Kartellrecht

Verkauf unter Einstandspreis

Verkäufe unter dem Einstandspreis zerren an den Nerven der betroffenen Wettbewerber. Sind solche Unter-Einstandspreis-Verkäufe verboten?
Nach Paragraf 20 Absatz 4 GWB, dem sogenannten Kartellgesetz, ist als Ausdruck einer "unbilligen Behinderung" das nicht nur gelegentliche Angebot von Waren und Dienstleistungen unter Einstandspreis unzulässig, es sei denn, dies ist sachlich gerechtfertigt. Schon der Gesetzestext selbst zeigt, dass von einem generellen Verbot nicht gesprochen werden kann. Zuerst einmal richtet es sich nur auf Unternehmen mit überlegener Marktmacht und auf den systematischen Unter-Einstandspreis-Verkauf, Stichwort "nicht nur gelegentlich". Überlegene Marktmacht haben nicht nur marktbeherrschende Unternehmen, es kommt immer auf das Verhältnis an; wenn ein Unternehmen im Verhältnis zu einem Teil der (kleinen und mittleren) Wettbewerber eine deutlich bessere Finanzkraft und bessere Zugangsbedingungen zu den Beschaffungsmärkten hat, kann überlegene Marktmacht vorliegen. Entscheidend ist immer der Einzelfall.
Das "nicht nur gelegentlich" bedeutet, dass die Unter-Einstandspreis-Verkäufe auf Dauer angelegt sein müssen. Allerdings muss es sich nicht immer um dieselben Produkte handeln. Sonderaktionen über drei Wochen sind eindeutig nicht mehr nur gelegentlich.
Das Kernproblem ist die Frage: Was ist ein Unter-Einstandspreis? Das ist nicht nur der konkrete in Rechnung gestellte Preis unter Abzug von Skonti und Rabatten. Auch weitere Konditionen wie Jahresboni, Werbekostenzuschüsse, Verkaufsförderungsentgelte und Umsatzvergütungen sind - gegebenenfalls heruntergerechnet nach dem Umsatzanteil der betroffenen Artikel am Liefersortiment - vom Rechnungspreis abzusetzen. Das ist für die typischerweise betroffenen Branchen Lebensmittel, braune und weiße Ware (um nur einige zu nennen) also ersichtlich schwierig und von außen schwer abzuschätzen.
Schließlich die sachliche Rechtfertigung; die Beweislast für den sachlich rechtfertigenden Grund liegt immerhin bei dem unter Einstandspreis verkaufenden Unternehmen. Hier fließen die Schutzinteressen der kleinen und mittleren Wettbewerber, Verdrängungsabsichten, die nachhaltige Gefährdung wettbewerblicher Marktstrukturen und Ähnliches mit ein. Auf der anderen Seite sind sachliche Gründe etwa der Abverkauf verderblicher Waren, der Einstieg in Preisstrukturen auf dem örtlichen Markt, Interesse an der Promotion bestimmter Artikel. Auch der erstmalige Eintritt in den Markt kann Unter-Einstandspreise sachlich rechtfertigen.
Diese geraffte Darstellung zeigt, wie schwierig das Thema rechtlich zu handhaben ist. Nähere Informationen finden Sie in der Bekanntmachung Nr. 124/2003 vom 4. August 2003 des Bundeskartellamtes zu diesem Thema auf deren Internetseite in der Rubrik "Merkblätter", unter "sonstiges Kartellrecht".