkt die demographische Entwicklung nicht nur bei den Fachkräften, sondern auch bei den Unternehmern selbst. Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer erreichen das Ruhestandsalter, den durch sie angebotenen Unternehmen stehen immer weniger Personen in gründungsaktiven Jahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren gegenüber. Vor diesem Hintergrund spitzt sich in weiten Teilen des Mittelstands die Situation bei der Unternehmensnachfolge zu. Noch nie war es für Unternehmen so schwer, eine Nachfolge zu finden. Das Ende der Corona-bedingten Beschränkungen hat nicht zu mehr Nachfolgeinteresse geführt. Im Gegenteil: Nicht einmal halb so viele Übernahme-Interessenten wie vor der Corona-Pandemie erkundigten sich im Jahr 2022 bei ihrer IHK nach Möglichkeiten zur Weiterführung eines bestehenden Unternehmens (persönlich oder online) – ein historisches Tief seit der Ersterhebung dieser IHK-Statistik im Jahr 2007.
Diametral verläuft dagegen der Trend beim Unternehmensangebot: Die Zahl der beratenen Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber ist zum zweiten Mal in Folge gestiegen und nähert sich nun dem Vorkrisenniveau. Schon numerisch betrachtet wird deutlich, dass im Mittelstand die Suche nach einer Unternehmensnachfolge immer schwieriger wird. Im Jahr 2022 kamen rechnerisch 3,4 beratene Unternehmen auf Nachfolgesuche auf einen Nachfolgeinteressenten – doppelt so viele wie im Vorkrisenjahr 2019 (1,7). Derzeit haben 40 Prozent der beratenen Senior-Unternehmerinnen und -Unternehmer und 43 Prozent der Nachfolgeinteressierten zum Zeitpunkt der IHK-Beratung nicht die passende Nachfolge bzw. das passende Unternehmen gefunden.
In manchen IHK-Regionen verstärkt sich der Trend, dass größere Unternehmen zur Nachfolge anstehende kleine und mittelgroße Unternehmen zum Kauf suchen, um selbst zu wachsen – auch angesichts der auf dem Arbeitsmarkt immer schwereren Rekrutierung von Fachkräften. Hier kann ein Trend hin zu größeren Einheiten beginnen.
Neben den Orientierungsberatungen zur Unternehmensnachfolge (insgesamt 8.809 im Jahr 2022) haben die IHKs in weiteren Initiativen wie „IHK-Nachfolger-Clubs“ oder „IHK-Nachfolgemoderatoren“ 3.721 Unternehmen und Übernahmeinteressenten und damit deutlich mehr Interessenten als im Jahr zuvor (1.183) erreicht. An IHK-Seminaren und anderen Veranstaltungen zur Unternehmensnachfolge nahmen 9.032 Alt-Inhaberinnen und -Inhaber sowie Übernahmeinteressierte teil (Vorjahr 6.505). Dies Zahlen verdeutlichen, dass sich immer mehr Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber der hohen Bedeutung einer rechtzeitigen und systematischen Unternehmensnachfolge bewusst sind und Unterstützung suchen. Insgesamt haben die IHKs im vergangenen Jahr 24.287 Unternehmen auf Nachfolgesuche und Übernahmeinteressierte informiert und beraten.
Die bundesweite Unternehmensbörse „nexxt-change.org“ der IHKs und anderer Partner ist eine Plattform, um Unternehmen oder familienexterne Nachfolger zu finden. Aus rund 6.000 stets aktuellen und anonymisierten Inseraten können nachfragende Existenzgründer und anbietende Senior-Unternehme auf www.nexxt-change.org passende Profile auswählen. Laut einer Evaluation der Online-Börse sind rund 70 Prozent der erfolgreichen Übergeber und Übernehmer der Meinung, dass sie nur über „nexxt-change“ eine Nachfolgelösung finden konnten. Jährlich bleiben so rund 10.000 Arbeitsplätze erhalten (nexxt-change: Evaluation der Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für das Zusammenführen von Übergebern und Nachfolgern, Rambøll Management Consulting GmbH, im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Berlin, 2013).

Politik ist gefordert, schneller und konsequenter zu handeln

Die Attraktivität von Unternehmertum leidet aktuell unter den beschriebenen Entwicklungen. Hinzukommen aber auch viele und komplexe Dokumentations-, Genehmigungs- und Berichtspflichten im unternehmerischen Alltag.
