Kommunikation im Beruf

Wenn Frauen Männer führen

"Die nehmen mich nicht ernst!" "Bei informellen Gesprächen werde ich ausgeschlossen." "Ich muss eine Präsentation halten und mir zittern die Knie." Nicht selten machen Frauen nach dem Aufstieg in eine Führungsposition nicht nur, aber vor allem mit ihren männlichen Kollegen Erfahrungen wie diese. Schritt für Schritt lassen sich Antworten entwickeln.
Zwar ist das Kommunikationsverhalten nicht ursprünglich an das Geschlecht gebunden, die tradierten Geschlechterrollen allerdings prägen sehr wohl, wie in Unternehmen miteinander gesprochen wird. Der Kommunikationscoach Jan Seifert beschäftigt sich mit diesen Zusammenhängen und findet in der Gestaltung von Konsumartikeln ein griffiges Beispiel für die Verknüpfung von Rollenzuschreibung und dem Verhalten als Erwachsene(r): Zarte Feenfiguren sollen Mädchen anlocken, bei Piraten ist man sicher, dass sich Jungen angesprochen fühlen.
"Wie aber soll aus einer solchen Fee eine toughe, durchsetzungsfähige Geschäftsfrau werden? Und wie soll ein kampflustiger Pirat zu einem empathischen Mann werden, der in Elternzeit geht? ", fragt er. Die Schwierigkeiten, die aus den verinnerlichten Mustern erwachsen können, sind leicht auszumachen: "Frauen geraten immer noch häufiger in die Falle, gefallen zu wollen, als Männer. Und die Männer nutzen dies - oft unbewusst - gern aus", erklärt der Autor des Buches "Muttersprache Mann".
Frauen in Führung rät er, den eigenen Standpunkt schnell und unmissverständlich ganz klar zu machen und sich zu vergewissern, richtig verstanden worden zu sein: "Frauen dürfen Männern gern klare Anweisungen geben und Erwartungen kommunizieren. Beides kann freundlich geschehen, muss es aber nicht. Auch wenn dies für beide Seiten erst einmal ungewohnt sein mag, hilft es den Frauen, sich als Führungskraft zu etablieren, denn es entspricht eher den männlichen Kommunikationsgewohnheiten."
Die rollenspezifische Sozialisation sieht auch der Lübecker Experte Dr. Stephan Goes als Grund für viele Kommunikationshindernisse. Sein wichtigster Tipp für Frauen, die es in eine Position geschafft haben, die ihren Fähigkeiten entspricht: "Stellen Sie sich folgende Fragen: Was verlangt die Rolle? Welches Gefühl und welche Gedanken will ich beim Gegenüber auslösen, um welche Handlung zu initiieren? Wie formuliere ich es klar und eindeutig? Was sind meine Stärken? Wie bleibe ich mir treu?"

Muster reflektieren

In dem Prozess, darauf Antworten zu finden und in den Arbeitsalltag einzubinden, begleitet der selbstständige Personal- und Organisationsentwickler natürlich nicht nur Frauen: "Ich rate allen Führungskräften, die neu in die Rolle kommen, unabhängig von Alter, Berufserfahrung und Berufsbildung zu einer fundierten Ausbildung in Kernkompetenzen", sagt Goes, der zum Thema Gesprächsanalyse und Gesprächssteuerung promoviert hat.
Männern empfiehlt er, auf die fachliche und soziale Kompetenz ihrer Chefin zu schauen und daran ihren Willen zum Geführtwerden auszurichten. Grundsätzlich wichtig sind Offenheit und Geduld. Jan Schleifer jedenfalls ist zuversichtlich: "Wenn es für beide Seiten den Rahmen gibt, offen zu reden - ohne erhobenen Zeigefinger -, kann die Erkenntnis wachsen: Da haben wir beide etwas von!" Dieses Ziel zu formulieren und eigene Muster zu reflektieren, ist ein erster Schritt auf diesem Weg.
Astrid Jabs
Veröffentlicht am 4. Juli 2019