Neumünster: Fachkräftesicherung

Ausbildungserfolg? Internationale Fachkräfte!

Mit internationalen Auszubildenden gegen den Fachkräftemangel: „Unsere Azubis bringen einen ganz anderen Spirit in unser Unternehmen“, sagt HR-Managerin Stephanie Fingerhut von DACHSER SE  in Neumünster begeistert. Seit 2023 betreut sie mit Ihrer Kollegin Frau Tammy Su Grosser die Auszubildenden in der Niederlassung und ist sich sicher, dass die Fachkräftelücke nur mit Personal aus dem Ausland geschlossen werden kann.
Über 4.000 Paletten mit Industriegütern und Lebensmitteln werden täglich bei Dachser in Neumünster über 76 Lkw-Tore und auf 7.000 Quadratmetern Hallenfläche umgeschlagen. Der führende Logistikdienstleister für Sammelgut eröffnete die Niederlassung erst 2020 und investierte rund 17,4 Millionen Euro in den Standort, der Schleswig-Holstein mit Deutschland und Europa verbindet. Über das eigene Stückgutnetzwerk kann Dachser Sendungen innerhalb von 24 Stunden innerhalb Deutschlands zustellen. Reibungslose Abläufe sind entscheidend, um diese Qualität zu gewährleisten – und vor allem der Faktor Personal spielt eine wichtige Rolle.
Als erfahrene Personalmanagerin aus dem Hamburger Raum kam Stephanie Fingerhut im Juni 2023 zu Dachser nach Neumünster, mitten hinein in die neue Verantwortung – und Herausforderung – den fachlichen Nachwuchs für das Unternehmen zu steuern. Ihr erster Eindruck? „Es ist deutlich schwieriger Personal in Schleswig-Holstein zu finden und zu halten als in Hamburg, denn dort fischen wir aus einem Millionenbecken“, sagt sie offen. „Dafür ist hier die unternehmerische Vernetzung viel entscheidender.“ Gerade in Neumünster sei der Fokus der ansässigen Unternehmen, sich als gemeinschaftliches Gewerbegebiet im Süden Neumünsters zu präsentieren und den Standort für angehende Fachkräfte attraktiv zu machen. Bis diese angehenden Auszubildenden aber gefunden sind, ist der Weg nicht leicht. Dachser-Niederlassungsleiter Jan-Ferdinand Lühmann hat in den letzten vier Jahren ein junges, dynamisches Team mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren zusammengestellt und entschied sich–bewusst dazu, ausländische Bewerberinnen und Bewerber zu suchen.
„Mutter“ von fünf indonesischen Auszubildenden wurde sie nur einen Monat nach ihrem Start im Unternehmen, sagt Stephanie Fingerhut. „Als Unternehmen sind wir ein erweitertes Elternhaus. Für Azubis aus dem Ausland gilt das noch viel mehr. Da heißt es dann helfen beim Einwohnermeldeamt, beim Kauf von Handykarten, beim Lebensmitteleinkauf, beim Reifenflicken vom Fahrrad am Wochenende – und wir greifen allen sehr gerne unter die Arme.“ Ein umfassendes Paket zur Integration hat die Personalleiterin ausgearbeitet, um die Auszubildenden vom ersten Moment an zu integrieren. „Alle fünf sind großartig. Ja, wir haben einen Mehraufwand im Vorwege und vielleicht in den ersten sechs Wochen. Aber ab dem Zeitpunkt, wenn einheimische Azubis schon ihre Eigenarten im Betrieb zeigen, sind unsere internationalen Azubis anders davor. Sie legen hohen Wert auf Pünktlichkeit, sind so gut wie nie  krank, immens wissbegierig, sind die Besten in der Schule“, so Stephanie Fingerhut. Grund sei auch die bessere Basisqualifikation: Das Abitur aus Indonesien werde in Deutschland zwar nicht anerkannt, doch im Vergleich mit einem Ersten Allgemeinen Schulabschluss (ESA) seien die Indonesier ihren deutschen Klassenkameraden voraus.
