Interview: Dr. Peter Rehders

"Am Anfang zählt das Bauchgefühl"

Ein Business Angel unterstützt Start-ups nicht nur finanziell. Know-how und Kontakte
der erfahrenen Geschäftsleute helfen jungen Gründern auch praktisch im Tagesgeschäft. Über seine Arbeit als Business Angel sprach unser Magazin Wirtschaft zwischen Nord- und Ostsee mit Dr. Peter Rehders.
Wirtschaft: Herr Rehders, wie wird man Business Angel?
Peter Rehders: Den Begriff kannte ich zu Beginn gar nicht. Der Weg dorthin war zweistufig. Zuletzt habe ich als Geschäftsführer eine Tochtergesellschaft der Flensburger Stadtwerke restrukturiert und neu ausgerichtet. Als das abgeschlossen war, schien die Zeit für etwas Neues gekommen. Ich wollte selbstständig sein. Ohne dass ich schon eine konkrete Geschäftsidee in der Schublade hatte, habe ich mein Sicherheitsdenken überwunden und erst mal von Ersparnissen gelebt. Formell habe ich ein Beratungsunternehmen gegründet. Das war aber nur der erste Schritt, das Türschild. Ziel war es, eine Geschäftsidee zu finden, auf die ich aufbauen konnte. Ich kannte einige Menschen, die entsprechende Ideen hatten. Mit denen habe ich Kontakt aufgenommen und Mitte 2012 mit ihnen die Firma Solvit gegründet. Dort entwickeln wir individuelle Softwarelösungen und bieten Abrechnungsleistungen für Energieversorger an.
Wirtschaft: Was macht gute Gründer für Sie aus?
Rehders: Sie müssen eine gute Idee haben, die sie "rüberbringen" können, und ein wenig "Leidensfähigkeit". Auch eine sehr gute Idee braucht Zeit, bis aus ihr ein funktionierendes Unternehmen wird. Sie müssen außerdem klare Leistungsträger und führungsfähig sein. Denn wenn ich irgendwann beiseitetrete, müssen meine Aufgaben aufgefangen werden. Entweder über einen dann eingestellten Geschäftsführer, was ein sehr teurer Weg wäre; oder die Gründer haben den Willen und die Fähigkeit, die Aufgaben zu übernehmen. Das Dritte ist die persönliche Ebene, der Nasenfaktor, wie ich es nenne. Wir müssen uns menschlich verstehen und als Partner aufeinander einlassen wollen.
Wirtschaft: Was muss eine Idee haben, damit für Sie ein Investment interessant ist?
Rehders: Da gibt es sachliche und "unsachliche" Argumente. Erst mal muss es einfach eine Geschäftsidee sein, die ich für tragfähig halte. Ein Geschäftsplan muss noch gar nicht unbedingt existieren. Ich muss mir aber etwas unter der Idee vorstellen können und einen eigenen Glauben daran entwickeln, dass es eine Leistung oder ein Produkt ist, die beziehungsweise das sich tatsächlich vermarkten lässt. Wenn ich mich engagiere, ist es Bedingung, dass ich Mitgesellschafter werde. Dazu müssen die Gründer bereit sein. Ihnen sollte auch klar sein, dass die graue Eminenz zu Beginn vielleicht ein bisschen mehr steuert als sie. Auf der anderen Seite muss ich mich damit wohlfühlen und abfinden, dass sie irgendwann übernehmen. Die jungen Menschen wollen und sollen letztlich selber steuern. Außerdem muss ich - ganz banal - Bock auf die Idee haben. Mitentscheidend ist aber sicher auch die finanzielle Dimension des Projekts.
Wirtschaft: Wie hoch liegen Ihre Investments?
