Kommunale Verpackungssteuer

Die IHK Schleswig-Holstein spricht sich gegen die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer aus. Wir erkennen die Notwendigkeit an, das in Teilen vorhandene Abfallproblem in Kommunen anzugehen und sind offen für alternative Lösungen. Eine Verpackungssteuer ist nach unserer Auffassung jedoch als Problemlösung ungeeignet, da sie erhebliche wirtschaftliche und bürokratische Belastungen nach sich zieht, ohne den gewünschten Umwelteffekt sicherzustellen. Folgende Punkte sehen wir besonders kritisch:

1. Das Einwegkunststofffondsgesetz: Wirkung der bundesweiten Lösung abwarten

Das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) ist seit dem 1. Januar 2025 in Kraft, und sieht eine Finanzierungsverpflichtung für Hersteller und Inverkehrbringer von Einwegkunststoffen vor. Diese Regelung verlangt, dass Unternehmen, die Einwegkunststoffprodukte wie Verpackungen in Verkehr bringen, in einen Fonds einzahlen. Die eingenommenen Mittel werden unter anderem den Kommunen zugutekommen, die diese Gelder für Maßnahmen zur Abfallvermeidung und -entsorgung verwenden können.
Dieser nationale Fonds hat zum Ziel, die Kosten für die Beseitigung von Kunststoffabfällen, insbesondere in öffentlichen Räumen, gerechter zu verteilen. Die Lasten, die bislang vor allem von den Kommunen getragen wurden, sollen auf die Hersteller von Einwegkunststoffen umgelegt werden, um so den Anreiz für umweltfreundlichere Alternativen zu stärken. Die Hersteller werden die Kosten auf ihre Abnehmer umlegen. Die Einführung einer zusätzlichen kommunalen Verpackungssteuer würde die Unternehmen in der Region einer Dreifachbelastung aussetzen. Es sollte daher zunächst geprüft werden, welche Einnahmen den Kommunen aus dem Fonds zufließen werden und wofür diese verwendet werden können.

2. Level-Playing-Field - EU-Regulierung abwarten

Darüber hinaus hat die EU bereits weitreichende Maßnahmen zur Reduktion von Einwegkunststoffen (zum Beispiel Verbot von Plastikstrohhalmen) verabschiedet, die auf europäischer Ebene harmonisierte Regelungen zu Verpackungen und zu Mehrwegverpflichtungen vorsehen. Diese EU-Regulierungen stellen sicher, dass die Problematik der Verpackungsabfälle in einem einheitlichen, überregionalen Kontext behandelt wird, was ein Flickenteppich von kommunalen Abgaben und Vorschriften verhindern würde.
Kommunen sollten daher sowohl nationale als auch europäische Entwicklungen warten, anstatt mit einer isolierten kommunalen Steuer Vorreiter zu spielen, die zu Wettbewerbsnachteilen für die Unternehmen führen würde.

3. Belastung für ohnehin stark betroffene Branchen

Die Verpackungssteuer bezieht sich auf alle Einwegverpackungen für Mitnahmegerichte und muss somit von allen Verkaufsstellen von Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck bezahlt werden, die darin Speisen und Getränke für den sofortigen Verzehr oder zum Mitnehmen ausgeben. Betroffen sind neben der Gastronomie auch Handelsunternehmen, mit Produkten für den Sofortverzehr, beispielsweise in Form von Salatbars oder vorverpackten Salaten, denen Besteck beigefügt ist. Damit machen Unternehmen kundenorientierte Angebote auch für die sich durch eine hohe Mobilität in der Arbeitswelt verbundene Veränderung der Konsumgewohnheiten.
Darüber hinaus kämpfen viele Unternehmen nach wie vor mit den finanziellen Folgen der COVID-19-Pandemie, den steigenden Energiekosten und den wirtschaftlichen Unsicherheiten aufgrund globaler Krisen. Die Einführung einer kommunalen Verpackungsteuer würde insbesondere die Gastronomie und den Lebensmitteleinzelhandel zukünftig belasten, denn schon jetzt zahlen diese wegen des Verpackungsgesetzes Lizenzentgelte für Serviceverpackungen und müssen zukünftig direkt oder indirekt Zahlungen an den Einwegkunststofffonds leisten. Dies führt zu untragbaren Belastungen und kann die Unternehmen in Ihrer Existenz gefährden. Die Einführung einer Verpackungssteuer kann die ohnehin schon vorhanden Leerstandsituation in den Innenstädten noch verschärfen. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden, um die Attraktivität der Innenstädte für den stationären Handel zu erhalten.

