Knoten lösen – freie Fahrt im Norden
Die Sicherung einer zeitgemäßen Mobilität für Menschen und Güter ist Garant für Wohlstand und Beschäftigung. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist dabei das Rückgrat der regionalen Wirtschaft.
Infrastruktur stärken und nachhaltig sichern
Angespannte Lager für Pendler und Touristen: Die IHK Schleswig-Holstein fordert den Marschbahn-Ausbau.
Der Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist und bleibt essenziell. Eine exportorientierte Volkswirtschaft und eine arbeitsteilige, mobile Gesellschaft sind auf bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Infrastrukturen angewiesen. Ohne sie wird die Wirtschaftsentwicklung gebremst oder ist gar nicht erst möglich. Gute Anbindungen an die Verkehrsinfrastruktur sind daher wesentliche Standortfaktoren im Wettbewerb der Unternehmen. Die Infrastruktur einer Region ist aber auch Voraussetzung für deren Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Regionen. Die Verkehrsinfrastruktur ist daher auf allen Ebenen zu erhalten sowie zügig und bedarfsgerecht auszubauen. Der Finanzierungshochlauf ist fortzusetzen und die Mittel sind zu verstetigen. Dabei sind alle Verkehrsträger wie Straße, Schiene, Wasserstraße oder Luftverkehr bedarfsorientiert hinsichtlich eines Ausbaus oder einer Ertüchtigung zu behandeln.
- Bekenntnis zum Bundesverkehrswegeplan 2030
Wir erwarten von der neuen Landesregierung, dass sie die durch Bundestagsbeschluss vereinbarten Infrastrukturprojekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) in unserem Bundesland kraftvoll vorantreibt und sich im Rahmen der anstehenden Überprüfung des BVWP mit Nachdruck dafür einsetzt, die bestehenden Einstufungen der Projekte zu erhalten oder im Einzelfall auch zu erhöhen. Besondere Bedeutung kommt in der aktuellen Situation der weiteren Arbeit an der A 20 zu.
- Augenmerk auf Brückenertüchtigung und Brückenneubau legen
Wegen der stark einschränkenden Folgewirkungen von sanierungsbedürftigen Ingenieurbauwerken ist für die nächsten Jahre ein spezielles Management für Brückenbauwerke zu entwickeln, um Behinderungen infolge der in der Vergangenheit unterlassenen Instandhaltungen so weit wie möglich zu minimieren.
- Schienenverkehrsnetz stärken
Das Schienennetz in Schleswig-Holstein bietet Chancen für die Steigerung des Verkehrs im Personen- und Güterbereich. Um dies zu gewährleisten, sollten die Chancen von Streckenstärkungen durch Bypässe und Reaktivierungen zeitnah genutzt werden. Potenziale bietet darüber hinaus die Elektrifizierung von Bahnstrecken. Schleswig-Holstein kommt derzeit auf eine Quote von knapp 30 Prozent und ist damit bundesdeutsches Schlusslicht. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei circa 60 Prozent. Außerdem ist ein zentraler "Kümmerer" beziehungsweise ein "SGV-Coach" als Vermittler zwischen den Unternehmen und den fachlich zuständigen Ebenen in der Verwaltung und in der Politik nötig – dies natürlich auch immer mit Fokus auf die Minderung von Risiken und Kosten. Zudem ist der wirkliche Bedarf an Gleisanschlüssen in Schleswig-Holstein durch eine nähere Marktbetrachtung zeitnah zu ermitteln. Positive Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit belegen trotz aller Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung aber bereits jetzt den logistischen Bedarf an solchen Anlagen.
- Wasserstraßen ausbauen/ertüchtigen und ihre Bedeutung stärker kommunizieren
Der Anteil der transportierten Güter auf den Binnenwasserstraßen in Schleswig-Holstein kann als Unterstützung der Mobilitätswende gesteigert und durch Ermöglichung von Verlagerungen zukunftsfähig ausgebaut werden. Dazu sind weiterhin verstetigte Investitionen in den Nord-Ostsee-Kanal, den Elbe-Lübeck-Kanal, die Nebenflüsse der Elbe sowie die Zufahrt zu den Häfen erforderlich. Die Landesregierung muss diese Notwendigkeit immer wieder gegenüber dem Bund als Träger der Wasserstraßen deutlich machen. Insbesondere sind die Umweltwirkungen von Transportverlagerungen als Gegenwert für diese Investitionen der Bevölkerung zu vermitteln.
