Kassensysteme

"Kassengesetz"

Forderungen nach technischen Manipulationsschutzmaßnahmen haben mit dem sogenannten “Kassengesetz” Eingang in die Gesetzgebung gefunden. Dazu zählen unter anderem die TSE, die Einzelaufzeichnungs- und Belegausgabepflicht sowie die Kassen-Nachschau.
2016 hat der Bundesrat dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen in der Beschlussfassung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zugestimmt. Unabhängig hiervon gilt die Kassenrichtlinie aus dem Jahr 2010. Von dieser Kassenrichtlinie hatte es bis 31. Dezember 2016 eine Übergangsfrist aufgrund des BMF-Schreibens vom 26. November 2010 (BStBl I Seite 1342) zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeldgeschäften gegeben. Nach deren Auslaufen müssen ab 1. Januar 2017 Unterlagen im Sinne des § 147 Absatz 1 AO, die mittels elektronischer Registrierkassen, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxametern und Wegstreckenzähler erstellt worden sind, für die Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar, unverzüglich lesbar und maschinell auswertbar aufbewahrt werden (§ 147 Absatz 2 Abgabenordnung).

Verschärfte Anforderungen für elektronische Registrierkassen bzw. elektronischer Aufzeichnungssysteme

Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung haben sich insbesondere seit 2018 erheblich verschärft. Grund dafür sind verschiedene Vorschriften, wie beispielsweise die sogenannte Kassenrichtlinie, das Kassengesetz und weitere Verordnungen. Eckpunkte für den Einsatz elektronischer Registrierkassen bzw. elektronischer Aufzeichnungssysteme sind insbesondere folgende Anforderungen:
  • Ab dem 1. Januar 2020 müssen elektronische Aufzeichnungssysteme über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (tSe) verfügen – dazu besteht eine Meldepflicht.
  • Ab dem 1. Januar 2020 gilt eine Belegausgabepflicht für elektronische Kassen. Sie verpflichtet die Unternehmen zur sofortigen Ausstellung eines Kassenbons.
  • Seit 2018 gilt die Einzelaufzeichnungspflicht, wenn eine Registrierkasse eingesetzt wird: Jeder Verkaufsvorgang muss detailliert im elektronischen System aufgezeichnet werden – ein sogenannter Z-Bon reicht nicht aus!
  • Bereits 2018 wurde die sog. Kassennachschau eingeführt. Prüfer der Finanzverwaltung dürfen unangekündigt die Kassenbuchführung überprüfen und Zugriff auf die Kasse verlangen.
  • Erforderlich ist außerdem eine Verfahrensdokumentation. Diese muss auch die Organisationsunterlagen zum eingesetzten Kassensystem, wie zum Beispiel Kassenfabrikat, Seriennummer, Einsatzzeiten, Programmieranleitungen, etc. enthalten.
Eine Registrierkassenpflicht gibt es nach aktueller Rechtslage nicht. Bei der Aufzeichnung von Bargeschäften können sich Unternehmer also frei entscheiden, ob sie dies manuell mithilfe einer offenen Ladenkasse, mit einer elektronischen Registrierkasse, einem PC-Kassensystem oder mit einer Cloud-basierten App-Lösung erfassen möchten.

Einzelaufzeichnungspflicht

In § 146 Absatz 1 Seite 3 AO wird nunmehr eine Einzelaufzeichnungspflicht für alle Kasseneinnahmen und -ausgaben festgeschrieben, sofern es sich nicht um einen Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung handelt. Damit wird dem Diktum des BFH (Urteil vom 12. Mai 1966) Rechnung getragen. Allerdings stellt § 146 Absatz 1 Seite 4 AO klar, dass diese Ausnahme nicht bei der Nutzung eines elektronischen Aufzeichnungssystems, sondern ausschließlich bei offenen Ladenkassen zur Anwendung kommt.

Belegausgabepflicht

Soweit ein elektronisches oder PC-gestütztes Kassensystem (und keine offene Ladenkasse) im Einsatz ist, sind Unternehmen seit dem 1. Januar 2020 verpflichtet, unmittelbar einen Beleg (in Papierform oder bei Zustimmung des Kunden elektronisch) zu erstellen und dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Der Kunde ist jedoch nicht zur Mitnahme des Beleges verpflichtet. Der Beleg muss folgende Angaben enthalten:
  • Name und Anschrift des Unternehmers
  • Belegdatum und Vorgangsbeginn/-beendigung („Transaktionszeitraum“)
  • Anzahl und Art der gelieferten Waren/Dienstleistung
  • Transaktionsnummer
  • Bruttoentgelt sowie Umsatzsteuersatz
  • Seriennummer des Kassensystems oder der TSE
Aufgrund der Änderung der Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) sind insbesondere Regelungen zu Taxametern, Kassenautomaten, Ladesäulen für E-Autos und Mindestangaben für Belege betroffen. Danach werden in § 6 KassenSichV für den Beleg, der von elektronischen oder computergestützten Kassensystemen und Registrierkassen auszugeben ist, als zusätzliche Mindestangaben der Prüfwert nach § 2 Seite 2 Nummer 7 KassenSichV und der fortlaufende Zähler festgelegt. Diese zusätzlichen Angaben sollen eine Belegverifikation auch außerhalb der Geschäftsräume der Steuerpflichtigen ermöglichen.
Ausnahme aus Zumutbarkeitsgründen
Sofern es sich um den Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen handelt, kann aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität eine Befreiung von der Belegausgabepflicht erfolgen. Hierfür ist ein Antrag gemäß § 148 AO zu stellen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt der zusätzliche Kostenaufwand der Unternehmen per se keinen Grund für eine sogenannte “sachliche oder persönliche Härte“ dar, die eine Befreiung rechtfertigen würde.

Zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung

Die mit elektronischen Kassensystemen aufgezeichneten Daten müssen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) gegen nachträgliche Veränderungen geschützt werden. Die Kassensysteme und TSEs müssen beim Finanzamt bei Anschaffung (nicht erst bei Inbetriebnahme) an- und bei Außerbetriebnahme abgemeldet werden; die entsprechende Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach Anschaffung oder Außerbetriebnahme des elektronischen Aufzeichnungssystems zu erstatten.
Zunächst war eine Nachrüstung der Kassen bis zum 1. Januar 2020 vorgesehen. Mangels technischer Voraussetzungen und auf Nachdruck der Wirtschaftsverbände wurde der Einsatztermin betreffend der Vorschrift zum zertifizierten Sicherheitsmodul mehrmals verschoben. Entsprechend durften seit Oktober 2020 grundsätzlich nur noch zertifizierte Kassensysteme verwendet werden, die folgende Merkmale aufweisen (siehe allerdings “Nichtbeanstandungsregelung“ im Text weiter unten):
  • ein Sicherheitsmodul
  • eine Speichermedium
  • eine digitale Schnittstelle.
Auch bestehende Kassensysteme müssen nachträglich mit einer TSE ausgestattet werden, sofern diese Nachrüstung technisch (“bauartbedingt”) möglich ist. Nicht nachrüstbare Geräte, die nach dem 25. November 2010 und bis Ende 2019 angeschafft wurden und die den Vorgaben der Kassenrichtlinie 2010 entsprechen, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen noch bis Ende 2022 weiterverwendet werden. Bei Betriebsprüfungen müssen die aufgezeichneten Daten in einem standardisierten Format – der “Digitalen Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme” (DSFinV-K) – vorgelegt werden. Zudem können die Finanzbehörden mit unangekündigten Kassen-Nachschauen jederzeit die korrekte Nutzung der Systeme und vollständige Erfassung der Verkäufe prüfen.
Die IHK-Organisation konnte zumindest bis zum 30. September 2020 eine sogenannte Nichtaufgriffsregelung des BMF (vom 6. November 2019) erreichen. Mit dem BMF-Schreiben vom 6. November 2019 wurde klargestellt, dass die technisch notwendigen Anpassungen und Aufrüstungen umgehend durchzuführen und die rechtlichen Voraussetzungen unverzüglich zu erfüllen sind, es wegen der Umsetzung einer flächendeckenden Aufrüstung nicht beanstandet wird, wenn elektronische Aufzeichnungssystem längstens bis zum 30. September 2020 noch nicht über eine TSE verfügen.  
Im weiteren Verlauf hat Schleswig-Holstein die Nichtbeanstandungsfrist bis 31. März 2021 verlängert. Laut eines Schreibens des Finanzministeriums Schleswig-Holstein wird es damit bis zum 31. März 2021 nicht beanstanden, wenn Unternehmen  bis spätestens 30. September 2020 einen Kassenfachhändler, einen Kassenhersteller oder einen anderen Dienstleister im Kassenbereich mit dem fristgerechten Einbau einer TSE nachweislich beauftragt haben bzw. bei einem geplanten Einsatz einer cloudbasierten TSE spätestens bis zum 30. September 2020 den fristgerechten Einsatz nachweislich beauftragt haben. Die Nachweise dazu sind mit der Verfahrensdokumentation zur Kassenführung nach den allgemeinen Aufbewahrungsfristen aufzubewahren und auf Verlangen vorzulegen. Alle übrigen Anforderungen des Paragraph 146a AO bleiben unberührt.  
Trotz dieser verlängerten Frist ist zu befürchten, dass bis zu deren Ablauf der Einsatz zertifizierter Cloud-tSE-Lösungen im Unternehmen noch nicht möglich ist.  Unternehmen, die ihre Kassen(systeme) mit einer Cloud-tSE absichern wollen, ist anzuraten, Kontakt mit ihrem Cloud-tSE-Hersteller aufzunehmen und die konkreten Details bzw. einen Zeitrahmen für die Implementierung abzuklären. Dies sollte dokumentiert werden. Um zu vermeiden, dass die Kassen ohne eine tSE-Absicherung nach dem 31. März 2021 nicht mehr eingesetzt werden dürfen, ist es empfehlenswert, einen Antrag auf Fristverlängerung gemäß § 148 AO beim zuständigen Finanzamt zu stellen. Hierfür hat der DIHK eine ”Praxishilfe für Unternehmen“ mit weiteren Erläuterungen und Musterformulierungen erarbeitet, die bei Bedarf als Orientierung verwendet werden können und auf den konkreten Einzelfall anzupassen sind.
Mit Schreiben vom 21. August 2020 äußert sich das BMF zudem zu Fragen der steuerlichen Behandlung der Kosten der Implementierung der tSE und der einheitlichen digitalen Schnittstelle nach § 4 KassenSichV. Aus Vereinfachungsgründen wird es nach Ziffer 3 des Schreibens  nicht beanstandet, wenn die Kosten für die nachträgliche erstmalige Ausrüstung bestehender Kassen oder Kassensysteme mit einer TSE und die Kosten für die erstmalige Implementierung der einheitlichen digitalen Schnittstelle eines bestehenden elektronischen Aufzeichnungssystems in voller Höhe sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Meldepflicht