Einmal wöchentlich gibt es digitalen Deutschunterricht bei Dachser, ausgerichtet auf Berufsschulfächer, die noch schwer fallen. Innerbetriebliche Nachhilfe ist selbstverständlich, sogar die Vermittlung von Sozialkompetenzen ist ein Angebot, und auch die Integration nach Feierabend ist allen Mitarbeitenden ein Anliegen. „Wir ermutigen sie, mit zum Fußballverein zu gehen und nicht nur gemeinsam in ihrer Community zu bleiben“, berichtet die HR-Managerin weiter. Sie ist überzeugt: „Von unseren Indonesiern bekommen wir nach dem Anfangsinvest so viel mehr zurück, als wir gegeben haben.“
Zu den 105 Mitarbeitenden bei Dachser in Neumünster zählen 25 Auszubildende, zum Beispiel zu Fachlageristen oder Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistung sowie zur Fachkraft für Lagerlogistik. Diese sehr hohe Quote möchte man halten, erläutert Stephanie Fingerhut. „Gezielt suchen wir deshalb über eine Agentur nach Fachkräften im Ausland, zum Beispiel in Asien, Marokko, Argentinien. Wir planen so, dass alle übernommen werden können, damit wir unsere Fachkräftelücke schließen.“ Weiterbildungen schulen das Personal anschließend intern weiter. Doch leider entscheiden sich immer noch zu viele junge Menschen für ein Studium. „Wir bekommen einfach zu wenige Bewerbungen aus der Region. Viele Jugendliche denken weiterhin, dass sie nur mit einem Studium Karriere machen können, aber die duale Ausbildung zeigt klar, dass die Praxis anders aussieht. Daher bin ich froh, dass viele Schulen besser in der Berufsorientierung werden, gerade hier in Neumünster.“
Angst davor, den falschen Beruf zu wählen, sei ein Hemmnis vieler Schüler. Gleichzeitig herrsche Unsicherheit darüber, welche Erwartungen Arbeitgeber an Schülerinnen und Schüler stellen und wie sie sich in der Berufswelt zu verhalten hätten. „Im Gegensatz zu vielen ausländischen Azubis fehlt unseren einheimischen die Selbstwirksamkeit. Daher planen wir auch, ganze Schulklassen in die Niederlassung zu holen und bewusst zu machen, wie die Arbeitswelt aussehen kann.“
Ihre indonesischen Auszubildenden sind für Stephanie Fingerhut ein Volltreffer, der aber nicht ohne Hürden zu meistern war – überbordende Bürokratie machte viele Schritte schwer. Beispiel Ausbildungsbeihilfe: „Alle meine Azubis haben dieselben Voraussetzungen. Für vier wurde die Beihilfe direkt abgelehnt, einer muss Belege nachreichen, . Da frage ich mich: Wie kann das sein? Ja, wir haben einen sehr guten Ansprechpartner bei der Agentur für Arbeit, doch die Vorgänge müssen verbessert werden.“ Ob die Beantragung von Zuschüssen, das richtige Startdatum für die Ausbildung in Kombination mit dem Visum, der finanzierte Deutschkurs vor Ausbildungsstart oder die Transparenz der Zuständigkeiten: ein praxisferner Bürokratieakt. Dabei möchte die HR-Managerin demnächst weitere Fachkräfte aus Indonesien, Marokko und aus Argentinien einstellen, zum Teil über das beschleunigte Fachkräfteverfahren. Ob alles reibungslos funktionieren wird? „Ich wünsche mir deutlich mehr Transparenz und eine lösungsorientierte Verwaltung“, betont Stephanie Fingerhut. „Nur dann können wir als Unternehmen – und das gilt für ganz Schleswig-Holstein – selbstständig die Fachkräftelücke schließen.“