- Nautische Zuwegung zu den Häfen frei halten und Verschlickung der Häfen verhindern
Die Häfen entlang der Westküste und an den Nebenflüssen der Elbe sind in besonderer Weise dem Gezeitenspiel ausgesetzt. Dadurch verschlicken regelmäßig sowohl die Häfen als auch ihre nautischen Zufahrten. Um aktuelle Schiffsgrößen bedienen zu können und die Wettbewerbsfähigkeit der Hafenstandorte sicherzustellen, muss der Verschlickung durch geeignete Maßnahmen und Dauergenehmigungen entgegengewirkt werden.
- Landesfonds zur Hafenentwicklung
Zur langfristigen Finanzierung von Hafenentwicklung und Maßnahmen zur Schiffbarhaltung der Häfen an der Westküste und den Nebenflüssen der Elbe sollte ein Landesfonds aufgesetzt werden. Dieser könnte sich beispielsweise aus Einnahmen aus der Verklappung von Hamburger Baggergut vor Helgoland oder einem bundesländerübergreifenden, gemeinsamen Sedimentmanagement speisen.
- Zukunftsfähigkeit der Luftfahrt in Schleswig-Holstein sicherstellen
Der Luftverkehr ist eine zentrale Säule im Personen- und Güterverkehr und aus einer arbeitsteiligen, globalisierten Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Schleswig-Holstein ist sowohl durch den Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel als auch durch bestehende Direktverbindungen der Flughäfen Sylt und Lübeck an das nationale und europäische Luftverkehrsnetz angeschlossen. Es gilt, den dezentralen Luftverkehr zu erhalten und weiterzuentwickeln. Um das bestehende Angebot noch weiter zu verbessern und dadurch auch die Standortqualität zu erhöhen, sollten die Direktverbindungen der großen schleswig-holsteinischen Flughäfen weiter ausgebaut werden. Außerdem sollte die Nutzung von Fotovoltaik an Flugplätzen intensiviert werden, da so lokale Möglichkeiten für die Transformation der Flughäfen zu "Green Airports" geschaffen werden. Außerdem sollten weitere Projekte und Initiativen wie die mit Lübeck Air unterstützt werden, bei denen Windstrom in synthetisches Kerosin umgewandelt wird. Dies wird helfen, Flugzeuge mit einem steigenden Anteil CO2-neutraler Kraftstoffe zu betreiben und damit die Luftfahrt klimaverträglicher zu machen. Darüber hinaus stehen zahlreiche kleinere Flugplätze in Schleswig-Holstein zur Verfügung. Diese sollten auch in Zukunft instand gehalten und gesichert werden.
- Überlandradwege ausbauen, soweit technisch/wirtschaftlich machbar
Das Land Schleswig-Holstein ist angehalten, ein landesweites Konzept für den Bau von Überlandradwegen zu erstellen. Dabei müssen touristische Potenziale und die Stärkung der Pendlerbeziehungen im Stadt-Umland-Bereich im Mittelpunkt stehen.
- Einführung eines landesweiten Baustellenmanagements (nicht nur Fernstraßen) und bessere Identifizierung von Schwachstellen/Konflikten im Netz
Die volkwirtschaftlichen Kosten inklusive Umweltfolgen durch mangelnde Koordination von Baustellen haben zugenommen. Die neue Landesregierung muss die Bemühungen des LBV SH unterstützen, ein landesweites, digitales Planungs- und Koordinierungstool unter Beteiligung aller Kommunen und Bauträger zu etablieren.
- Länderübergreifende Koordination von Projekten und Baustellen
Viele Verkehrsprobleme in Schleswig-Holstein entstehen wegen der Kapazitätsengpässe (Flaschenhals-Wirkung) in der Metropolregion Hamburg und der dort auftauchenden Baustellen und verkehrlichen Einschränkungen. Die neue Landesregierung sollte auf eine Intensivierung der Baustellenkoordinierung insbesondere mit der Freien und Hansestadt Hamburg hinwirken. Insbesondere gilt es, unnötige Erschwernisse für den Wirtschaftsverkehr und den Tourismus zu vermeiden.
- Mindestrezyklatanteil beim Straßenbau festlegen und bei Ausschreibungen berücksichtigen
Nach Auswertung des Pilotprojekts "Einsatz von Recyclingbaustoffen im Landesstraßenbau" sollte für den Neubau und die Sanierung von Landes- Kreis- und kommunalen Straßen sowie für den land- und forstwirtschaftlichen Wegebau ein Mindestanteil für den Einsatz von Recyclingbaustoffen vorgesehen werden. Das Land sollte entsprechende Vorgaben für die Vergabe festlegen und auf die Anpassung der technischen Regeln hinwirken.