An dieser Stelle hat die Politik es in der Hand, das Wirtschaften insgesamt und letztlich auch die Unternehmensnachfolgen selbst zu erleichtern. Gefragt sind eine verlässliche Wirtschaftspolitik, wirksame und im Unternehmensalltag spürbare Entlastungen von administrativen Anforderungen sowie eine breite und bereits früh ansetzende Sensibilisierung für Unternehmertum als Berufsoption. Mit Blick auf die Erfahrungen der IHKs ist aus Sicht der DIHK folgendes erforderlich:
Unsicherheiten reduzieren
Unsicherheit über die geschäftliche Entwicklung und auch über die politischen Rahmenbedingungen sind den IHKs zufolge der maßgebliche Grund dafür, dass das Interesse an Unternehmensnachfolgen deutlich zurückgeht – noch über die demografische Entwicklung hinaus. Eine wichtige Rolle spielen dabei die hohen Energiepreise und Unwägbarkeiten der Energie-Versorgungssicherheit. Hier kann und sollte die Politik ansetzen. Gefragt sind tragfähige Lösungen, die für die Breite der Wirtschaft wirksam sind. Die geplante Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe ist ein überfälliger, aber wichtiger erster Schritt. Allerdings sind auch die Betriebe in Handel und Dienstleistungen auf bezahlbare Strompreise angewiesen - allein diesen beiden Wirtschaftszweigen entstammen 78 Prozent der Unternehmen, die sich im Jahr 2022 bei ihrer IHK zur Nachfolge haben beraten lassen. Daher sollte die Stromsteuer generell auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden, auch mit Blick auf tragfähige Perspektiven bei der Unternehmensnachfolge.
Ein zweiter wichtiger Baustein wäre die Ausweitung des Stromangebots. Dies kann durch die von der DIHK vorgeschlagene gezielte Förderung von StromPartnerschaften in der Wirtschaft erreicht werden: Langfristige Stromlieferverträge zwischen Anlagenbetreibern erneuerbarer Energien und Stromverbrauchern aus der Wirtschaft – sogenannte "Power Purchase Agreements" (PPA) oder Direktstromlieferverträge – beschleunigen den Ausbau der erneuerbaren Energien. So erhalten Betriebe aus Industrie und Gewerbe Preissicherheit zumindest für einen erheblichen Teil des Stromverbrauchs; dem Anlagenbetreiber gibt es ebenfalls eine klare Perspektive und Investitionssicherheit.
Bürokratie abbauen – rasch und wirksam
Mit dem geplanten Wachstumschancengesetz und den Eckpunkten für ein „Viertes Bürokratieabbaugesetz“ und europäischen Initiativen greift die Bundesregierung einige Punkte auf, welche auch die DIHK seit Längerem einfordert, wie höhere Buchführungsgrenzen, die Einführung der Möglichkeit degressiver Abschreibungen und die Aufhebung von Schriftformerfordernissen. Neben dem angekündigten Praxis-Check zur Unternehmensgründung sollte die Bundesregierung auch einen umfangreichen Praxis-Check zur Unternehmensnachfolge durchführen. Die IHK-Organisation steht bereit, hierzu mit der Praxisexpertise der IHKs aus jährlich mehr als 20.000 persönlichen Kontakten mit Unternehmensinhaberinnen und -inhabern sowie Nachfolgeinteressentinnen und -interessenten beizutragen.
Diese Schritte sind aus Sicht der Unternehmen ein Anfang, um zu umfassenden und spürbaren Erleichterungen zu kommen. 69 Prozent der unternehmerisch Interessierten, die sich von ihrer IHK beraten lassen, sehen Bürokratie als große Hürde (DIHK-Report Unternehmensgründung 2023). Die Politik in Deutschland und der EU sollte es Unternehmerinnen und Unternehmern so einfach wie möglich machen, einen Betrieb fortzuführen.
Dazu gehört neben der Detailarbeit an Listen mit Bürokratieabbaumaßnahmen ein rascher Stopp geplanter Mehrbelastungen, wie sie etwa mit dem EU-Lieferkettengesetz, den Berichtspflichten zur nachhaltigen Finanzierung und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung drohen. Erforderlich ist eine Abschaffung der bestehenden Ausnahmeregelungen für die sogenannte „one-in-one-out“-Regel, die bislang für die Unternehmen zu wenig spürbare Bürokratieentlastung gebracht hat. Da ein konsequentes Einhalten dieser Regel aber nur zu einem konstanten Belastungsniveau mit Bürokratie führt, sollte die Regel in ein „one-in-X-out“ weiterentwickelt werden.
Aus den Berichten der IHKs zeigt sich bereits jetzt, dass insbesondere Nachweis- und Genehmigungspflichten für bauliche Gegebenheiten die Nachfolge erschweren (z. B. beim Brandschutz). Hier sollte die Bundesregierung etwa im Rahmen der Praxis-Checks Hürden identifizieren und beseitigen. Geprüft werden sollte auch ein auf einige Jahre befristeter Bestandsschutz für die Genehmigungen, die noch die Vor-Eigentümerin/der Vor-Eigentümer eingeholt hat.
Es gilt zudem, das E-Government mit Blick auf Unternehmensnachfolge zu verbessern. Umwandlungen oder Übertragungen von Unternehmen erfordern bisher eine sorgfältige Prüfung (due diligence) und ggf. die rechtzeitige Einholung neuer Genehmigungen. Über eine bürgernahe, digitale Verwaltung würde der Prozess deutlich verbessert werden, da der Staat grundsätzlich bereits über alle erforderlichen Daten und Informationen verfügt, diese aber meist auf die unterschiedlichsten Behörden und Ämter verteilt sind. Künftig sollten die Beteiligten einen beabsichtigten Betriebsübergang nur noch bei einer einzigen staatlichen Stelle anzeigen müssen. Sie könnten dann auch eine (rechtsverbindliche) Auskunft über den Status quo und die bei der Umwandlung oder Übertragung zu erledigenden Formalitäten erhalten - und diese im besten Fall gleich bei dieser Stelle erledigen.