Seit dem 1. Januar 2020 haben Steuerpflichtige, die elektronische Aufzeichnungssysteme verwenden, die Art und Anzahl der im jeweiligen Unternehmen eingesetzten elektronischen Aufzeichnungssysteme und der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtungen (tSE) dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen. Die Meldung an das Finanzamt soll nach der gesetzlichen Regelung ausschließlich nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck möglich sein. Allerdings steht dieser Vordruck derzeit noch nicht zur Verfügung. Eine Meldung ist deshalb noch nicht möglich. Betroffene Unternehmen sollten daher abwarten, bis der Vordruck veröffentlicht wird. Zudem erläutert auch das  BMF Schreiben vom 6. November 2019, dass von der Mitteilung nach § 146a Absatz 4 AO bis zum Einsatz einer elektronischen Übermittlungsmöglichkeit abzusehen sei. Der Zeitpunkt des Einsatzes der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit soll laut BMF im Bundessteuerblatt Teil I (voraussichtlich im Jahr 2023) bekannt gegeben werden. Zum aktuellen Sachstand können Sie sich direkt hier informieren.

Kassen-Nachschau

Zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnungen und Buchungen von Kasseneinnahmen und -ausgaben sowie des ordnungsmäßigen Einsatzes des zertifizierten Aufzeichnungssystems kann gemäß § 146b AO ohne vorherige Ankündigung während der üblichen Geschäftszeiten eine sogenannte Kassen-Nachschau durchgeführt werden. In diesem Zusammenhang müssen alle relevanten Aufzeichnungen, Bücher und Unterlagen (auch elektronisch) vorgelegt und ein Datenzugriff über eine digitale Schnittstelle resp. Datenträgerüberlassung ermöglicht werden.

Ordnungswidrigkeit

Wird ein nicht zertifiziertes Aufzeichnungssystem verwendet, kann dieses gem. § 379 Absatz 1 Seite 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 4 AO mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro als Gefährdungstatbestand geahndet werden.
Bußgelder können ab 2020 nicht nur gegen den Unternehmer erhoben werden, der ein nicht ordnungsgemäßes Kassensystem führt, sondern auch gegen Vertreiber derartiger Systeme bzw. Manipulationssoftware. Ein Inverkehrbringen (und sogar Bewerben) von Systemen, die nicht den Anforderungen des § 146a AO entsprechen, ist nach § 379 Absatz 1 Seite 1 Nummer 6 in Verbindung mit Absatz 6 AO eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro geahndet werden kann. 
Ein Bußgeld kann bei Verstoß unabhängig davon, ob ein steuerlicher Schaden entstanden ist oder nicht, verhängt werden.
Hinweis: Sollten durch den Nicht-Einsatz eines zertifizierten Auszeichnungssystems sogar Steuerverkürzungen eingetreten sein, so sind § 370 (Steuerhinterziehung) und § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) anwendbar.
 
 Das BMF hat am 22. Juni 2021 FAQs im Hinblick auf das Kassengesetz veröffentlicht, die die neueste Rechtslage berücksichtigen und eine Hilfestellung bei allgemeinen Fragen liefern können. Sie können hier abgerufen werden:  https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2020-02-18-steuergerechtigkeit-belegpflicht.html. Der DIHK bietet ein Informations­blatt zu den steuerlichen Anforde­rungen in dem die neuen Vorgaben zur Belegausgabe und der Verwen­dung einer zertifizierten Sicher­heitseinrichtung erläutert werden. Weitere Informationen zu den Anforderungen an Kassensysteme können Sie auch über den Podcast „handelkompetent“ des Mittelstand 4.0 – Kompetenzzentrum Handel erhalten.

Weitere Informationen