Stärkung der Marktüberwachung

Verordnung zu Produktsicherheit und Marktüberwachung

Mit der Verordnung 2019/1020 reagiert die Europäische Kommission unter anderem auf Herausforderungen, die sich aus dem internationalen Onlinehandel ergeben hatten. So war unter anderem zu beobachten, dass nicht konforme Produkte - also Produkte, die gegen europäische Produktvorschriften verstoßen - in verschiedenen Konstellationen in Europa über Online-Plattformen verkauft wurden, ohne dass die eigentlich für die Produktsicherheit verantwortlichen Unternehmen für Marktüberwachungsbehörden greifbar gewesen wären.
Die Verordnung umfasst im Wesentlichen drei Bereiche:
  • Ergänzende Vorschriften zur Produktsicherheit und -kennzeichnung, die sich in erster Linie an Wirtschaftsakteure wie Hersteller und Einführer (Importeure) richten. Zudem werden sogenannte Fulfillment Dienstleister adressiert, außerdem wird der Begriff des Inverkehrbringens beim Onlinehandel konkretisiert.
  •  Umfangreiche Vorschriften zur Marktüberwachung
  • Ein Framework für die Kontrolle von Waren, die in den EU-Binnenmarkt eingeführt werden

Praktische Auswirkungen

Die in der Verordnung 2019/1020 definierten Pflichten für den verantwortlichen Wirtschaftsakteur unterscheiden sich nicht wesentlich von den in vielen Rechtsvorschriften enthaltenen Pflichten beispielsweise für Einführer. Jedoch werden die Pflichten nochmals deutlich konkretisiert, in dem explizit auch die technischen Unterlagen adressiert werden, während bislang teilweise „alle für den Nachweis der Konformität erforderlichen Unterlagen“ gefordert waren.
Dementsprechend sollten insbesondere Einführer (Importeure) darauf achten, dass bei Einfuhr von Produkten aus Nicht-EU-Staaten über die EU-Konformitätserklärung hinaus Vereinbarungen über eine Bereitstellung der technischen Unterlagen im Fall der Anforderung durch Marktaufsichtsbehörden getroffen werden. Sofern durchsetzbar, sollten möglichst viele Dokumente eingefordert und dauerhaft archiviert werden. Darüber hinaus sollte auch vereinbart werden, dass diese in einer geeigneten Sprache abgefasst sind beziehungsweise wer gegebenenfalls Kosten für die Übersetzung trägt. Hinsichtlich der geforderten „leicht verständlichen“ Sprachen dürfte sich Englisch tendenziell eignen, während außereuropäische Schriftzeichen sicher ungeeignet sind.
Weitere Pflichten bestehen darin, bei Vorliegen von Anhaltspunkten für gefährliche Produkte, die Marktüberwachungsbehörden hierüber zu informieren und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Positiv hervorzuheben ist hierbei die explizite Möglichkeit, dass der verantwortliche Wirtschaftsakteur Korrekturmaßnahmen vornimmt und diese nicht ausschließlich von den Behörden vorzugeben sind.
Wichtig ist zudem die Pflicht der Angabe von Name und Anschrift des verantwortlichen Wirtschaftsakteurs auf dem Produkt oder der Verpackung, dem Paket oder den Begleitunterlagen. In vielen Fällen der Einfuhr aus Nicht-EU-Staaten dürfte diese Pflicht mit der ohnehin vielfach erforderlichen Angabe von Name und Anschrift des Einführers auf dem Produkt erfüllt sein. Hierbei sollte beachtet werden, dass gegebenenfalls immer die spezifischere Produktvorschrift greift – die Möglichkeit der Angabe zum Beispiel auf der Verpackung befreit nicht von der Pflicht zur Angabe auf dem Produkt, wenn eine produktspezifische Vorschrift dies vorsieht.