Unternehmerische Freiräume sollten auch auf einem weiteren Feld besser erschlossen werden: Vielerorts würden bessere Betreuungsmöglichkeiten helfen, unternehmerisches Engagement und Familie besser in Einklang zu bringen – für Frauen und für Männer. Noch zu häufig sind die Betreuungszeiten oftmals in Randzeiten unflexibel, die Ferienbetreuung unzureichend und Wochenendbetreuung nicht im Angebot.
Für Unternehmensnachfolge sensibilisieren
Ein wichtiger Hebel für mehr Unternehmertum und damit auch für gelungene Nachfolgelösungen besteht darin, an Schulen und Hochschulen Themen des Unternehmertums und ökonomische Bildung stärker zu verankern.
Mit der Initiative „Unternehmensnachfolge – aus der Praxis für die Praxis“ bietet die Bundesregierung seit Herbst 2019 eine Unterstützung für Akteure und Netzwerke vor Ort. Damit wurde eine Maßnahme umgesetzt, für die sich viele IHKs und der DIHK stark gemacht haben. Nach Ablauf des Projektes stellt die Bundesregierung die daraus entwickelten Maßnahmen nun allen Akteuren der Unternehmensnachfolge in Deutschland wie Wirtschaftsförderern, IHKs und Handwerkskammern, Finanzierungspartnern per Website zur Verfügung. Allerdings sollte auch die Verstetigung der Projekte unterstützt und begleitet werden. Ziel ist die Sensibilisierung und das Zusammenbringen von Senior-Unternehmen und potenziellen Nachfolgern, etwa im Sinne von „Nachfolge-Moderatoren“ (zum Beispiel IHK Region Stuttgart). 

Die Gründe für die wachsende Herausforderung der Unternehmensnachfolge

Sukzessive Herausforderungen: Demografie und Mangel an Fachkräften
Bedenklich stimmt, dass ein Viertel aller beratenen Inhaberinnen und Inhaber erwägen, ihren Betrieb zu schließen, anstatt den Betrieb in neue Hände zu geben. Hierfür sehen die Expertinnen und Experten der IHKs eine Melange aus vielen Gründen.
Insgesamt nennen 94 Prozent der IHKs Schwierigkeiten bei der Nachfolgesuche. Die gründungsstarken Altersjahrgängen zwischen 18 und 40 Jahren sind immer schwächer besetzt. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter. Allein aus dieser demografischen Perspektive wird es immer schwieriger, aus einer sinkenden Zahl an potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern die passende Kandidatin bzw. den passenden Kandidaten zu finden. Hinzu kommt der zunehmende Mangel an Fachkräften (61 Prozent der IHKs), der dazu führt, dass gut qualifizierte Personen lukrative Angebote für abhängige Beschäftigungsverhältnisse erhalten und sich damit gegen das dem „Beruf Unternehmer/in“ innewohnende unternehmerische Risiko – und somit auch gegen eine Unternehmensnachfolge – entscheiden.
Aktuell: steigende Verunsicherung und auch noch Corona-Nachwirkungen
Hinzu kommen weitere aktuelle Einflussfaktoren: 44 Prozent der IHKs konstatieren, dass für die von ihnen beratenen Unternehmen die Unsicherheit über die Zukunft des Geschäfts in den letzten Monaten stark zugenommen habe. Hartnäckige Inflation, hohe Zinsen und Energiepreise tragen hierzu bei. Die IHKs berichten auch, dass sich Unternehmen insbesondere durch eine teils kaum berechenbare Wirtschaftspolitik verunsichert sehen und sich fragen, mit welchen Rahmenbedingungen sie in den kommenden Jahren zu rechnen haben (etwa bei den Diskussionen und Ankündigungen zum „Heizungsgesetz“). Solche Unsicherheiten führen zu einer abwartenden Haltung bei Investitionen, und auch beim unternehmerischen Engagement.
37 Prozent der IHKs vermelden, dass Unternehmen die gestiegenen Kosten etwa für Energie, Arbeitskräfte, Vorleistungen und Materialien nicht weitergeben können und der Weiterbetrieb dauerhaft Verluste einfahren könnte. 27 Prozent der IHKs sehen ihre Unternehmen immer mehr ausgebremst durch administrative Anforderungen. In kleinen Unternehmen ist es zumeist auch einer nachfolgenden Führungskraft nur schwer möglich, die Bewältigung all dieser Herausforderungen auf mehrere Schultern zu verteilen.
