Wirtschaftsfaktor Musik

Den richtigen Ton treffen

Musik ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken - sei es der Besuch von Konzerten, das Spielen eines Instruments oder das Musikhören in den eigenen vier Wänden. Genauso vielfältig sind auch die Geschäftsmodelle, mit denen vier lokale Unternehmen seit Jahren erfolgreich sind. Trotz digitaler Musikformate oder starkem Onlinehandel behaupten sie sich mit großer Individualität und Leidenschaft am Markt.
Als 1986 der kleine Plattenladen in der Lübecker Innenstadt das erste Mal die Türen öffnete, war von CDs, MP3s oder gar Musikstreaming noch nicht viel zu hören. Wo-Anders in der Beckergrube ist seitdem ein Kleinod für Vinyl-Liebhaber. Und trotz neuer, digitaler Formate läuft es gut, sagt Inhaber Rainer Marenke, der von einer Vinyl-Renaissance nichts wissen will: "Die LP hat es doch die ganze Zeit gegeben." Marenke hat an der FH Lübeck Elektrotechnik studiert, nebenbei in dem Laden gejobbt und ihn 1998 übernommen. Dennoch profitiert auch er vom Vinyl-Boom, seit 2010 steige der Umsatz mit Schallplatten kontinuierlich. "80 Prozent Umsatz mache ich heute mit LPs, vor zehn Jahren waren es noch 50 Prozent." Auf die gut 100.000 LPs im Geschäft kommen nur rund 5.000 CDs. So erscheinen auch neue Alben mittlerweile wieder auf Schallplatte. Etwa einen Plattenspieler verkaufe er pro Woche, viele an Jugendliche - auch Bands wie The Doors seien bei Jüngeren auf LP sehr beliebt. Was Vinyl so einmalig macht? "Viele möchten etwas zum Anfassen oder einfach ein perfektes Klangerlebnis - und LPs sind nicht reproduzierbar und steigen im Vergleich zu CDs an Wert", sagt Marenke. Die Herausforderung bestehe für den Second-Hand-Plattenladen nicht darin, Tonträger zu verkaufen, sondern an Nachschub zu gelangen: "Ich befülle die Regale mit dem, was mir die Kunden vorbeibringen - ich habe keinen Einfluss darauf, ob eine bestimme Platte gerade da ist", sagt er schmunzelnd.
Weniger Konzerte, mehr Arena-Shows
Internationale Musiker in den Norden zu holen, ist der Job von Dirk Stolzenberg. Seit 1988 macht der Lübecker mit dem Team seiner Agentur Fabulous Germany Concerts so ziemlich alles selbst, um Festivals und Tourneen von Blues- und Rockbands zu organisieren - vom Booking, übers Marketing bis hin zum Ticketing. In den Jahren habe sich einiges geändert, sagt Stolzenberg. Wo früher Plakatwerbung ausgereicht habe, müsse er heute als örtlicher Veranstalter ständig neue Ideen und Aktionen finden. "Konzertbesucher sind heute bereit, mehr Geld auszugeben - erwarten dafür aber auch mehr Entertainment und eine spektakuläre Bühnenshow." Mit den höheren Ansprüchen habe sich auch die Agentur neu ausgerichtet: insgesamt weniger Konzerte, dafür mehr anspruchsvollere Arena-Shows. "Wir haben bereits in diesem Jahr mit rund 220 Konzerten mehr Umsatz gemacht als noch vor einigen Jahren mit 450 Clubshows", sagt er. Aktuell richtet der Veranstalter die Tourneen der Bands Creedence Clearwater Revived, Nazareth und Hollies aus. "Das ist schon ein Highlight für uns", sagt Stolzenberg. Genauso als er im August eine Anfrage des Rolling-Stones-Managements bekam, das seinen Künstler John Lee Hooker Jr. als Special Guest für den Österreich-Gig haben wollte. "Wir haben kurzerhand das Tour-Programm umgestellt, um das möglich zu machen." Dass auch nicht immer alles glatt läuft, musste die Agentur vor vielen Jahren erfahren, als sich der Bluesmusiker Johnny Winter mit der Gage von elf ausverkauften Shows absetzte, ohne sie zu spielen. Nach dreijährigen Gerichtsverhandlungen in den USA bekamen sie das Geld wieder. "Berufsrisiko eben", kommentiert Stolzenberg trocken.