4. Bürokratischer Mehraufwand für Unternehmen und Verwaltung

Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer würde für die betroffenen Unternehmen, insbesondere kleinere Betriebe, einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand bedeuten. Die Verwaltung, Berechnung und Abführung der Abgabe wäre für viele Unternehmen eine zusätzliche Herausforderung.
Die Analysen der rheinland-pfälzischen Stadt Pirmasens haben ergeben, dass Aufwand und Nutzen für Städte oft ein "Nullsummenspiel" wären. Geschätzt würden mit einer Verpackungssteuer rund 150.000 Euro an Einnahmen generiert werden. Demgegenüber stünde jedoch ein Personalkostenaufwand in etwa gleicher Höhe. Die betroffenen Betriebe - also Cafés, Imbissbetriebe oder To-Go-Restaurants - hätten aber mehr Aufwand und mehr Kosten - ohne dass ein zusätzlicher Gewinn erzielt würde.

5. Regionale Wettbewerbsnachteile und Unsicherheiten

Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer trägt zu einem regionalen Flickenteppich aus unterschiedlichen Regelungen bei, der Unternehmen gegenüber anderen Regionen benachteiligt. Diese Unterschiede erschweren nicht nur den Wettbewerb, sondern erhöhen auch die Kosten für Unternehmen, die in mehreren Kommunen tätig sind. Diese fehlende Planungssicherheit ist ein zusätzlicher Hemmschuh für Investitionen, die Unternehmen möglicherweise tätigen würden, um auf Mehrwegverpackungen oder andere umweltfreundliche Lösungen umzusteigen.

6. Negative Folgen für Tourismus und Verbraucherkosten

Die Verpackungssteuer würde insbesondere bei Fast-Food-Anbietern und kleinen Imbissen, zu höheren Preisen führen, die letztlich die Verbraucher tragen müssten. Dies könnte auch negative Auswirkungen auf den Tagestourismus haben. Touristen und Durchreisende, die kurzfristig verpackte Speisen und Getränke erwerben, würden durch die Mehrkosten abgeschreckt. Es ist fraglich, ob diese Preissteigerungen tatsächlich zu einer Reduzierung der Abfallmenge führen, oder ob sie nur den Konsum belasten oder lediglich zu einer Konsumverlagerung führen.

7. Kein reduziertes Müllaufkommen durch kommunale Verpackungssteuern

Die Einführung von kommunalen Verpackungssteuern soll zur Vermeidung und Reduzierung der Vermüllung im öffentlichen Raum beitragen. Die der Steuer intendierte Lenkungswirkung soll damit eine Reduzierung von Verpackungsabfällen sein. Dieses Ziel wird jedoch durch die Erhebung kommunaler Verpackungssteuern nicht erreicht werden können. Dies zeigen insbesondere die Erfahrungen, die die Stadt Tübingen als erste Kommune in Deutschland, die eine kommunale Verpackungssteuer eingeführt hat, gemacht hat: Erste Untersuchungen zeigen, dass die kommunale Verpackungssteuer das Abfallaufkommen in öffentlichen Abfallbehältern in Tübingen nicht reduziert hat. Das legt zumindest die Untersuchung von Stefan Moderau vom Lehrstuhl für International Business Taxation der Universität Tübingen nahe.1) Danach hat die in Tübingen seit Anfang 2022 erhobene Verpackungssteuer nicht zu einer messbaren Reduktion der Müllmenge in den öffentlichen Abfallbehältern der Stadt Tübingen beigetragen.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Verpackungssteuer nicht ihre ökologischen Ziele erfüllt, sondern eine Erhöhung der Steuereinnahmen darstellt, die die vor Ort betroffene Gastronomie und deren Gäste belastet.

8. Ökologische Lenkungswirkung steht erheblich in Frage

Verschiedene Studien von Kearney2), McKinsey3), Ramboll4) und dem Joint Research Committee URC5) der EU-Kommission zeigen ebenfalls: Mehrwegverpackungen sind nicht pauschal ökologisch besser zu bewerten als Einwegverpackungen. Die Herstellung von Mehrwegverpackungen, die meist aus Kunststoffen bestehen, verbraucht deutlich mehr Ressourcen als die von Einwegpackungen. Darüber hinaus sind der hohe Wasserverbrauch beim Spülen, hoher Transportaufwand sowie geringe Umlaufzahlen und unsachgemäße Entsorgung von Mehrwegbehältnissen ausschlaggebend für hohe Umweltwirkungen.