Zudem sind die Folgen der Corona-Pandemie oftmals betriebswirtschaftlich noch nicht ausgestanden. Die Einschränkungen der Geschäftstätigkeit hat für viele Branchen herbe Einbußen gebracht, die zu den „klassischen“ Branchen für Unternehmensgründungen und Unternehmensnachfolgen zählen. Hierzu gehören Handel, Gastronomie und viele Dienstleistungsbereiche wie etwa Reisewirtschaft und Veranstaltungswirtschaft. Laut IHKs legten gerade in diesen Branchen viele Senior-Unternehmerinnen/-Unternehmer die Übergabe ihres Betriebes „auf Eis“, um das Fortbestehen des Betriebes zu sichern. Gleichzeitig unterblieben jedoch Neuinvestitionen mit der Folge sinkender Renditeaussichten. Dadurch leidet wiederum die Attraktivität des Unternehmens für potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger.
In vielen östlichen Regionen ist die Suche noch etwas schwieriger
In den neuen Bundesländern (einschl. Berlin) ist die Suche nach der passenden Nachfolge noch etwas schwieriger. Fast vier Unternehmen auf Nachfolgesuche kommen auf eine Interessentin bzw. einen Interessenten. Die IHKs berichten, dass die vergangenen Abwanderungstendenzen zu einer zusätzlichen Ausdünnung der unternehmerisch aktiveren jüngeren Jahrgänge geführt haben. Gleichzeitig erreichen viele der Inhaberinnen und Inhaber, die nach der Wende ein Unternehmen gegründet und aufgebaut haben, nun das Ruhestandsalter.
Anteil der Frauen bei einem knappen Viertel
Frauen machen einen Anteil von 23 Prozent aus an denjenigen, die ihr Unternehmen abgeben wollen und an den Nachfolgesuchenden. Dieser Anteil zeigt sich über mehrere Jahre hinweg recht stabil. Insgesamt haben die IHKs im Jahr 2022 rund 2.000 Frauen beraten, die ein Unternehmen abgeben oder übernehmen wollen.
Insgesamt sind mittlerweile immerhin mehr als 40 Prozent derjenigen, die sich unternehmerisch engagieren möchten, weiblich (DIHK-Report Unternehmensgründung 2023). Aber deutlich weniger Frauen wollen ihr Vorhaben mittels Unternehmensnachfolge verwirklichen. Noch immer steigen viele Frauen den IHK-Erfahrungen zufolge später in die unternehmerische Tätigkeit ein, sie managen v. a. in der Kindererziehungszeit zuerst das „Unternehmen Familie“. In der Folge haben Frauen bei ihrem unternehmerischen Start oft weniger Startkapital ansparen und auch weniger Erfahrung in unternehmerischen und Branchen bezogenen Netzwerken sammeln können. Gerade für die Übernahme eines Unternehmens sind diese Voraussetzungen jedoch wichtig. Auch sind vielerorts mangelnde Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und auch für zu pflegende Angehörige ein Hemmnis.
Probleme entstehen zudem, wenn Werte, Auffassungen und Lebenseinstellungen der jungen Frauen nicht mit denen der Vorgängergeneration übereinstimmen oder die Bereiche Unternehmen und Familie nicht klar getrennt werden. Das ist insbesondere dann ein Hemmnis, wenn das Rollenverständnis der abgebenden Generation sich deutlich von dem der übernehmenden Generation unterscheidet.
In den östlichen Bundesländern ist der Anteil der Frauen, die in eine Unternehmensnachfolge einsteigen wollen, etwas höher. IHK-Erfahrungen zufolge suchen Frauen insbesondere in der Gastronomie, im (Einzel)handel und in Dienstleistungsbereich Nachfolgen bzw. zu übernehmende Unternehmen. Diese Unternehmensstrukturen sind noch etwas zahlreicher in den östlichen Regionen zu finden.
Finanzierungskanäle werden enger
Ein Drittel der Nachfolgeinteressenten berichtet den IHKs von Finanzierungsproblemen. Denn mit dem restriktiveren Zins- und Finanzierungsumfeld sind den IHKs zufolge die relevanten Finanzierungskanäle für die potenziellen Nachfolger deutlich enger geworden. Infolgedessen dürfte sich die Finanzierung des Kaufpreises für viele Nachfolgeinteressenten merklich erschweren.
Die gestiegenen Zinsen schlagen deutlich auf die Fremdfinanzierung bei der Unternehmensnachfolge durch. Für die klassische Finanzierungssäule, den Bankkredit, berichten die IHKs nämlich bereits von deutlichen finanziellen Einschränkungen. 49 Prozent der IHKs sehen Verschlechterungen, nur vier Prozent Verbesserungen. Damit geht der Saldo aus „Verbessert“- und „Verschlechtert“-Anteilen mit nunmehr 45 Punkten deutlich ins Minus. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Finanzierung aus Eigenmitteln der Übernehmenden.