Gute Synergieeffekte
Auf einen unternehmerischen Dreiklang setzt die Musikschule Thomas Lass GmbH in Bargteheide. Neben Musikunterricht und musikalischer Früherziehung stehen auch Noten und Instrumente im hauseigenen Musikhandel zum Verkauf. Nach und nach sei das Unternehmen gewachsen, sagt Geschäftsführer Thomas Lass, der sich nach der Ausbildung zum Musikpädagogen im Jahr 2002 selbstständig gemacht hat. Ganz leicht sei die Existenzgründung nicht gewesen, Hilfe holte er sich damals auch bei der IHK. Die musikalische Früherziehung habe er anfangs eigentlich nur angeboten, um die Räume auch vormittags auszulasten. "Heute unterrichte ich am liebsten nur noch Musikgarten-Gruppen", sagt er schmunzelnd. Für die anderen Unterrichtsfächer beschäftigt Lass inzwischen mehr als 50 Dozenten - auch am zweiten Standort in Ahrensburg. Der hauseigene Shop bringe zudem gute Synergieeffekte: "Häufig fangen Kunden dann auch mit dem Unterricht an - oder umgekehrt". Lass bietet seinen Schülern neben der Beratung einen Mietkauf an. So können sie das Instrument erst einmal sechs Monate testen. "Das kann der Onlinehandel nicht leisten", sagt Lass. Im Unterricht sei neben den klassischen Instrumenten der Rock-Pop-Bereich immer beliebter. Dazu tragen Trends aus den Charts laut Lass einen guten Teil bei: "Akkordeon und Geige sind plötzlich wieder cool bei den Jugendlichen." Trotz der sehr guten Auslastung habe die Schule mit den beiden Standorten jetzt eine ideale Größe erreicht, sagt Lass: "Die Atmosphäre soll so familiär bleiben, wie sie ist - das ist uns wichtig."
Unterricht per Webcam
Neue Wege im Musikunterricht geht der studierte Trompeter und Komponist Lars Seniuk aus Norderstedt. Über das Onlineportal Musiclessons On Air bringt er namhafte Dozenten und Musikschüler per Webcam zusammen. Das bereits im Studium entworfene Geschäftsmodell hat er 2015 in die Tat umgesetzt: "Die Idee ist, jedem Menschen den bestmöglichen Musikunterricht zu ermöglichen, egal wo er wohnt. Gerade im ländlichen Raum sitzen viele kulturell auf dem Trocknen und haben nicht die Möglichkeit, vor Ort Unterricht zu nehmen." Der 28-Jährige ist auch als Dozent, Dirigent sowie als Leiter des Landesjugendjazzorchesters Hamburg tätig. Auf dem Portal buchen die Schüler ihren Wunschdozenten und die Stundenzahl - dabei sei es auch möglich, nur eine einzige Stunde zu nehmen. "Das ist etwa für Musiker interessant, die sich kurzfristig auf eine Prüfung vorbereiten und weiteres Know-how brauchen", sagt er. Über die eigens konzipierte Online-Anwendung sei es möglich, per Splitscreen zwei Kameras zu nutzen - beim Klavier kann etwa eine Kamera auf die Hände des Dozenten gerichtet sein, die andere zeigt die Seitenansicht. Derzeit laufe es so gut, dass weitere Instrumente und Dozenten hinzukommen sollen. Ungewohnt sei die neue Methode anfangs höchstens für die Lehrer: "Über das Video auf die Körpersprache des Schülers und den anderen Klang zu reagieren, ist zunächst eine Umstellung, an die sich aber alle rasch gewöhnen", so Seniuk.
Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 11. Dezember 2017