Die öffentliche Bestellung: Grundsätze
Die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erfüllen bei der Entscheidung oder gütlichen Erledigung von (Rechts-)Streitigkeiten als Gutachter und als unabhängige, sachkundige Berater eine wichtige Aufgabe. Im Interesse der Allgemeinheit und derer, die des verantwortlichen Rates eines Sachverständigen bedürfen, kann deshalb nur öffentlich bestellt und vereidigt werden und bleiben, wer fachlich und persönlich den hohen Anforderungen genügt, die sich aus dieser Aufgabe ergeben.
Um auch in Zukunft und in allen Fachbereichen möglichst einheitliche Anforderungen zu gewährleisten und sicherzustellen, dass das Vertrauen in öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige gerechtfertigt ist, haben die Dachorganisationen der für die öffentliche Bestellung zuständigen öffentlich rechtlichen Körperschaften vereinbart, bei der öffentlichen Bestellung von Sachverständigen stets folgende Grundsätze zu den Anforderungen, dem Verfahren, den Pflichten und der Qualitätssicherung zu beachten:
Die Sachkunde
Die Fachkenntnisse eines Sachverständigen als Spezialist müssen die Fachkenntnisse der breit angelegten beruflichen Tätigkeit der Fachkollegen deutlich übersteigen. Dies gilt für das theoretische Fachwissen genauso wie für die Anwendung und die Erfahrungen in der Praxis. So wird z. B. in § 36 Gewerbeordnung die besondere Sachkunde als Voraussetzung für die öffentliche Bestellung gefordert. Um Transparenz und Vertrauen zu stärken, werden für die wichtigsten Sachgebiete die fachlichen Anforderungen an die öffentliche Bestellung als Sachverständiger in gesonderten, von unabhängigen Fachleuten erstellten fachlichen Bestellungsvoraussetzungen niedergelegt, zu denen die beteiligten Fachverbände und – organisationen vorher gehört werden. Im Handwerk erfolgt dies im Zusammenwirken von Handwerkskammern und Fachverbänden auf der Grundlage der handwerklichen Berufsbilder.
Zur Sachkunde gehört weiter die Fähigkeit, fachliche Beurteilungen und Schlussfolgerungen in Wort und Schrift in klarer, logisch aufgebauter und allgemein verständlicher Weise darzustellen, so dass sie von Fachleuten überprüft und von Nichtfachleuten nachvollzogen werden können.
Zur Sachkunde gehört schließlich auch die Kenntnis des notwendigen rechtlichen Umfeldes der Sachverständigentätigkeit.
Die persönliche Eignung
Zur Sachkunde gehört schließlich auch die Kenntnis des notwendigen rechtlichen Umfeldes der Sachverständigentätigkeit.
Sie ist die Grundlage, sachverständige Feststellungen und Wertungen glaubhaft vermitteln zu können. Sie konkretisiert sich insbesondere in
- geordneten Vermögensverhältnissen und persönlicher Integrität,
- der Fähigkeit und Bereitschaft zu unparteiischer und gewissenhafter Tätigkeit,
- voller Vertrauenswürdigkeit aufgrund der Gesamtheit der beruflichen und persönlichen Umstände,
- gesetzestreuem Verhalten in der Vergangenheit und einer entsprechenden Prognose für die Zukunft,
- dem Ausschluss von widerstreitenden Interessen in der Person des Sachverständigen, die geeignet sind, die äußere oder innere Unabhängigkeit des Sachverständigen in Frage zu stellen (Interessenkollision).
Das Überprüfungsverfahren und Bestellungsvoraussetzungen
Die besondere Sachkunde als erste Grundvoraussetzung der Sachverständigentätigkeit ist durch geeignete Fachleute und/oder Fachgremien in der Regel anhand der fachlichen Bestellungsvoraussetzungen oder beim Handwerk durch Hinzuziehung des zuständigen Fachverbandes eingehend im Rahmen schriftlicher und/oder mündlicher Begutachtungsverfahren zu überprüfen. Auch nur geringe Zweifel an der besonderen Sachkunde schließen die öffentliche Bestellung aus. Fachliche Qualifizierungen, wie z. B. eine Zertifizierung, werden in das Verfahren einbezogen und im Einzelfall überprüft.
Die persönliche Eignung als zweite Grundvoraussetzung der Sachverständigentätigkeit ist durch geeignete Ermittlungen und Nachweise, insbesondere durch amtliche Auskünfte und die Anhörung vertrauenswürdiger Persönlichkeiten sicherzustellen.