Auch beim Einsatz von Darlehen der Alt-Inhaberin/des Alt-Inhabers als Finanzierungsbaustein sieht eine Mehrheit der IHKs weitere Verschlechterungen, in „klassischen“ Nachfolgebranchen wie Handel und Gastronomie sind die Polster vieler Betriebsinhaber dünn und haben sich oftmals von den Corona-bedingten Einschränkungen noch nicht erholt. Das schmälert deren Möglichkeiten, die Käuferin/den Käufer zu unterstützen. Schwieriger ist auch der Einsatz von Mezzanine-Kapital als Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital geworden.
Auch bei Bürgschaften und bei der Nachfolgefinanzierung via Beteiligungskapital sehen die IHKs mittlerweile ein engeres Finanzierungsumfeld. Das Ende der Niedrigzinsphase begünstigt Investments in sicheren Anlagen und macht mithin unter dem Strich viele Engagements in Startup-Projekte oder Unternehmensnachfolgen weniger attraktiv. Hilfreich sind in der Startup-Strategie der Bundesregierung sowie dem Zukunftsfinanzierungsgesetz enthalte Maßnahmen, um Beteiligungskapital zu akquirieren – mithilfe von öffentlichem Kapital als Anker. Gefragt sind aber auch Anpassungen von im internationalen Vergleich sehr restriktiven Regelungen bei Beteiligungskapital. So können Verluste in Deutschland lediglich bei Einhaltung bestimmter Vorgaben vorgetragen werden. Eine Bedingung ist, dass das Geschäftsmodell nicht verändert wird. Gerade bei Unternehmensnachfolgen ist es aber oft notwendig, Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen und ggf. anzupassen.
Zumeist geben Altersgründe den Denkanstoß
Bei über drei Viertel der Unternehmen geben Altersgründe den Ausschlag, sich mit der Unternehmensnachfolge und dem Übergeben des Betriebes in andere Hände zu befassen. Wirtschaftliche Gründe veranlassen hierzu ein gutes Zehntel. Damit ist davon auszugehen, dass sich das Gros der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistungsbranchen zumindest nicht in existenzbedrohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Unter den persönlichen Gründen für die Übergabe des Unternehmens nennen die IHKs insbesondere Krankheit und Todesfälle, starke Belastungen im unternehmerischen Alltag, fehlende Fachkräfte sowie Änderungen im persönlichen oder familiären Umfeld oder eine berufliche Neuorientierung.
Etwa die Hälfte der beratenen Senior-Unternehmerinnen und Senior-Unternehmer beabsichtigen, ihren Betrieb innerhalb der Familie oder an Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zu übergeben. Auf der anderen Seite plant somit nahezu die Hälfte der Beratenen, das Unternehmen zu verkaufen. In vielen dieser Fälle findet sich etwa innerhalb der Familie und auch unter den Mitarbeitenden niemand, der das Unternehmen weiterführen will oder kann.

Damit die Nachfolge gelingt – auch bei Unternehmen und Nachfolge-kandidaten ist mehr Flexibilität gefordert

An vielen Punkten können Unternehmen und Nachfolgeinteressenten auch selbst viel bewirken, damit die Nachfolge gelingt:
„Fortsetzung folgt!” – bundesweite IHK-Aktionswoche Unternehmensnachfolge
Vom 19. bis 23. Juni 2023 fand in über 50 Industrie- und Handelskammern die diesjährige IHK-Aktionswoche zur Unternehmensnachfolge statt. Unter dem Motto „Fortsetzung folgt!“ informierten die IHKs vor Ort zu Aspekten wie Unternehmensbewertung, Unternehmensbörse „nexxt-change“, Umgang mit Konflikten oder auch die Nachfolge in Patchworkfamilien. Viele Angebote richteten sich auch gezielt an Frauen. Über 4.200 Unternehmen auf Nachfolgesuche und Nachfolgeinteressierte nahmen teil. Das insgesamt hohe Interesse zeigt, wie sehr die Herausforderung der Unternehmensnachfolge vielen Unternehmen des Mittelstands auf den Nägeln brennt.
  • Insgesamt haben 40 Prozent der Senior-Unternehmerinnen und Unternehmer und 43 Prozent der Nachfolgeinteressierten zum Zeitpunkt der IHK-Beratung noch keine passende Nachfolge bzw. noch keinen passenden Betrieb gefunden. 32 Prozent der beratenen Alt-Inhaberinnen und -Inhabern fällt es schwer, von ihrem Unternehmen emotional loszulassen. Schließlich geht es um das Lebenswerg, in welches sie oft jahrzehntelange Mühen investiert haben. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben sich zudem im Laufe ihrer Selbstständigkeit angeeignet, sich ausschließlich auf sich selbst zu verlassen – umso schwerer fällt daher der Weg in den Ruhestand. Je kleiner das Unternehmen, umso häufiger machen IHKs diese Beobachtung. Der Übergabeprozess wird zudem bisweilen dadurch erschwert, dass Kompetenzen nicht klar zwischen abgebender und übernehmender Generation verteilt und dieses nicht transparent auch gegenüber den Mitarbeitenden kommuniziert wird. Dann besteht die Gefahr des “Hineinregierens”. Das Unternehmen wird dadurch langsamer in seinen Entscheidungen, die Verlässlichkeit gegenüber Kunden und Geschäftspartnern kann leiden. Dies ist ein Hemmnis gerade in einer Zeit, in der rasches Handeln und Innovationen angesichts großer Herausforderungen gefragt sind.
