Netzwerken, führen und inspirieren
Mit Begeisterung, Tatkraft und Pragmatismus sprechen Anna Lena Blanke und Daniela Torweihe über ihren Berufsalltag. Die beiden Schleswig-Holsteinerinnen führen zwei Unternehmen in der Maschinenbaubranche, einem Bereich, in dem die Geschäftsführungen überwiegend männlich besetzt sind.
Daniela Torweihe leitet die GUMO Technische Gummi-Formartikel GmbH, ein Geesthachter Kautschukverarbeiter.
Eine KfW-Studie zeigt, dass Frauen in Deutschland bei Führungspositionen auch in anderen Branchen weiterhin unterrepräsentiert sind, besonders im Mittelstand. Die Untersuchung hat ergeben, dass der Chefinnenanteil in mittelständischen Unternehmen 2023 sogar auf 15,8 Prozent gesunken ist. Blanke und Torweihe gehören zu den Frauen, die ihr berufliches Glück als Geschäftsführerinnen in der Maschinenbaubranche gefunden haben. Die beiden möchten andere ermutigen, es ihnen gleichzutun. Daniela Torweihe begann mit 16 Jahren eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei der GUMO Technische Gummi-Formartikel GmbH, einem Geesthachter Kautschukverarbeiter. Nach dem Abschluss blieb sie dem Unternehmen treu, studierte berufsbegleitend und wurde kaufmännische Leiterin. Sie führte das Rechnungswesen ein, war für Finanzen, Personal und Jahresabschluss zuständig und erhielt die Prokura. Nach fast einem Jahrzehnt als Prokuristin wurde sie zur Geschäftsführerin berufen.
Klarheit, Kommunikation und Selbstvertrauen
Herausforderungen hätten auf ihrem Weg dazugehört, erzählt Torweihe. „Ich war 29, als ich Prokuristin wurde. Oft fragten sich die älteren Herren erst mal: ‚Was will die jetzt?‘ Ich habe mich nie benachteiligt gefühlt, aber man merkt natürlich, dass manche Situationen historisch gewachsen sind“, erzählt sie. „Ich habe gelernt, dass man als Frau nur souverän bleiben und zeigen muss, dass man weiß, wovon man spricht“, fügt sie hinzu. Eigentlich habe sie nie geplant, Chefin zu werden. Ihre Neugier und der Durst nach Wissen trieben sie an. Heute führt sie bei dem mittelständischen Betrieb rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Klarheit, Kommunikation und Selbstvertrauen sind ihr dabei besonders wichtig. Für sie hängt gutes Führen von Empathie und Beobachtung ab. „Jeder Mensch ist anders, und so sollte man ihn auch behandeln“, sagt sie.
Anna Lena Blanke, Geschäftsführerin der TIA Technologien zur Industrie-Abwasser-Behandlung GmbH
Anna Lena Blanke sieht das ähnlich. Gemeinsam mit ihrem Vater leitet sie seit 2019 das Familienunternehmen, die TIA Technologien zur Industrie-Abwasser-Behandlung GmbH. „Ich denke, heute ist es wichtiger, wie man an Menschen herangeht – das ist anders als vor 25 Jahren“, meint sie. Ihre eigene Haltung spiegelt moderne Werte wie Beteiligung, Transparenz und situatives Führen wider. Auch Blanke hatte nie fest geplant, Geschäftsführerin zu werden. Ihre Eltern gaben ihr Freiheit bei der Berufswahl, die Übernahme des Familienbetriebes war dabei immer eine Option. Nach ihrem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens stieg sie zunächst in die Projektentwicklung bei TIA ein und entschied sich schließlich für die Geschäftsführung.
Gleichberechtigung beginnt beim Selbstverständnis
Heute leitet sie das Maschinenbauunternehmen mit 20 Beschäftigten in Breitenfelde. „Es war eine Entscheidung, die gewachsen ist und die ich keinen Tag bereue.“ Von Herausforderungen kann auch sie berichten. „Es kommt schon vor, dass man unterschätzt wird. Ich erinnere mich an eine Szene mit einem Kunden: Wir sind übers Betriebsgelände gegangen und ich sagte etwas. Es wurde ignoriert. Zwei Minuten später sagte mein Vater dasselbe – und plötzlich fand der Kunde, es wäre eine tolle Idee“, erzählt sie rückblickend. Wichtig sei für sie, diese Situationen nicht persönlich zu nehmen. Beide sind überzeugt: Entscheidend ist, wie Frauen selbst über sich und ihre Rolle denken. „Ich habe als Geschäftsführerin zwei Kinder bekommen – das geht. Ich denke, es ist wichtig, jungen Frauen vorzuleben, dass Verantwortung und Familie vereinbar sind“, findet Blanke.
Für Daniela Torweihe beginnt Gleichberechtigung beim Selbstverständnis. „Wenn Frauen ständig hören, dass sie benachteiligt sind, fangen sie irgendwann an, das zu glauben“, sagt sie. Stattdessen rät sie jungen Kolleginnen, mutig zu sein, sich zu vernetzen und Chancen aktiv zu suchen. „Frauen sollten weniger darüber nachdenken, ob sie gut genug sind, und stattdessen einfach machen.“
„Netzwerken ist alles – es ist Gold wert“
Das Thema Vernetzung spielt auch für beide Unternehmerinnen selbst eine große Rolle. Daniela Torweihe engagiert sich in mehreren Frauennetzwerken, in der IHK und sogar als ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht Lübeck. „Netzwerken ist alles. Auch Leuten, denen das nicht liegt, sage ich: ‚Macht es trotzdem – es ist Gold wert.‘“ Anna Lena Blanke sitzt in der IHK-Vollversammlung und im Vorstand des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau. „Ich habe das Gefühl, dass die Verbände bewusst jünger und weiblicher werden wollen – und das ist gut so.“
Beide sind überzeugt: Frauen, die gestalten wollen, finden im nördlichsten Bundesland Deutschlands die richtigen Voraussetzungen. Dass Schleswig-Holstein für beide Heimat und Wirtschaftsstandort ist, prägt ihr Denken. Torweihe schätzt die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Wirtschaftsförderung, die Betriebe aktiv unterstützt. Blanke nennt dieselbe Stärke, ergänzt aber eine Schwäche: „Die Infrastruktur im ländlichen Raum ist eine Herausforderung. Wir haben tolle Betriebe, aber oft weiß man gar nicht, wer drei Dörfer weiter sitzt.“
Mehr regionale Vernetzung, sagt sie, könnte helfen, die Wirtschaftskraft sichtbarer zu machen. Daniela Torweihe sieht Schleswig-Holstein auf einem guten Weg: „Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Frauen in Führungspositionen – das sind Themen, die hier wirklich ankommen.“
Autorin: Jennifer Fizia
Veröffentlicht: 27. November 2025
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