Geschäftsmodelle im Gesundheitsmarkt

Den Bedarf erkennen

In einer der größten Branchen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft gibt es große Dynamik, Wachstumspotenziale und zahlreiche Nischen. Wer sich hier etablieren kann, hat sich häufig spezialisiert und verfolgt ein besonders innovatives Konzept. Drei Unternehmen aus Schleswig-Holstein zeigen, wie sie mit ihren Geschäftsmodellen im Gesundheitsmarkt erfolgreich sind.
Die Gesundheitswirtschaft in Schleswig-Holstein ist ein zuverlässiger Wirtschaftsmotor. In Zeiten des Fachkräftemangels hat die Branche aber auch mit Hindernissen zu kämpfen. Nicht wenige Unternehmen bewegen sich in Nischenmärkten, in denen sie miteinander um die raren Spezialisten konkurrieren. Mitarbeiterbindung wird zu einem entscheidenden Faktor. Auch die ländlich geprägten Räume Schleswig-Holsteins erweisen sich dabei als Herausforderung, denn der Erfolg der Fachkräftesicherung hängt nicht zuletzt vom Umfeld ab. Viele Unternehmen der Gesundheitsbranche haben bereits erkannt, dass sie nur im Wettbewerb bestehen können, wenn sie den digitalen Wandel konsequent angehen. Mehr denn je geht es darum, Bedürfnisse zu erkennen und flexibel zu agieren, um unternehmerisch erfolgreich zu sein. 

Rundumversorger

In der Anfangszeit tingelte der Gründer als Zellstoffhändler vom Bäcker zur Tankstelle, um Toilettenpapier und Küchentücher zu verkaufen. Dann erkannte er den Bedarf an ebendieser Ware in Pflegeeinrichtungen. Die Geschäftsidee der unizell Medicare GmbH war geboren: als Rundumversorger der Pflege. 
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"Wir versorgen Alten- und Pflegeeinrichtungen mit fast allem. Wir tragen dazu bei, dass sich das Pflegepersonal um die wichtigen Dinge kümmern kann", sagt Geschäftsführerin Stefanie Kunz. Zweites Standbein ist die ambulante Versorgung von bundesweit 40.000 Menschen. Das Unternehmen ist nicht nur Vertragspartner aller Krankenkassen mit Abrechnungszentrum, sondern besitzt auch ein leistungsfähiges Versandzentrum in Kiel. Gleichzeitig bleiben die Konditionen umkämpft und die Logistik ein wachsender Kostenfaktor. Heute gehören rund 800 Senioren und Pflegeeinrichtungen zur Kundschaft, 700 Pflegedienste und 1.400 Handelskunden – darunter Apotheken, Sanitätshäuser und Pharmagroßhändler. Am Jahresanfang hat das Unternehmen ein Callcenter für Auftragsmanagement gegründet und bietet die Dienstleistungen auch Externen an. 
Mit dem Umzug 2015 nach Bad Schwartau hat unizell ideale Bedingungen geschaffen, um weiter zu wachsen. Dass die eigene Belegschaft großen Anteil daran hat, weiß auch die Geschäftsführung und würdigt es: Ein Fitnessstudio, Relaxlounge und Massagen halten Motivation und Identifikation der 140 Mitarbeiter hoch. Die gute Ausbildung wurde 2017 mit dem Ausbildungsaward der IHK zu Lübeck belohnt. "Wir bleiben fleißig und kooperativ", sagt Kunz. 

Digitale Zahnarztpraxis 

"Wir sind in einem Verdrängungsmarkt unterwegs", betont Paul Sobottka, Leiter des Produktmarketings der Dampsoft GmbH. "Aber für uns stellt das weniger ein Problem dar. Wir sind einer der größeren Player in unserem Nischenmarkt. Und wir wollen noch weiter wachsen." Dampsoft stellt Software für Zahnärzte her. Spezialisiert hat sich das Familienunternehmen auf das Abrechnungsmanagement, aber auch im Praxismanagement finden Dampsofts Produkte Anwendung. 
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Treiber für das Wachstum des Unternehmens aus Damp im Kreis Rendsburg-Eckernförde ist die Digitalisierung. In Zahnarztpraxen wird stark auf die Vernetzung von Geräten und Datenbanken gesetzt. Ideal für die Softwarelösungen, die Dampsoft anbietet. Bundesweit wird in jeder vierten Zahnarztpraxis ein Produkt des Unternehmens eingesetzt. In Schleswig-Holstein und Hamburg ist dieser Anteil noch größer: Beinahe jede zweite Zahnarztpraxis organisiert sich mit Programmen aus dem kleinen Ort an der Ostsee. 
Knapp 300 Mitarbeiter zählt das 1986 gegründete Unternehmen, die sich auf acht Entwicklungsstandorte über Deutschland verteilen. Aber nicht nur Programmierer finden bei Dampsoft Arbeit. Im Kundenservice sind beinahe ausschließlich zahnmedizinische Fachangestellte beschäftigt, die die Bedürfnisse von Zahnarztpraxen aus erster Hand kennen. 