  • Auch infolge dieser Beharrungstendenzen fordern 39 Prozent - laut IHK-Erfahrungen - zu Beginn der Verhandlungen einen überhöhten Kaufpreis. Die über Jahre oder Jahrzehnte geleisteten Mühen und den persönlichen Einsatz rechnen sie oftmals mit ein. 21 Prozent warten mit der Übertragung in der Hoffnung, später einen noch höheren Kaufpreis erzielen zu können.
  • 39 Prozent der Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber haben sich zum Zeitpunkt der IHK-Beratung nicht rechtzeitig auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet. Viele schieben die emotional herausfordernde und steuerlich-rechtlich komplizierte Materie auf die „lange Bank“. 81 Prozent der Beratenen wenden sich erst zwei oder weniger Jahre vor der geplanten Übergabe an einen externen Akteur – laut IHK-Erfahrungen zu spät, um die Nachfolge ohne unnötigen Druck zu regeln. Aus den Beratungen empfiehlt sich, meist zwei oder mehr Jahre vorher externen Rat einzuholen. Manche Unternehmerinnen und Unternehmer zögern auch deshalb mit der Einholung externer Expertise, weil sie sich Wettbewerben gegenüber nicht als Nachfolge-Suchende zu erkennen geben wollen. Oft beobachten IHKs, dass Seniorunternehmer länger als geplant im Betrieb verbleiben, weil sich in der nachfolgenden Generation niemand findet für die Fortführung des elterlichen Betriebes. Damit einher geht häufig laut IHK-Expertinnen und -Experten, dass Alt-Eigentümerinnen und -Eigentümer ihre Investitionen herunter fahren und Innovations- und Digitalisierungserfordernisse nicht aktiv angehen, was die Attraktivität des Betriebes für potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger senkt. Insbesondere in Handel und Gastronomie gibt es solche Konstellationen. In vielen kleineren Betrieben etwa des Dienstleistungssektors gelingt zudem die Reduzierung der Inhaberabhängigkeit nicht.
  • Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches – bei den Nachfolgeinteressierten – sehen die IHKs häufig Bedarf, sich die nötigen inhaltlichen und persönlichen Voraussetzungen für die Weiterführung eines Unternehmens noch anzueignen: 30 Prozent unterschätzen die Anforderungen an die Übernahme eines bestehenden Betriebes und gehen zu sehr von einer „Gründung im gemachten Nest aus“, mit vorhanden Kunden- und Lieferantenstrukturen. 21 Prozent der Übernahmeinteressierten müssen bei ihrer Qualifikation den IHKs zufolge nacharbeiten. Dabei erfordert gerade die Übernahme eines vorhandenen Betriebes hohe unternehmerische Fähigkeiten und Führungsqualitäten.
  • Auch das komplexe Erbschaftsteuerrecht bleibt eine Hürde. Jeweils elf Prozent der Nachfolgeinteressenten sowie Senior-Unternehmerinnen und Unternehmer nennen den IHKs dieses Hemmnis.
Countdown Unternehmensnachfolge – Das empfehlen die IHKs:
  1. „Vorbereitung ist alles“. Etwa drei bis zehn Jahre vor der geplanten Übergabe sollte die Inhaberin/der Inhaber damit beginnen, das Unternehmen fit für die nächste Generation zu machen. Ist das Angebot zukunftsorientiert? Stimmen die Margen? Ist meine Produktion auf dem neuesten Stand? Muss ich neu investieren? Stimmt die Unternehmensorganisation? Habe ich die richtigen Zuliefer- und Finanzierungspartner? Hierfür bieten die IHKs z. B. Checklisten (zum Beispiel IHK Rhein-Neckar)
  2. Nachfolge finden. Spätestens drei Jahre vorher mit der Suche nach einer Übernehmerin/einem Übernehmer beginnen.
  3. Unternehmen übergeben. Spätestens zwölf Monate vorher den Prozess der Übergabe beginnen.
  4. „Stunde Null“. Nach Übergabe des Unternehmens muss das Spannungsfeld der Interessen von Inhaber/in, Familie, Nachfolger/in und Unternehmen gelöst sein. Die Vorkehrungen hierfür sind lange vorher zu treffen (siehe 1.).
67 Prozent der Senior-Unternehmer/innen, die sich von ihrer IHK beraten lassen, haben keinen „Notfallkoffer“ gepackt. Hier sind alle wichtigen Dokumente und Vollmachten übersichtlich für den „Fall der Fälle“ zusammengestellt. Mit dem IHK-Notfallhandbuch für Unternehmen bieten IHKs Unternehmen eine wichtige Hilfe, die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Ziel ist es, Unternehmer/innen Schritt für Schritt durch den Planungsprozess zu führen und sicherzustellen, dass nichts Wichtiges in Vergessenheit gerät und ein störungsfreier Betrieb des Unternehmens gewährleistet wird. Informationen, interaktive Checklisten und Formulare helfen bei der Strukturierung und griffbereiten Ablage der Unterlagen. Viele IHKs bieten das Notfall-Handbuch mittlerweile zum Download an (zum Beispiel IHK Berlin).

