Windkraftland Schleswig-Holstein

Growian und seine Erben

Bis auf einzelne Versuche hatte die Windkraft bis zur Ölkrise 1973 kaum Bedeutung. Danach begann man, über alternative Energien nachzudenken. Weltweit wurden Forschungsprogramme aufgelegt. Trotz vieler Rückschläge: Die Poniere erschlossen neue Perspektiven für die Energieversorgung. Schleswig-Holstein hat maßgeblich zum Erfolg der Windenergie beigetragen.
Außer idealen Klimabedingungen waren die Kenntnisse in maritimer Technologie und Landwirtschaft, das Know-how in Forschung und Entwicklung sowie die finanzielle Förderung wesentliche Wegbereiter. Selbst wenn andere Bundesländer mittlerweile größere Kapazitäten aufgebaut haben, sind die Erträge in Schleswig-Holstein durch den konstanten Wind höher, sodass das Land die Rolle der Windregion Nummer eins für sich beansprucht.
Erstmals wurden in Deutschland Ende der 70er-Jahre Flächen für Windparks und Einzelanlagen ausgewiesen, Kristallisationspunkte waren der Kaiser-Wilhelm-Koog, Husum und Fehmarn. Die Koordination lag bei der Windtest Kaiser-Wilhelm- Koog GmbH, dem heutigen Beratungsunternehmen GL Garrad Hassan Deutschland GmbH.
Mit Growian ging 1983 die damals weltgrößte Testanlage im Kaiser-Wilhelm-Koog in Betrieb - ein Großversuch von Bundesforschungsministerium und Konzernen. Growian scheiterte, da die riesige Anlage den Windkräften nicht standhielt. Im Windschatten des Giganten eröffneten Schleswag und HEW, das Land Schleswig-Holstein und umliegende Kommunen 1987 den ersten deutschen Forschungswindpark ("Windenergiepark Westküste"), wo sie rund 30 kleinere Windenergieanlagen (WEA) erprobten.
Aufbruchsstimmung ergriff das Land. Erste kommerzielle Anlagen gingen in Betrieb, neue Unternehmen entwickelten WEA. Die Husumer Schiffswerft setzte früh auf die Wirtschaftlichkeit der WEA als oberstes Ziel. Mit Vestas kam 1984 die erste Vertretung eines ausländischen Herstellers ins Land und die REpower Systems AG - aufgrund ihrer Geschichte als hiesiges Unternehmen wahrgenommen - entwickelte sich. Eine eigene Industrie mit Zulieferern und mit Aufträgen im In- und Ausland entstand.
Politische Debatten
In Schleswig-Holstein gibt es heute eine Vielzahl von Einzelanlagen und Windparks, die von Unternehmen, öffentlicher Hand oder Bürgern betrieben werden. Auffällig ist die Anzahl der Privatinitiativen.
Bereits beim Bau von Growian wurden Richtlinien für WEA erlassen. Diese wurden mit der Zeit verfeinert und umfassen heute etwa Bau, Leistung, Schall, Netzanbindung und Naturschutz. Die schleswig-holsteinischen Richtlinien waren bis 1991 in Deutschland wegweisend, dann traten jene des Bundes in den Vordergrund.
Die Akzeptanz von WEA ist eng mit den politischen Kontroversen in Schleswig-Holstein verbunden. Die Ölkrise gab den Anstoß, Proteste gegen den Bau der Atomreaktoren Whyl und Brokdorf sowie die Dauerbetriebsgenehmigung für das AKW Krümmel heizten die Debatte an. Die Regierung unter Björn Engholm befürwortete die Nutzung erneuerbarer Energien und das Bundesforschungsministerium erließ Richtlinien zur Förderung der Erprobung von WEA. Der parteiübergreifende politische Wille wie auch die Bereitstellung finanzieller Mittel bereiteten den Weg. So lässt sich das damals entstandene Investitionsgesetz gleichsam als Markteinführungsprogramm für WEA deuten.
Heute hat die Landesregierung sich das Ziel gesetzt, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben, und die Windenergie steht dabei auf Platz eins. 3.281 Megawatt installierte Leistung sind zurzeit allein an Windenergie onshore ans Netz angeschlossen (Stand: Ende 2012).
Hilke Ohrt
Veröffentlicht am 10. Februar 2014