Theaterbranche im HanseBelt

Licht aus, Spot an

Sie sorgen für volle Ränge, beteiligen Autoren an Theatereinnahmen und entwickeln Musicalproduktionen: Drei Unternehmen im HanseBelt bringen mit ihrem Know-how auf und hinter der Bühne die Theaterszene in Bewegung - in einer sich zunehmend wandelnden Branche.
Mitten in Ahrensburg befindet sich seit ein paar Jahren eine der großen Musicalschmieden im Norden. In der Schlossstadt konzipieren und produzieren Jacqui Dunnley-Wendt und Hauke Wendt Musicals. 2007 hat das Ehepaar die Musical Creations Entertainment GmbH (MCE) gegründet - zuvor tourten sie als Tänzerin und Musiker mit großen Musicalproduktionen durch Europa. Kennengelernt haben sie sich beim Stage-Entertainment-Musical “Buddy Holly” in Hamburg: Wendt spielte Drummer Jerry, Dunnley die Peggy Sue. Heute bündeln die beiden ihr Know-how und entwickeln kleinere Musicalproduktionen für Theater, die kein eigenes Ensemble haben - und Musicals von MCE einkaufen. “Wir setzen uns dann mit den Theatern zusammen und klären, wie wir ein Musical in den Häusern technisch und dramaturgisch umsetzen können”, sagt Wendt.
Etwa eine Produktion pro Jahr entwickelt das Künstlerehepaar. Wenn das Skript steht, proben sie mit professionellen Musikern und Darstellern das Stück in sechs Wochen ein. Länger darf das nicht dauern, denn Probenzeit ist teuer. Neben der Musicalproduktion tritt MCE auch als Dienstleister für große Produktionsfirmen auf. “Wir betreuen etwa für 'Disney in Concert' die Arenen-Tour und kümmern uns um Ensemble, Proben und die Abläufe hinter der Bühne”, so Wendt.
2014 eröffnete das Paar die Musicalschule Ahrensburg. Die Idee sei während eines Workshops an der Schule ihres Sohnes geboren worden. “Viele Eltern fragten uns, ob wir das dauerhaft anbieten können”, so die geborene Engländerin Dunnley-Wendt. Fünf Dozenten unterrichten aktuell rund 180 Kinder, Teenager und Erwachsene in den Disziplinen Schauspiel, Tanz und Gesang. Wer später Performing Arts studieren möchte, kann sogar ein intensives Aufnahmeprüfungstraining belegen. “Wir möchten junge Menschen für diese Theaterform begeistern und das Musical als das etablieren, was es ist: eine leidenschaftliche Kunst- und Erzählform abseits von Showelementen wie fliegende Kronleuchter.”
[Sechs Sätze von …]
… Ea Paravicini

Die ausgebildete Zirkusartistin Ea Paravicini ist als freischaffende Seiltänzerin mit ihrem “Mobilen Circustheater” international unterwegs.

Ich bin selbstständige Unternehmerin, weil …
… man im Zirkus immer selbstständig arbeitet, auch wenn man an einem Reisezirkus engagiert ist.

Ich bin Seiltänzerin geworden, weil…
… ich bereits mit zwölf Jahren erstmals auf dem Seil stand und es mir sofort klar war, dass ich Seiltänzerin werde. Der Arbeitsalltag einer Seiltänzerin umfasst besteht vor allem aus …
… Aufwärmen, Krafttraining und Üben auf dem Seil. Danach betreibe ich Akquise, plane Touren und mache Abrechnungen. Ich verbringe zudem viele Tage auf Autobahnen oder mit dem Auf- und Abbau des Theaters.

Das Besondere am „Mobilen Circustheater“ ist, …
… dass ich überall mit der Sprache des Körpers arbeiten kann. Vergangenes Jahr trainierte ich in Argentinien und plante dort Auftritte für 2019. Ich trete an unterschiedlichsten Orten auf - heute auf einem Firmenevent, morgen auf einem Straßenfest.

Die Herausforderung ist …
… die Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden, denn es gibt keine festen Arbeitszeiten. Eine weitere Kunst besteht darin, die Spielorte so zu legen, dass sie einigermaßen auf einem Weg liegen.

Unternehmen, die mich buchen möchten, erwartet …
    …ein Auftritt mit einem nostalgischen Zirkuswagen aus Holz. Ein Moment des Staunens oder einfach nur die Tatsache, dass jemand mit voller Leidenschaft das tut, was er aus innerem Drang heraus tun muss, egal wie mühsam dieser Beruf auch manchmal ist.