Blick in die Branchen - Gastgewerbe und Handel besonders betroffen

Die zunehmenden Engpässe bei der Unternehmensnachfolge ziehen sich durch sämtliche Branchen. Insgesamt suchten 3,4 mal mehr abgabewillige Unternehmen die IHKs auf als Nachfolgeinteressenten. Besonders eng ist die Situation im Gastgewerbe – hier meldeten sich sogar 6,5mal mehr Unternehmen als Interessierte. Stark betroffen ist auch der Handel, hier kommen rechnerisch 5,6 abzugebende Unternehmen auf eine Interessentin/einen Interessenten.
Handel – hoher Nachfolgedruck
Im Handel ist der Nachfolgedruck hoch. 26 Prozent der von den IHKs beratenen Altinhaberinnen und Alt-Inhaber stammen aus dieser Branche. Handelsunternehmen spüren mehrere Herausforderungen gleichzeitig: Der Druck zu modernisieren und insbesondere zu digitalisieren (z. B. Zahlungsdienste) ist hoch. Passende Fachkräfte sind immer schwerer zu gewinnen. Zudem stellt der Online-Handel den stationären Einzelhandel vor Herausforderungen. Corona-bedingte Einbußen sind häufig noch nicht aufgeholt, Lieferengpässe teilweise noch vorhanden. Oft führt hoher Kosten- und Inflationsdruck zu Zurückhaltung bei den Kunden einerseits und andererseits zu steigenden Kosten des Betriebes insbesondere auch von Mieten, auch mit der Folge von Leerständen in der Innenstadt, was den Weiterbetrieb angestammter Betriebe infolge sinkender Kundenfrequenzen weiter erschwert. Auch ländliche Regionen haben mit Leeerständen, sinkenden Kundenfrequenzen und schmelzenden Margen zu kämpfen. Gleichzeitig ändern sich Nachfragestrukturen und Kundenpräferenzen. Häufig werden Prozesse und Geschäftsmodelle nicht (mehr) den erforderlichen Gegebenheiten angepasst, was wiederum die Renditeaussichten und die Attraktivität des Unternehmens für Nachfolgeinteressenten schmälert.
Industriebetriebe zur Nachfolge gesucht
Mit 19 Prozent sind Industriebetriebe am zweithäufigsten in der IHK-Beratung vertreten. Auch vergleichsweise viele Nachfolgeinteressenten halten in dieser Branche Ausschau. In manchen Regionen ist sogar zu beobachten, dass es mehr Übernahmeinteressierte als Industrieunternehmen in der IHK-Beratung gibt, wenngleich IHKs insgesamt auch in dieser Branche einen Überhang an angebotenen Unternehmen beobachten. Viele Industriebetriebe erwirtschaften vergleichsweise hohe Renditen und sind oft auch international engagiert. Allerdings: Die Führung eines Industrieunternehmens erfordert oft deutlich mehr technisches Know-how als in anderen Branchen – beim Maschinenpark, beim Labor wie auch bei behördlichen Auflagen (z. B. Normen, Produktkennzeichnungen, Emissionen). Bei kleineren Industriebetrieben sind die Strukturen häufig stark auf den alten Inhaber/die alte Inhaberin ausgerichtet, bisweilen gibt es hier auch eine hohe Abhängigkeit von wenigen Kunden. Und: Teure Maschinen oder Labore machen oft hohe Kaufpreise erforderlich. Gleichzeitig steigen für Unternehmenskäufer die Finanzierungskosten, was sich gerade bei hohen Kaufpreisen auswirkt. Hinzu kommen hohe Energiepreise, Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel, bisweilen schlechtes Infrastrukturumfeld (etwa bei maroden Verkehrswegen), Digitalisierungsdruck, Nachhaltigkeitserfordernisse sowie die dazugehörige Bürokratie. Zudem machen Investitions- und Modernisierungserfordernisse und damit einhergehender Kapitalbedarf die Nachfolgeverhandlungen nicht einfach.
