SØSTRENE GRENE

Eine Arbeitswelt ohne Titel

Mogens Link Schmidt ist Geschäftsführer der dänischen Einzelhandelskette Søstrene Grene in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Im Interview erzählt er, warum er sich nicht verstellt und seine Mitarbeiter ihm sagen sollen, was er nicht hören möchte.
Herr Link Schmidt, wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Vor allem als authentisch. Ich verhalte mich auf der Arbeit genauso wie privat mit Familie oder Freunden. In Deutschland sind die Menschen häufig irritiert, weil ich als Geschäftsführer in Jeanshemd oder T-Shirt rumlaufe und sie gleich duze. Statussymbole empfinde ich als hinderlich, wenn ich auf Augenhöhe mit meinen Mitarbeitenden umgehen möchte. Deshalb habe ich kein schickeres Büro als sie und fahre kein größeres Auto. Mein Traum ist eine Arbeitswelt ohne Titel.
Sie leben als Däne in Hamburg: Wo unterscheidet sich die deutsche von der dänischen Führungskultur?
Bei der Kontrolle und dem Leistungsanspruch. Ich habe häufig den Eindruck, dass in Deutschland ein enormer Leistungsdruck vorherrscht. Alles muss perfekt sein. Die Konsequenz ist, dass Mitarbeitende denken, sie könnten das eh nicht erreichen, und abschalten. Deshalb sage ich ihnen: „Für mich sind 80 Prozent gut genug.“ Häufig hat das die umgekehrte Wirkung. Der Mitarbeitende ist intrinsisch motiviert und möchte mir beweisen, dass er 100 Prozent gibt. Zudem versuche ich, meine Mitarbeitenden in mutigen Entscheidungen zu bestärken. Solange wir ein gemeinsames Ziel verfolgen und die Richtung stimmt, kann nichts Dramatisches schiefgehen. Für diese Freiheit braucht man viel Vertrauen. Ich bin der Meinung, dass das einer der Gründe ist, weshalb wir in den vergangenen Jahren so stark wachsen konnten.
Sie sind vor sechs Jahren gestartet und haben 87 Geschäfte in den drei Ländern eröffnet. Was trug noch zum Erfolg bei?
Obwohl wir heute mehr als 1.300 Angestellte haben, sehe ich uns immer noch als Start-up, und genauso agil handeln wir auch. Aus Hamburg steuern wir zentral den Großteil der Prozesse. Unser Prinzip ist: Eine Lösung passt für alle. Dadurch haben wir schnelle Entscheidungsprozesse. Der Einzelhandel ist ein harter, hektischer Markt. Wir müssen immer investieren und offensiv denken. Um das Tempo halten zu können, ist es wichtig, dass unser Grundgerüst – Finanzen, Personal sowie die Verwaltung und Bewirtschaftung der Immobilien - steht. So können wir uns im operativen Bereich auf die Zukunft konzentrieren und dem Markt voraus sein. Deshalb lebe ich bei Søstrene Grene auch den Bottom-up-Ansatz.
Bottom-up-Ansatz?
Dem Geschäftsführer sagen die Mitarbeitenden meist nur noch, was er hören will. Ich fordere sie dazu auf, mir auch das zu sagen, was ich nicht hören möchte. Meine Mitarbeitenden können mich direkt im Büro anrufen und ihre Probleme ansprechen - sie sind viel näher am Kunden dran und kennen seine Bedürfnisse. Die jüngere Generation etwa weiß viel eher über aktuelle Trends Bescheid als ich mit meinen 47 Jahren.
Aenne Boye
Veröffentlicht am 1. Juni 2022