Rehders: Ein klassischer Investor bin ich nicht, ich stecke also nicht eine halbe Million Euro in ein Projekt. Der Rahmen umfasst ungefähr eine für die ersten ein bis zwei Jahre solide durchfinanzierte GmbH. Meine Investitionen liegen also bei 50.000 bis 100.000 Euro. Projekte, bei denen mehr Geld gefordert ist, kann ich entweder nicht allein stellen, oder man muss mit Fremdkapital arbeiten. Ich bin auf der Kapitalseite aber knochenkonservativ und kein Freund von Fremdkapital. Teilweise geht es aber natürlich nicht anders, wenn man etwa Gebäude beziehungsweise Anlagen benötigt.
Wirtschaft: Worin sehen Sie Ihre praktischen Aufgaben?
Solvit GmbH
Rehders: Bei Solvit etwa war meine Rolle die eines gleichberechtigten Gesellschafters und Geschäftsführers. Ich treibe den Aufbau voran und agiere so, dass sich das Unternehmen auch nach meinem operativen Ausscheiden solide weiterentwickeln kann. Da helfen mir meine Erfahrungen aus der Projektarbeit, dem Controlling und meiner langjährigen Führungs- und Geschäftsführungsverantwortung enorm.
Wirtschaft: Wonach entscheiden Sie, wie lange Sie aktiv im Tagesgeschäft mitarbeiten?
Rehders: Da gibt es keine harten Zielwerte. Es ist eine individuelle Beurteilung der Situation. Im Falle von Solvit war der Stabilitätspfad erreicht, die Aufgaben ließen sich sinnvoll übergeben. Der genaue Zeitpunkt hängt genauso an der geschäftlichen Entwicklung wie am Wunsch meiner Partner, die Geschäftsführung vollumfänglich zu übernehmen. Die Unternehmensanteile halte ich aber dauerhaft.
Wirtschaft: Wie finden Sie interessante Start-ups?
Rehders: Nadine Sydow, meine neue Geschäftspartnerin bei Solvoluta in Kiel, habe ich ursprünglich bei einem Ideenwettbewerb der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein kennengelernt, wo ich Jurymitglied war. Der konkrete Kontakt kam später über das Dr. Werner Jackstädt-Zentrum beziehungsweise die Hochschule Flensburg zustande. Dort habe ich vorher schon mal gesagt: "Schickt mir eine Info, wenn ihr was Interessantes habt." Nach den ersten Gesprächen habe ich etwas getan, was in keinem Handbuch steht. Ich habe mir gesagt: "Die Dame passt, die Idee ökologischer Schädlingsabwehr und vor allem das erste Produkt Schnexagon zur Schneckenabwehr passt, und ich habe Lust dazu. Also machen wir das." Die Planzahlen habe ich mir dabei nur kurz angesehen, denn planen kann man viel. Später, bei der konkreten Kalkulation, sind die Zahlen dann natürlich sehr wohl sehr wichtig. Aber bei der ersten Entscheidungsfindung werden Zahlen einen Hauch überbewertet, finde ich. Es zählt für mich eher das Bauchgefühl, ob die Idee sich verwirklichen lässt. Das kann man nicht wirklich rechnen. Ganz allgemein finde ich es sehr spannend, mich mit neuen Ideen zu beschäftigen. Außerdem möchte ich durch den Austausch innerhalb der Gründerszene und in den Gründerzentren auch etwas zurückzugeben, das mir selbst während meines beruflichen Werdegangs widerfahren ist: Unterstützung. Gelegentlich auch einfach mal so - ohne eigene Geschäftsabsichten.
Zur Person
Der promovierte Physiker Peter Rehders, Jahrgang 1960, arbeitete mehr als 15 Jahre in Führungspositionen bei der Lufthansa Technik AG und als Geschäftsführer einer Tochter der Stadtwerke Flensburg. Seit 2011 investiert Rehders Zeit und Geld in Start-ups. In seiner ersten Beteiligung, der Solvit GmbH in Flensburg, sind heute 15 Menschen inklusive der Gründer beschäftigt. Mit der Kieler Solvoluta GmbH investiert er in Produkte zur ökologischen Schädlingsabwehr. 
Interview: Daniel Kappmeyer
Veröffentlicht am 5. Oktober 2016

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