Hotels und Gastronomie – über sechsmal so viele Unternehmen wie Nachfolgeinteressierte
In Hotellerie, Gastgewerbe und Tourismus melden sich mehr als sechsmal so viele Senior-Unternehmerinnen und Unternehmer bei ihrer IHK wie Nachfolgeinteressierte. Damit weist diese Branche die ungünstigste Relation auf. Corona-bedingte Einbußen bei Liquidität und Eigenkapital sind auch hier oftmals nicht aufgeholt. Besonders wirkt sich nach IHK-Berichten hier der Fachkräftemangel aus, der die Nachfolgesuche erschwert. Oft hält zudem hoher Investitions- und Modernisierungsbedarf von einer Übernahme ab. Hinzu kommen Kostendruck bei Mieten, Energie, Waren, Personal (auch durch gestiegene Mindestlöhne) sowie inflationsbedingt schmalere Budgets der Gäste. Viele Betriebe müssen den IHKs zufolge ihre Geschäftspolitik aufgrund geänderter Kundenwünsche grundlegend neu ausrichten. Insbesondere auf dem Land lassen sich neue Kunden oftmals nur schwer gewinnen. Vertriebskanäle wie etwa Online-Buchungsportale bewirken einen anhaltend hohen Preisdruck. Häufig ist mit einer Übernahme auch die entsprechende Immobilie zu erwerben, was komplexe Bewertungen nach sich zieht. Ein Hemmnis sind auch hohe Berichts- und Dokumentationspflichten: Meldeschein, Allergenkennzeichnung, Brandschutz, bauliche Genehmigungen, Neukonzessionierung bei der Übernahme und mehr. In der Branche besteht laut IHKs oft eine starke Bindung der Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber an ihr Lebenswerk, so dass bisweilen unrealistisch hohe Kaufpreis-/Pachtforderungen die Übergabeverhandlungen zusätzlich hemmen.
Logistik-Branche – viele Herausforderungen
In der Logistikbranche suchen fast viermal mehr Unternehmen als potenzielle Nachfolger die IHKs auf. Hoher Fachkräftemangel, hohe Energie- und Kraftstoffpreise und Maut machen der Branche weiterhin zu schaffen. Hinzu kommen höhere Mindestlöhne, steigende Finanzierungskosten, oftmals marode Verkehrswege, viele Genehmigungs- und Qualifikationserfordernisse sowie verstärkte Konkurrenz durch neue Wettbewerber, Green-Logistics-Anforderungen und Lieferkettenrisiken.
Dienstleister – oftmals starke InhaberInnen-Orientierung
Auch viele personenbezogene Dienstleister konnten Lockdown-bedingte Einbußen bei Liquidität- und Eigenkapital verbreitet noch nicht wieder wettmachen. Zudem schränken viele Kunden inflationsbedingt ihr Budget für Dienstleistungen ein. Eingeschränkte Renditeaussichten halten den IHKs zufolge viele Interessenten von einem Engagement ab. Zudem sind viele Dienstleister stark vom (abgebenden) Inhaber geprägt. Das macht den Einstieg umso schwerer. Der Fachkräftemangel dämpft Wachstumsaussichten und erschwert auch in dieser Branche hier die Nachfolgesuche. Die Kaufpreisermittlung gestaltet sich in dieser oft auf immateriellen Vermögensgegenständen beruhenden Branche oftmals schwierig. Alles in allem verzeichnen die IHKs fast viereinhalb Mal mehr Unternehmen als Übernahme-Interessierte. Etwas besser als in anderen Branchen sieht die rechnerische Relation bei den unternehmensbezogenen Dienstleistern aus (Relation: 3,2).
Finanzbranche – hoher Innovationsdruck
Der Innovationsdruck in der Finanzbranche ist hoch. Klassische Geschäftsmodelle werden durch Regulierung, verändertes Kundenverhalten, hohen Kostendruck, neue Finanztechnologien wie KI und Blockchain sowie neue Marktteilnehmer (Stichwort: Fin-Techs) vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Hinzu kommen neue Unwägbarkeiten auf den Finanzmärkten etwa durch das geänderte Zinsumfeld. Viele wie etwa Finanzvermittler wollen das Unternehmen in neue Hände geben, allerdings kommen gemessen an der IHK-Beratung in dieser Branche viermal mehr Unternehmen auf einen Nachfolgeinteressierten. Eine Rolle spielt häufig auch die hohe Bindung der Kunden an die ehemalige Führungspersönlichkeit. Nachfolgerinnen und Nachfolger müssen dann oft besondere Anstrengungen unternehmen, von Kunden und Geschäftspartnern akzeptiert und anerkannt zu werden.
IT-Unternehmen – selbst hier ist die Nachfolgesuche schwierig
Neben der Industrie liegt in der IT-Branche, rein numerisch gesehen, das Angebot an abzugebenden Unternehmen sowie die Nachfrage durch Nachfolgeinteressierte im Branchenvergleich noch am nächsten zusammen. Der Digitalisierungsdruck und die Notwendigkeit von Investitionen in die IT-Sicherheit fördern Renditeaussichten. Dennoch melden die IHKs hier fast doppelt so viele Betriebe wie Nachfolgeinteressenten (Relation: 1,8). Auch in dieser Branche sind viele Betriebe stark durch die Inhaberin/den Inhaber und eine bisweilen starke Abhängigkeit von einzelnen Kunden geprägt. Zudem haben es nach IHK-Berichten solche Betriebe besonders schwer, die über Projektverträge Individuallösungen für Einzelkunden entwickeln, vornehmlich während der Projektlaufzeit Einnahmen erzielen und daher stetig Neugeschäft akquirieren müssen.
Veröffentlicht am 14. Dezember 2023