Crowd-Investing

Der Schwarm als Investor

Die explosionsartige Verbreitung von Inhalten im Internet ist ein häufiges Phänomen. Ähnliche virale Effekte und die Tatsache, dass aus vielen kleinen Beträgen eine große Menge Geld werden kann, nutzt das Crowd-Investing - eine neue Finanzierungsform für Start-ups und eine Geldanlage für risikobewusste Investoren.
Der erste Schritt zum Startkapital durch Crowd-Investing ist die Bewerbung bei einer Webplattform wie dem deutschen Marktführer Seedmatch. Wenn das Geschäftsmodell überzeugt, wird eine Finanzierungssumme festgelegt. Dann geht es los: Jeder, der an den Erfolg des Start-ups glaubt, kann ab etwa 250 Euro Anteile kaufen - meist in Form von stillen Beteiligungen, seit Neuestem auch als partiarisches Nachrangdarlehen. Ist die Finanzierungssumme erreicht, greifen die fünf bis sieben Jahre laufenden Verträge: Das Start-up verfügt über frisches Geld, die Kleininvestoren sichern sich Gewinnbeteiligungen und erhalten im Falle eines Unternehmensverkaufs eine ihren Anteilen entsprechende Rendite. Wird die Finanzierungssumme nicht erreicht, bekommen alle Investoren ihr Geld zurück.
"Crowd-Investing existiert in Deutschland erst seit 2011, verzeichnet aber enorme Wachstumsraten", berichtet Professor Dr. Nils J. Balke, Professor für Controlling, Investitionen und Finanzierung an der Fachhochschule Lübeck. "2011 betrug das Finanzierungsvolumen noch 0,4 Millionen Euro. 2012 waren es schon 4,3 Millionen Euro." Crowd-Investing sei vor allem als Starthilfe sinnvoll. "Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Unternehmen erhält schnell Startkapital und die Investoren sind eventuell die ersten Kunden. Vor allem aber verbreiten die Investoren die Idee in ihrem Umfeld und viral darüber hinaus. Auch können Investoren dem Unternehmer neue Ideen vermitteln, ohne aber ein Mitspracherecht zu haben", so Balke. Nachteilig sei, dass das Geschäftsmodell im Internet offengelegt werden müsse. "Wenn die Idee kopierbar und nicht patentierbar ist, laufe ich Gefahr, dass sie übernommen wird."
Finanzierungsalternative 
"Das Geschäftsmodell muss Transparenz erlauben", betont auch Marc Stahlmann von OnlineMarketing.de, der 2012 seine Bachelorarbeit an der FH Lübeck über Crowd-Investing geschrieben hat und dabei die Hamburger snipdocs GmbH bis zum Abschluss der Finanzierung begleitete. Snipdocs ist eine cloud-basierte Software zum Suchen, Extrahieren und Strukturieren von Informationen - und damit ein massenfähiges Produkt, das optimal für den viralen Effekt geeignet ist. "Crowd-Investing hat die Chance, sich als dauerhafte Finanzierungsalternative zu etablieren. Das Geschäftsmodell sollte gut skalierbar sein und große Wachstumspotenziale bergen. Crowd-Investment bietet erheblich mehr als Kapital. Für snipdocs und viele andere Start-ups ist etwa die Bestätigung des Unternehmenswerts ein großes Plus", so Stahlmann.
Für die Geldgeber sei Crowd-Investing ein Risikoinvestment, sagen Balke und Stahlmann unisono. Nur ein großes Portfolio mit verschiedenen Beteiligungen sei sinnvoll. "Von zehn Start-ups gehen statistisch acht in die Insolvenz. Das Geld ist dann weg. Aber wenn eines, in das man investiert hat, durch die Decke geht, dann hat sich das Gesamtinvestment gelohnt", so Stahlmann.
Jan Philipp Witt
Veröffentlicht am 1. April 2013