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Wie Sprache guten Führungsstil formt
Der Sprachwissenschaftler Dr. Stefan Goes berät Führungskräfte zum richtigen Einsatz von Sprache – und wird oftmals gerufen, wenn etwas im Unternehmen nicht mehr rundläuft.
Dr. Stefan Goes ist promovierter Sprachwissenschaftlicher und berät Führungskräfte sowie Unternehmerinnen und Unternehmer zum Thema modernes Führen.
Herr Goes, welchen Einfluss hat Sprache auf einen guten Führungsstil?
Es gibt einen schönen Satz aus dem Konstruktivismus: Menschen existieren in Sprache. Gemeint ist: Menschen können nur mittels Kommunikation in den Austausch treten. Eine Führungskraft braucht also vor allem Sprache, um wirksam führen zu können. Man könnte aber auch anders fragen: Welchen Einfluss hat ein guter Führungsstil auf Sprache? Denn aus einer wertebasierten Haltung entsteht die entsprechende Führungskultur, die den persönlichen Stil und somit auch die Sprache bestimmt. Auf diese Weise schafft eine Führungskraft es dann recht leicht, den vielfältigen Situationen und Personen gerecht zu werden.
Wann nehmen Führungskräfte Ihre Hilfe an?
Meist werde ich gerufen, wenn in einem Betrieb Unruhe herrscht oder Menschen in ihren Rollen nicht zurechtkommen, wenn Veränderungsprozesse in dynamischen Märkten anstrengend werden, wenn Firmen zu schnell wachsen. Das geht durch alle Branchen, in den letzten Jahren sind das die Finanz-, Versicherungs- und Immobilienwirtschaft, die Medizintechnik, der Maschinenbau, die Nahrungsmittelindustrie. Ich erfrage zuerst, was dem Unternehmenserfolg entgegensteht und was sich tun ließe, damit es wieder rund läuft. Führungskräfte kommen fast alle einmal an den Punkt, wo sie nicht mehr weiterwissen, und sind dann besonders hilflos, da ja bislang immer alles geklappt hat. Menschen, die ihren Job sehr gut beherrschen, sind sich ihrer Sprache nicht mehr sehr bewusst, weil sie auch durch ihre Beherrschung erfolgreich geworden sind. Ich schaue mit den Unternehmerinnen und Unternehmern dann bewusst auf die Sprache, damit sie eine Idee bekommen, wie sie wirksam kommunizieren können. Die Herausforderung liegt meistens darin, neue Sprachansätze aufzuzeigen und neue Denkweisen zu etablieren.
In welchen Situationen kommt es auf bewusste Sprache besonders an?
Das ist einerseits dann, wenn in komplexen Situationen mit größeren Herausforderungen Menschen überzeugt und zum Mitmachen gewonnen werden müssen, und andererseits, wenn in Entscheidungsprozessen das richtige Maß zwischen Führung und Freiheit getroffen werden soll. Meine Aufgabe ist es, Selbstreflexion anzuregen und Stellschrauben aufzuzeigen.
Oftmals geht es auch um Konflikte oder Missverständnisse mit der Belegschaft, die durch Sprache entstanden sind. Ich arbeite dann mit den Führungskräften daran, wie sie besser gehört werden können, ohne sich zu verbiegen oder unaufrichtig zu sein.
Oftmals geht es auch um Konflikte oder Missverständnisse mit der Belegschaft, die durch Sprache entstanden sind. Ich arbeite dann mit den Führungskräften daran, wie sie besser gehört werden können, ohne sich zu verbiegen oder unaufrichtig zu sein.
Sie stellen beim Thema modernes Führen das offene Zuhören heraus. Was meinen Sie damit?
Offenes Zuhören meint ein Hinhören ohne Voreingenommenheit oder strategisches Kalkül. Führungskräfte sollten genau zuhören können, um die Bedürfnisse und die Situation des Gegenübers wertfrei zu erfassen. Oft lassen sich schon dann Konfliktsituationen erfassen und entschärfen. Wenn etwa eine Führungskraft aufhört, Ideen mit Gegenfragen oder einem „Ja, aber“ zu kontern, statt zu fragen: „Wie meinst du das?“
Vereinfacht gesagt: Wenn sich Leute sprachlich nicht erreichen, kommt es häufig zu Kränkungen, Missverständnissen und zur Frustration – das sind dann Späne im Getriebe. Und das kostet unterm Strich immer viel Geld, weil die Effizienz leidet oder die besten Fachkräfte das Unternehmen verlassen.
Vereinfacht gesagt: Wenn sich Leute sprachlich nicht erreichen, kommt es häufig zu Kränkungen, Missverständnissen und zur Frustration – das sind dann Späne im Getriebe. Und das kostet unterm Strich immer viel Geld, weil die Effizienz leidet oder die besten Fachkräfte das Unternehmen verlassen.
Dr. Stefan Goes in seinem Büro in der Lübecker Innenstadt
Wie sollten Führungskräfte mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kommunizieren?
Gute Grundregeln knüpfen an Kopf, Herz, Hand und Haltung an. Das gesprochene Wort entspringt Gefühlen und Gedanken. Menschen übersetzen diese Gefühle und Gedanken in Sprache, mit dem Anspruch möglichst präzise zu formulieren. Hierdurch erreichen Sie aber nur mit Glück die Innenwelt ihres Gegenübers. Eine gute Strategie ist deshalb das offene Zuhören mit dem Ziel, auf die Welt des Hörenden hin zu kommunizieren. Sich also zu fragen: Welchen Gedanken möchte ich erzeugen? Welches Gefühl soll entstehen? Welche Handlung möchte ich auslösen? Zu guter Kommunikation gehört, sich in den Gesprächspartner mit Empathie hineinzudenken, ihm somit Zweifel oder Sorgen zu nehmen. Das ist auch eine wichtige Art, dem Gegenüber Respekt zu zollen.
Erfolgreiche Führungskräfte sind häufig deswegen erfolgreich, weil sie allzu Menschliches und Emotionales ausblenden können. Auf die Weise können sie unangenehme Entscheidungen treffen. Das ist aber in bestimmten Situationen nicht mehr das, was dann eine Organisation braucht. Stattdessen braucht es mehr Zugewandtheit, Entschleunigung und Freundlichkeit.
Wie können Führungskräfte mit jungen Menschen der Generation Z produktiv kommunizieren? Hier gibt es ja öfter Herausforderungen.
Das ist ganz einfach, denn die Herausforderungen liegen in den Köpfen der älteren Generationen. Statt sich an den jungen Menschen abzuarbeiten oder an ihnen zu verzweifeln, bietet es sich für eine Führungskraft an, klare Ziele zu setzen, deutlich sichtbare Fahrwassermarkierungen auszulegen und sich auf die neue und andersartige Herangehensweise der Jüngeren einzulassen. Also genau genommen mit ihnen so umzugehen, wie mit älteren Leistungsträgern im Unternehmen.
Zusammengefast: Kommunikation funktioniert immer dann nicht, wenn Menschen vorgefertigte und zu starre Ideen über andere haben, und sie funktioniert hervorragend, wenn sie einander mit echtem Interesse begegnen.
Zusammengefast: Kommunikation funktioniert immer dann nicht, wenn Menschen vorgefertigte und zu starre Ideen über andere haben, und sie funktioniert hervorragend, wenn sie einander mit echtem Interesse begegnen.
Interview: Benjamin Tietjen
Veröffentlicht: 3. März 2025
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Benjamin Tietjen