Alternativen und Angebote zur Zusammenarbeit

Die Wirtschaft erkennt grundsätzlich an, dass das Problem des Verpackungsmülls angegangen werden muss, um die Umwelt zu schützen und die Kosten für die Entsorgung zu senken. Die IHKs und ihre Mitgliedsunternehmen stehen bereit, um an Lösungen mitzuwirken. Statt einer Steuer, die die Wirtschaft zusätzlich belastet, sollte auf Maßnahmen gesetzt werden, die den freiwilligen Umstieg auf Mehrwegverpackungen fördern und Unternehmen sowie Verbraucher gleichermaßen einbeziehen.
Kosten solcher Maßnahmen könnten in Teilen durch die Einnahmen auf Basis des Einwegkunststofffondsgesetz getragen werden:
  • Förderung von Mehrwegsystemen: Die Kommunen könnte durch Anreize und Förderungen den Einsatz von Mehrwegsystemen unterstützen, beispielsweise durch den Ausbau zentraler Rückgabe- und Reinigungsstrukturen.
  • Bessere Aufklärung und Beratung: Unternehmen sollten umfassende Beratungs- und Schulungsangebote zur Verfügung gestellt werden, um den Umstieg auf umweltfreundliche Verpackungen zu erleichtern.
  • Pilotprojekte für Mehrweg und Abfallvermeidung: Mit Pilotprojekten bei freiwilliger Beteiligung von Unternehmen könnte die Wirksamkeit von Mehrweglösungen oder anderen Arten der Abfallvermeidung getestet werden.
Die IHKs in Schleswig-Holstein bieten ihre Gesprächsbereitschaft und Unterstützung an, um gemeinsam mit den Kommunen und anderen Interessengruppen tragfähige Lösungen zu entwickeln, die sowohl die Abfallproblematik lösen als auch die Wirtschaft stärken.

Beispiele aus der Praxis: konkrete Kaufsituation

Die Umsetzung einer Verpackungssteuer ist für Betriebe mit erhöhtem Aufwand und komplizierten Nachfragen verbunden. Dies soll mit folgenden Beispielen verdeutlicht werden:
Bestellung Frage dazu Verpackungssteuer ja/nein
Belegtes Brötchen, Brezel, Butterbrezel, süßes Stück,
auch das "trockene Brötchen“
Essen Sie es jetzt gleich oder zuhause?
sofort: VS ja
zuhause: VS nein
Fleischkäsebrötchen,
Schnitzelbrötchen
Achtung:
Bei der Option "Kalt“ auch immer nachfragen, ob sofort oder zu Hause.

warm: VS ja
kalt: VS nein
aber bei Sofortverzehr kalt: VS ja
Fleischkäsebrötchen, Schnitzelbrötchen warm
ACHTUNG: Kunde möchte eingepackt zu Verzehr zuhause mitnehmen

VS ja, da warme Schnitzelbrötchen (etc.) immer zur VS veranlagt werden
warm = Verpackungssteuer, vorherige Abfrage nicht nötig
Warme Brezel direkt aus dem Ofen VS eigentlich ja, wurde in Tübingen jedoch fallen gelassen
Kunde sagt auf Nachfrage, dass er die warme Brezel jetzt gleich direkt verzehrt VS ja
Pizzastücke, Zwiebelkuchen, Quiche kalt
Essen Sie es jetzt gleich oder zuhause?

sofort: VS ja
zuhause: VS nein
Pizzastücke, Zwiebelkuchen, Quiche warm Keine Frage erforderlich VS ja
Besteck Direkt dem Behältnis beigefügt
VS ja für Behältnis

VS für Besteck dann, wenn mehr als 10 cm
Besteck, das ausliegt zum Mitnehmen
kommt auf Größe an:
Umrührstäbe, Röhrle bis 14 cm frei
Löffel, Gabel, Messer bis 10cm frei

Achtung bei Vor-Ort-Verzehr, wenn vorher nicht genannt: Mehrwertsteuer bei 19 Prozent

Fazit

Es sind seitens des Verkaufspersonals tatsächlich Fragestellungen erforderlich wie "Verzehren Sie sofort oder zuhause?“, darüber hinaus die Frage nach Vor-Ort-Verzehr, falls das angeboten wird (Mehrwertsteuersatz). Außerdem muss dem Verkaufspersonal bekannt sein, ob dem Salat/Joghurt/Obst Besteck beigefügt wird und welche Größe dieses hat. Diese Informationen werden benötigt, damit das Verkaufspersonal die Entscheidung über die Erhebung der Verpackungssteuer treffen kann.
Des Weiteren können die Kassensysteme nicht einheitlich gestaltet werden, da die besonderen Bedingungen mit der Erhebung der Verpackungssteuer eigene Einstellungen benötigen.

Quellenverzeichnis

  1. Stefan Moderau: Taxing away the takeout trash? Evidence from a local packaging tax in Germany.
  2. Kearney
  3. McKinsey: The potential impact of reusable packaging
  4. Ramboll: Comparative life cycle assessment (Ica) single-use and multiple-use tableware systems for take-away services in quick service restaurants
  5. Sinkko, T., Amadei, A., Venturelli, S. and Ardente, F., Exploring the environmental performance of alternative food packaging products in the European Union, Publications Office of the European Union
Stand: 06. Juni 2025