Mobilität zukunftsfähig entwickeln
- Digitalisierung und Automatisierung des Verkehrs zügig vorantreiben
Gerade im Güter- und Personenverkehr gibt es zahlreiche Möglichkeiten, durch Digitalisierung und Vernetzung effizienter, nachhaltiger und kundenorientierter zu werden. Die Digitalisierung und Automatisierung des Verkehrs ist daher zügig voranzutreiben. Außerdem müssen die Voraussetzungen für digitalisierte Mobilitätsangebote sowie für autonomes und vernetztes Fahren weiter verbessert werden.
- Alternative Antriebe fördern
Alternative Antriebe umfassen verschiedene Technologiesysteme: von Elektro- über Wasserstoffantriebe bis hin zu Antrieben mit synthetischen Kraftstoffen oder LNG (Liquefied Natural Gas). Die Einsatzmöglichkeiten variieren je nach Verkehrsträger, Transportgewicht oder Reichweiten. Für das Gelingen der Energiewende im Verkehr müssen daher die Entwicklung der Technologien und deren Roll-out forciert werden, und zwar von Industrie und Politik gemeinsam. Die Forschungs- und Innovationsförderung für alternative Antriebe und Kraftstoffe in allen Bereichen der Verkehrs- und Mobilitätswirtschaft muss daher ausgeweitet werden und auch der Ausbau der Versorgungsinfrastruktur ist intensiver zu fördern. Die notwendigen finanziellen Mittel hierfür sind zu erhöhen. Die Voraussetzungen für die bessere und vor allem schnellere Planung von nachhaltiger Mobilität sind in der Landesplanung sowie in den Plänen der Kreise und Städte kurzfristig zu verankern.
- SPNV stärken
Die neue Landesregierung sollte die durch den LNVP vorgegebenen Maßnahmen im Schienenpersonennahverkehr finanziell absichern, um schnelle Fortschritte in der Mobilitätswende zu ermöglichen.
- Ausweitung des SH-Jobtickets auf kleine Unternehmen (Bezug unter fünf Tickets)
Die schleswig-holsteinische Unternehmensgrößenstruktur ist besonders kleinteilig. Damit künftig noch mehr Unternehmen in den Genuss des neuen SH-Jobtickets kommen können, sollte deshalb der Bezug von weniger als fünf Tickets ermöglicht werden.
- Gewerblichen Drohnenflug als Zukunftstechnologie ermöglichen
In Dänemark und auch in einigen benachbarten Bundesländern hat man sowohl die Potenziale als auch die Herausforderungen erkannt und ist bereits aktiv geworden beziehungsweise plant dies konkret zu tun. Schleswig-Holstein darf dabei nicht den Anschluss verlieren, denn gerade bei uns als agrarisch geprägtem, zwischen zwei Meeren liegendem Flächenbundesland schlummern enorme Potenziale für den professionellen gewerblichen Drohnenflug – insbesondere im Offshore-Sektor, in der Seenotrettung, im Küstenschutz, in der Land- und Forstwirtschaft oder im Bereich der Versorgung schlecht angebundener Gebiete mit Medikamenten (beispielsweise Inseln und Halligen). Rechtliche Unklarheiten und komplizierte Genehmigungsverfahren bremsen wirtschaftliche Aktivitäten und Ansiedlungen sowie Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in Schleswig-Holstein bislang allerdings aus. In diesem Zusammenhang müssen auch der Aufbau einer Infrastruktur für den Drohnenflug, die wissenschaftliche Begleitung sowie der Wissens- und Technologietransfer unterstützt und gefördert werden. Möglicherweise auftauchende Lücken in der existierenden Förderlandschaft müssen durch Initiative des Landes geschlossen werden.