Mehr Lebensqualität

Bei den Schlagworten Digitalisierung, Hightech und moderne, ergonomische Arbeitsplätze denkt man nicht als Erstes an ein Sanitätshaus. Dass der altmodisch klingende Name aber genau dafür stehen kann, zeigt Familie Krämer. Seit der Gründung in Husum vor mehr als 70 Jahren durch den Großvater der beiden aktuellen Geschäftsführer Sönke und Owe Krämer ist viel passiert.
Heute arbeiten rund 100 Mitarbeiter an zwölf Standorten. Immer im Blick: ihre Kunden. Deren Lebensqualität zu verbessern, ist das erklärte Ziel. Darauf ausgerichtet ist nicht nur die Produktberatung. Das Unternehmen geht einen Schritt weiter und unterstützt seine Kunden bereits, wenn diese noch im Krankenhaus sind. Anträge und Koordination laufen über das Sanitätshaus, und die Patienten haben direkt bei der Entlassung ihre benötigten Hilfsmittel.
Auch in Zukunft will das Unternehmen weiter wachsen. "Wir arbeiten in einer Zukunftsbranche", betont Orthopädietechniker- Meister Sönke Krämer. "Die Menschen werden immer älter und benötigen orthopädische Hilfsmittel, um mobil zu bleiben und am Alltag teilzunehmen. Die schnelle Krankenhausentlassung und die Pflege zu Hause spielen eine immer größere Rolle. Technische Hilfen, Orthesen und Prothesen unterstützen die Heilung."
Auch Herausforderungen wie dem Fachkräftemangel stellt sich das Sanitätshaus. "Wir bilden in den Bereichen Orthopädietechnik, Orthopädieschuhtechnik, Büromanagement, Sanitätsfachhandel und Lagerlogistik aus. So sorgen wir selbst für Nachwuchs." 
Karsten von Borstel, Kathrin Ivens, Sebastian Winslow
Gesundheitsbranche in Schleswig-Holstein

Die Gesundheitswirtschaft ist eine heterogene Branche mit einer ausgeprägten Innovationsstärke und Beschäftigungsintensität. Zu ihr zählen nicht nur Krankenhäuser, Apotheken und Pflegeeinrichtungen, sondern auch produzierende Pharma-, Biotech- und Medizintechnikunternehmen sowie der Handel und Vertrieb der dort hergestellten Güter. Durch den demografischen Wandel wird die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und -gütern weiter steigen.

Die Gesundheitswirtschaft ist eine der größten und wichtigsten Branchen der Wirtschaft Schleswig-Holsteins. Sie hat Ausstrahleffekte in andere Branchen und liegt mit einem Wertschöpfungsanteil von 15 Prozent an der Gesamtwirtschaft im bundesweiten Vergleich auf Platz eins. Überdies ist sie mit 253.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber im Land. Davon arbeiten rund 63 Prozent in stationären und nicht stationären Versorgungseinrichtungen, 13 Prozent in der Gesundheitsindustrie. Mit einem Anteil von 18,4 Prozent an der Gesamtwirtschaft arbeitet jeder Fünfte in der Gesundheitsbranche. Bundesweit sind es 14,2 Prozent.

In der medizinischen Versorgung werden fast 59 Prozent der Wertschöpfung der schleswig-holsteinischen Gesundheitswirtschaft erbracht, in der Gesundheitsindustrie 19 Prozent. Medizintechnik- und Pharmaunternehmen tragen überdurchschnittlich stark zu Beschäftigung und Umsatz im verarbeitenden Gewerbe Schleswig-Holsteins bei. 2013 erwirtschafteten sie zusammen einen Umsatz von vier Milliarden Euro, über die Hälfte davon im Ausland.

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hg.): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Länderergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung; Berlin 2018, Seite 48 f.
Veröffentlicht am 4. Juni 2019