Die Pflichten des Sachverständigen
Jeder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige hat die sich aus seiner spezifischen Tätigkeit ergebenden Pflichten stets und genau zu erfüllen. Dies sind insbesondere
- unparteiische, unabhängige, weisungsfreie und gewissenhafte Aufgabenerfüllung, auch gegenüber privaten Auftraggebern,
- grundsätzlich für jedermann gegen angemessene Vergütung tätig zu werden,
- Schweigepflicht im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften,
- persönliche Aufgabenerledigung bei sorgfältiger Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik oder den sonst allgemein anerkannten Regeln des Sachgebiets,
- die Pflicht zur Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch,
- die Pflicht, sich auf sachliche Informationswerbung zu beschränken,
- die Pflicht, zum eigenen und zum Schutz der Auftraggeber für Haftungsrisiken eine angemessene Versicherung vorzuhalten,
- die Pflicht, sich dem Ansehen der öffentlichen Bestellung entsprechend zu verhalten, insbesondere auch in bezug auf andere Tätigkeiten.
Die Dokumentation der öffentlichen Bestellung nach außen
Nach außen wird die öffentliche Bestellung kenntlich gemacht durch
- die Bestellungsurkunde,
- die Führung des Sachverständigenrundstempels,
- gegebenenfalls den Sachverständigenausweis und
- die Führung der Bezeichnung „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ mit Angabe des Sachgebiets und der Bestellungskörperschaft.
Vor allem die Verpflichtung zur Führung der strafrechtlich geschützten Bezeichnung und des Rundstempels soll gewährleisten, dass die Öffentlichkeit den öffentlich bestellten Sachverständigen von anderen Sachverständigen klar unterscheiden kann und dass sich öffentlich bestellte Sachverständige stets ihrer besonderen Pflichten bewusst sind, wenn sie in dieser Eigenschaft nach außen auftreten.
Öffentlich bestellte Sachverständige dürfen in seriöser Weise Informationswerbung betreiben. Die Verwendung des vom IfS im Auftrag der Bestellungskörperschaften für öffentlich bestellte Sachverständige entwickelten Sachverständigen-Logos wird empfohlen.
Öffentlich bestellte Sachverständige werden mit ihrem Einverständnis in Internetverzeichnisse aufgenommen. Zusätzlich geben die Bestellkörperschaften Listen und Verzeichnisse für ihren Bezirk oder ihre Region heraus, um Gerichte und Behörden, Wirtschaft und Öffentlichkeit zu informieren.
Die Bestellung
Die Bestellung erfolgt für ein bestimmtes, klar abgegrenztes, der besonderen Sachkunde des Sachverständigen entsprechendes Fachgebiet, dessen Umschreibung auch einem Nichtfachmann verständlich sein soll. Vorhandene einheitliche Sachgebietstenöre werden genutzt. Bei neuen Sachgebieten wird der Bedarf für die Öffentlichkeit in geeigneter Weise überprüft und festgestellt sowie eine einheitliche Bezeichnung gewährleistet.
Die Betreuung
Die öffentlich bestellten Sachverständigen werden durch Informationen zur öffentlichen Bestellung, insbesondere zu ihrer Fortbildungspflicht, betreut. Die Bestellungskörperschaften werden dabei vom Institut für Sachverständigenwesen e. V. und weiteren Bildungseinrichtungen, wie z. B. der Akademie des Handwerks – Schloß Raesfeld - unterstützt.
Die Vergütung
Dem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen steht bei allen Aufträgen eine seiner Leistung entsprechende Vergütung zu, damit seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gesichert ist.
Die Qualitätssicherung
Die besondere Sachkunde und die persönliche Eignung müssen bei öffentlich bestellten Sachverständigen permanent vorhanden sein, um das Vertrauen in die öffentliche Bestellung zu gewährleisten. Hierzu dienen
- die Befristung der öffentlichen Bestellung auf einen bestimmten Zeitraum und die Wiederbestellung nach entsprechender Überprüfung,
- Informations- und Anzeigepflichten der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gegenüber den zuständigen Bestellungskörperschaften,
- die Aufsicht.
Die Aufsicht
Öffentlich bestellte Sachverständige unterliegen in fachlicher und persönlicher Hinsicht der Aufsicht. Beschwerden werden im öffentlichen Interesse durch die Bestellungskörperschaft geprüft und können zu aufsichtlichen Maßnahmen, erforderlichenfalls auch zum Widerruf der öffentlichen Bestellung und Vereidigung führen.
Einheitlichkeit
Die für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständigen Körperschaften treten für Regelungen ein, die bei den Anforderungen, dem Verfahren, den Pflichten und der Qualitätssicherung die Einheitlichkeit gewährleisten.