Fernabsatz/Onlinehandel

Artikel 6 der Verordnung enthält eine wichtige Regelung in Zusammenhang mit dem Onlinehandel. Demnach gilt ein Produkt als auf dem Markt bereitgestellt, wenn es online oder mit anderen Mitteln des Fernabsatzes zum Verkauf angeboten wird. Entscheidend ist hierbei zudem das Angebot an Endnutzer innerhalb der EU, was beispielsweise auf Basis von Sprache des Angebots, Liefer- und Bezahlmöglichkeiten bewertet wird.
Obwohl diese Regelung in erster Linie darauf abzielt, dass Online-Angebote nicht konformer Produkte durch Marktüberwachungsbehörden untersagt werden können, ergibt sich hieraus auch eine entscheidende praktische Auswirkung für Hersteller beziehungsweise Einführer (Importeure): Das Inverkehrbringen ist als die erstmalige Bereitstellung von Produkten definiert. Auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens beziehen sich verschiedene Pflichten beziehungsweise Fristen wie beispielsweise die Verfügbarkeit von Konformitätserklärungen und technischen Unterlagen oder die Aufbewahrungsfrist von mindestens 10 Jahren ab dem Inverkehrbringen (des einzelnen Produkts, nicht der Serie).
Anbieter von Informationsdiensten werden mit der Verordnung zudem verpflichtet, bei der Vermeidung und Minderung von Risiken durch nicht konforme Produkte mit den Marktüberwachungsbehörden zu kooperieren. In der Praxis könnte sich hieraus beispielsweise das Löschen oder Sperren von Angeboten nicht konformer Produkte auf Online-Plattformen oder Websites ergeben.
Inwieweit für Online-Händler erhöhter Aufwand beispielsweise infolge zusätzlicher Erklärungen oder Nachweise bei der Einstellung von Angeboten auf Online-Plattformen entsteht, hängt von der Gestaltung seitens der jeweiligen Plattform ab. Hierbei sollte gegebenenfalls berücksichtigt werden, dass die in den jeweiligen Richtlinien definierten Pflichten der Händler (Beispiel Niederspannungsrichtlinie, Artikel 9) in der Regel unter anderem folgende Aspekte vorsehen:
  • Anforderungen der anwendbaren Richtlinien an Händler berücksichtigen (meist in einem entsprechenden Kapitel zusammengefasst und somit leicht zugänglich)
  • Vorhandensein der CE-Kennzeichnung prüfen (sofern diese vorgesehen ist)
  • Vorhandensein weiterer Pflichtkennzeichnungen prüfen (insbesondere Name und Anschrift des Herstellers beziehungsweise Einführers sowie eine Möglichkeit zur Identifizierung des Produkts)
  • Prüfung, ob erforderliche Unterlagen wie insbesondere Betriebsanleitungen und Sicherheitsinformationen beigefügt sind (wichtig ist hierbei auch die Prüfung, ob diese in der für den jeweiligen Staat vorgesehenen Sprache abgefasst sind)
  • Gegebenenfalls Hinweis an den Hersteller beziehungsweise Einführer, falls ein Produkt nicht konform ist sowie verschiedene Pflichten zur Zusammenarbeit mit Marktaufsichtsbehörden
Falls (Online-)Händler hierbei Unstimmigkeiten feststellen, ist in der Regel der Hersteller beziehungsweise der Einführer (Importeur) die erste Anlaufstelle für Rückfragen. Eine eigenständige durchgängige Einarbeitung in die komplexe Materie der Produktvorschriften ist erfahrungsgemäß nicht zielführend, zumal Händler gegenüber Herstellern meist über eine deutlich umfangreichere Produktvielfalt verfügen. Wenn von Produkten Gefahren ausgehen, sollten insbesondere die Meldepflichten von Händlern auch gegenüber der Marktaufsicht berücksichtigt werden.

Informationen für Wirtschaftsakteure

Mit der Verordnung wird die Europäische Kommission verpflichtet, den Wirtschaftsakteuren über das Your Europe Portal Informationen über Produktvorschriften und ihre daraus resultierenden Pflichten zur Verfügung zu stellen.  Unter anderem steht dort eine Datenbank zur Verfügung, mittels derer anhand von Produkt-Codes eine erste unverbindliche Identifikation potenziell anwendbarer Produktvorschriften möglich ist. Zudem können hierüber die nationalen Umsetzungen der EU-Vorschriften ermittelt werden, welche häufig beispielsweise spezifische Regelungen zur Sprache bestimmter Dokumente wie Betriebsanleitungen oder Sicherheitsinformationen enthalten.

Kontrolle durch den Zoll

Die Verordnung enthält neben der Marktüberwachung auch Regelungen für Kontrollen durch den Zoll. So soll dieser insbesondere die Vollständigkeit erforderlicher Unterlagen, die korrekte Produktkennzeichnung, die Angabe des verantwortlichen Wirtschaftsakteurs oder sonstige Hinweise auf Unstimmigkeiten im Kontext von Produktvorschriften überprüfen. Bei Feststellung von Mängeln erfolgt keine Freigabe für den freien Warenverkehr und der Vorgang wird zur Prüfung an die zuständige Marktüberwachungsbehörde weitergegeben.
Quelle: IHK Weingarten, gekürzt.