Umwelt- und Verkehrspolitik integrieren
Verkehr auf der Fehmarnsundbrücke
Bei der politischen Abwägung im Spannungsfeld von Mobilität und Umwelt werden die Belange der Wirtschaft häufig nicht hinreichend einbezogen. Vornehmlich werden Verbote (etwa für bestimmte Technologien) und verteuernde Maßnahmen (wie die weitere Verschärfung von CO2- und Lärmschutz-Obergrenzen) diskutiert. Klar ist: Verkehr verursacht Schadstoff- und Lärmemissionen und muss daher auch einen stärkeren Beitrag zur Emissionsminderung leisten. Zum Beispiel müssen bei der Planung von Straßen- und Schienenstrecken zukünftig "Gesamtlärmbetrachtungen" erfolgen, falls es der Gesetzgeber vorsehen sollte. Die Wirtschaft setzt dabei jedoch nicht auf maximale Restriktionen, sondern auf technischen Fortschritt und Innnovationen wie die Entwicklung moderner Antriebskonzepte sowie alternativer Kraftstoffe und Fahrzeugtypen (Lang-Lkw) oder die effiziente Kombination von Verkehrsträgern. Auch neue Technologien im Bereich Infrastruktur und Telematik können einen Beitrag dazu leisten, den Verkehr besser fließen zu lassen und so Umwelt- und Lärmbelastungen zu mindern. Eine abgestimmte Strategie zwischen Staat, Fahrzeugindustrie und Transportwirtschaft vermag diese Innovationen zu fördern. Darüber hinaus sollten Verkehrskonzepte, -träger und -technologien intelligent verknüpft sowie Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft stärker unterstützt werden.
Logistik und Personenverkehrsbranche in die Zukunft führen
- Gemeinsam Fachkräftemangel in Verkehrs- und Logistikwirtschaft begegnen
Vor dem Hintergrund des akuten Mangels an Berufskraftfahrern und Fachkräften in der Logistik ist es nötig, die Ausbildungsanstrengungen innerhalb der Branchen noch einmal zu verstärken und gezielt Arbeitskräfte aus dem europäischen Ausland anzuwerben. Besondere Schwerpunkte der Bemühungen sollten dabei auf der sprachlichen Ausbildung und der Bereitstellung von Wohnraum liegen, um die Fachkräfte dauerhaft zu binden und den Familiennachzug zu fördern. Die Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen und Berufsfeldern in der Verkehrs- und Logistikwirtschaft ist in den Schulen umfangreicher und intensiver zu vermitteln. Für eine nachhaltige Stärkung der Straßengüterverkehrsbranchen und der Personenverkehrsbranche ist es darüber hinaus wichtig, eine administrative Vereinfachung beim Berufszugang, bei der Fahrerausbildung und bei den Fortbildungen herbeizuführen. Hierzu zählt beispielsweise die Abschaffung der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) für Lkw-Azubis unter 21 Jahren. Nötig ist die Einführung vereinfachter Sprache bei der Ausbildung nach dem Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz (BKrFQG) in Analogie zu den Vereinfachungen bei den Führerscheinprüfungen.
- Liberalisierung des Sonn- und Feiertagsfahrverbots
Die Landesregierung sollte weitere Versuche unternehmen, über Bund-Länder-Gespräche eine Liberalisierung und Vereinheitlichung des Sonn- und Feiertagsfahrverbots zu erreichen. Dies würde dem schleswig-holsteinischen Logistiksektor bei der Bewältigung seiner Nachteile durch die periphere Lage helfen.
- Logistikflächen entwickeln
Der Bedarf an Logistikflächen wächst nach wie vor – vorrangig entlang der Hauptverkehrsachsen (in der Nähe von Autobahnen, an Schienenknoten und an Häfen zuseiten des Nord-Ostsee-Kanals). Vielfach stößt die Errichtung von Logistikimmobilien jedoch nicht auf Zustimmung von Anwohnern und lokalen Politikern. Die Bedeutung und Notwendigkeit von Logistikflächen muss anerkannt werden.Auf kommunaler Ebene müssen größere kommunikative Anstrengungen gegenüber Entscheidungsträgern und Verantwortlichen sowie den Bürgern betrieben werden, um das Image der Logistikdienstleister zu verbessern. Die kommunale Planung muss frühzeitig Flächenbedarfe ermitteln und in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen berücksichtigen. Auch für Konversionsflächen sind vorausschauende Konzepte für die Gewerbeentwicklung zu erarbeiten.Gewerbegebiete und logistische Flächen müssen verkehrlich gut angebunden werden. Auch bei bereits bestehenden Ansiedlungen ist die Erschließung zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Hierzu gehören auch adäquate Breitbandanbindungen. Auf die Ausweisung von Wohngebieten in direkter Nachbarschaft ist zu verzichten.Positionspapier: Wirtschaftliche Bedeutung Nord-Ostsee-Kanal
125 Jahre Nord-Ostsee-Kanal – im Jubiläumsjahr der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt ist ihre Bedeutung ungebrochen. Um die Potenziale der Wasserstraße bei den Herausforderungen von Routenoptimierung, Ressourcenschonung und steigendem Klimabewusstsein auch zukünftig voll auszuschöpfen, sind die richtigen Weichenstellungen von Politik und Verwaltung nötig.