Geld für Autoren
Eine kleine Stadtvilla am Rande Norderstedts: Tausende Theaterstücke reihen sich über ein ganzes Geschoss in schweren Regalen, darunter Klassiker von Charles Dickens, Edgar Wallace oder Michael Ende. Kaum ein Theater kommt an dieser Adresse vorbei: Hier hat die Vertriebsstelle und Verlag Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten GmbH (VVB) ihren Sitz. Der Verlag überträgt Bühnen die Aufführungsrechte an Theaterstücken und sorgt dafür, dass deren Urheber an den Einnahmen beteiligt werden.
“Wir lektorieren die Texte unserer Autoren, schlagen Verbesserungen vor und suchen Theater, für die das jeweilige Stück passen könnte. Kurz: Wir sorgen dafür, dass die Werke aufgeführt werden”, sagt Geschäftsführer Wolfgang Neruda. Bereits seine Großeltern leiteten den 1843 in Berlin gegründeten Traditionsverlag, der seit 1974 in Norderstedt beheimatet ist. Über 800 Autoren, Übersetzer und Komponisten von rund 1.500 Theaterstücken hat die VVB im Bestand – jedes Jahr kommen maximal 20 neue Stücke dazu. “Jede Neuaufnahme ist auch ein Versprechen an unsere Autoren, das Stück schnellstmöglich an ein Theater zu vermitteln”, so Neruda. Etwa zehn Prozent der Kasseneinnahme stehen dem Autor nach einer Aufführung zu. Die Krux: Das Urheberrecht läuft nach 70 Jahren aus. Dann könne jedes Theater das Stück aufführen. “Als das Urheberrecht von Karl May erloschen ist, war das für uns ein herber Verlust”, sagt der Geschäftsführer rückblickend.
Daher sind Neruda und sein Team viel unterwegs, um neue Autoren und Stücke aufzuspüren sowie Theater für Stücke zu begeistern. Die Kunden sind Staatstheater und Rundfunkanstalten genauso wie Tausende Amateur- und Schultheater bis hin nach Japan. Zu den Bestsellern des Verlags gehören Kinder- und Jugendstücke wie Michael Endes “Jim Knopf” - aber auch Regionalsprachen wie das Niederdeutsche würden immer wichtiger, berichtet Neruda. Im Erwachsenentheater zeichne sich ein neuer Trend ab: “Theateradaptionen von Filmen und Büchern, vor allem Krimis und Komödien, sind sehr erfolgreich. Wir hatten das große Glück, die Rechte an Til Schweigers 'Honig im Kopf' und Sebastian Fitzeks 'Passagier 23' zu bekommen. Unsere Adaptionen sind seit Jahren im In- und Ausland Dauerbrenner.”
Ein Haus für alle
Theater, Kino und Kulturstätte in einem: Das Kleine Theater Schillerstrasse (kTS) in Geesthacht geht bei der Programmgestaltung besondere Wege. “Wir setzen auf eine bunte Mischung, um ein möglichst breites Publikum und jede Altersgruppe anzusprechen”, sagt Geschäftsführerin Meike Peemöller. Neben täglichen Kinovorstellungen und rund 50 Aufführungen von Tourneetheatern im Jahr setzt das kTS auf Musicals, Lesungen und Events wie „Ingo Oschmanns Comedy Club“, um das Haus auszulasten. “Derzeit finden bei uns sogar Gottesdienste statt, da die Gemeinde ein neues Kirchengebäude baut”, so Peemöller. Die Programmvielfalt sei historisch gewachsen: 1994 stieß die Stadt mit der Niederdeutschen Volksbühne Geesthacht den Bau des Theaters an. Der Kulturauftrag und die vielseitige Nutzung gehörten von Beginn an zum wirtschaftlichen Konzept. Die Niederdeutsche Volksbühne ist seitdem regelmäßig zu Gast, für 20 Aufführungen im Jahr steht ihr das Theater zur Verfügung.
Um junges Publikum zu erreichen, setzt Peemöller vermehrt auf Theateradaptionen von Kino-Blockbustern wie “Willkommen bei den Hartmanns”. “Bevor wir ein Stück buchen, prüfen wir die technischen Voraussetzungen an unsere Bühne. Sobald der Theaterbeirat das Stück abgenickt hat, buchen wir Veranstaltungstechniker, Catering und Hotels für die Tourneetheater.” Dabei stellt vor allem das Nebeneinander von Kino und Theater das Team vor Herausforderungen. Während das Theaterprogramm bereits ein Jahr zuvor feststeht, wird das Kinoprogramm von Woche zu Woche geplant. Vor allem bei Kino-Bundesstarts sei das knifflig: “Die Verleiher verlangen, dass wir neue Filme drei Wochen durchgehend zeigen. Unsere Säle sind dann dauerhaft belegt”, so Peemöller. Theateraufführungen, die tagelange Vorbereitungen mit Kulissenbau und Ausleuchten verlangen, seien dann nur mit einer minutiösen Planung möglich.
Benjamin Tietjen