Energie in Schleswig-Holstein

Wende mit Wasserstoff

Der verheißungsvolle Energieträger der Zukunft: Wasserstoff. Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein hat mit wegweisenden Projekten große Chancen, die Energiewende mitzugestalten. Denn Norddeutschland gilt als Hotspot der Wasserstoffszene.
Die direkte Lage am Meer ist eine ideale Voraussetzung für On- und Offshore-Windkraft, um grünen Wasserstoff emissionsfrei zu gewinnen. Auch Seehäfen profitieren vom Wasserstoff als Im- und Exportgut. Und die Wasserstoffstrategie der norddeutschen Bundesländer hat ambitionierte Ziele: Schon 2025 sollen mindestens 500 Megawatt Elektrolyseleistung installiert sein, bis 2030 soll die Leistung auf 5.000 Megawatt steigen. Forschungseinrichtungen, Betriebe und Start-ups arbeiten in Schleswig-Holstein und ganz Norddeutschland gemeinsam an Themen wie Sektorenkopplung, Elektrolyse und Dekarbonisierung. Einen Überblick über diese Aktivitäten bietet die Wasserstofflandkarte der IHK Nord - die Wirtschaft hat sich drei Projekte angesehen.
Dekarbonisierung
Als Unternehmen der Daseinsvorsorge und regionaler Verund Entsorger unterstützt der Zweckverband Ostholstein (ZVO) Klimaschutzziele mit Möglichkeiten zur Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff: “Unter anderem wird ein Klimaschutzkonzept erstellt, es werden Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt und es wird, soweit möglich, regenerative Energie erzeugt, um unseren Eigenbedarf zu decken”, sagt Holger Kroll, Leiter der Stabsstelle Nachhaltigkeit und Kreisläufe beim ZVO. Geplant ist die Erzeugung von grünem Wasserstoff am Müllheizkraftwerk in Neustadt. Der Wasserstoff steht zum CO2-neutralen Betrieb von 30 Abfallsammelfahrzeugen sowie zur Einspeisung ins regionale Erdgasnetz zur Verfügung. Das trägt zur Dekarbonisierung der gasförmigen Wärmeenergieträger bei.
Kroll: “Quelle der regenerativen Energien in Ostholstein sind im Wesentlichen Wind und Sonne. Somit ist die Stromproduktion an deren Verfügbarkeit gebunden. Im Gegensatz hierzu kann das Müllheizkraftwerk Neustadt mit etwa 7.000 Betriebsstunden pro Jahr die grüne Wasserstofferzeugung gewährleisten.” Damit dies wirtschaftlich gelinge, müsse regenerativer Strom zur Erzeugung von grünem Wasserstoff von Netzentgelten und der EEG-Umlage entlastet werden, betont Kroll. Innerhalb Ostholsteins koordiniert die Entwicklungsgesellschaft Ostholstein (EGOH) den stetig wachsenden Kreis von Interessenten und Akteuren rund um grünen Wasserstoff und unterstützt so die regionale Marktbildung und Wertschöpfung über den Kristallisationskern des ZVO hinaus.
Förderung gesucht?
In Kooperation mehrerer Ministerien wird derzeit unter Leitung des schleswig-holsteinischen Energiewendeministeriums sondiert, welche Maßnahmen schon auf Bundes- und EU-Ebene gefördert werden und welche sich auf Landesebene bereits im Rahmen vorhandener Richtlinien fördern lassen. Dabei steht in Schleswig-Holstein vor allem das Förderprogramm “Energiewende und Umweltinnovationen” (EUI) im Fokus, in dem neben der Entwicklung und Etablierung zukunftsorientierter Technologien und Verfahren mit besonderer Umweltrelevanz auch Investitionen in Anwendungen und Systeme, die in ihrer Wirkung über geltende Umweltstandards hinausgehen, gefördert werden können.
Industrieller Maßstab
Weiter im Norden will das Reallabor Westküste 100 aufzeigen, wie man vor allem Industrieunternehmen von fossilen auf grüne Energieträger umstellen kann. Im Fokus steht die Erzeugung von Wasserstoff aus Ökostrom im industriellen Maßstab, um H2 zu speichern, zu transportieren und einzusetzen: “Neben technischen Fragestellungen geht es auch um die Energiewendegesetze und um die Beteiligung der Bürger bei der Einführung von Wasserstofftechnologien”, sagt Projektinitiator Dirk Burmeister von der Entwicklungsagentur Region Heide. “Das Konsortium plant zudem die vollständige Dekarbonisierung eines Zementwerks, was ein weiteres Hochskalieren auf mehr als 700 Megawatt per Elektrolyse bedeutet.”
Zum Konsortium zählen - neben der Entwicklungsagentur - die Raffinerie Heide, hynamics (EDF Deutschland), Holcim, Open Grid Europe, Ørsted Deutschland, Thüga mit den Stadtwerken Heide, thyssenkrupp Industrial Solutions und die Fachhochschule Westküste mit dem Institut für die Transformation des Energiesystems. Da Reallabore eine neue Ausrichtung in der Förderpolitik des Bundes darstellten, verschiebe sich das klassische Transferkonzept „Hochschulen erfinden, Unternehmen setzen um“ in Richtung der Umsetzung, so Professor Dr. Michael Berger von der FH Westküste: “Die Aufgabe der FH besteht darin, über den Austausch innerhalb des Projektteams praktische und drängende Fragestellungen für die Forschung zu identifizieren und aus übergeordneter Perspektive zu bearbeiten.”
Förderwegweiser
Um künftig grünen Wasserstoff breiter und kostengünstiger zu nutzen, müssen innovative Lösungen und praxisnahe Anwendungen entwickelt und finanziert werden. Hier setzt der Wasserstoff-Förderwegweiser als Teil der Wasserstoffstrategie des Landes an: “Er bietet Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstituten bei der Suche nach passenden Förderprogrammen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene erste Orientierung und eröffnet den Zugang zu Fördermitteln für innovative Projektvorhaben”, so Annika Fischer, Leiterin der Landeskoordinierungsstelle Wasserstoffwirtschaft. Der Wasserstoff- Förderwegweiser Schleswig-Holstein wurde unter Federführung des Energiewendeministeriums in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH (WTSH) entwickelt.
Wasserstofflandkarte Norddeutschland
Norddeutschland ist Vorreiter in der Wasserstofftechnologie. Eine Karte der IHK Nord mit 50 verzeichneten Wasserstoffprojekten im Norden zeigt, wie ausgeprägt die Entwicklung des Rohstoffs als künftiger Energieträger bereits ist. Nach der Verabschiedung der Norddeutschen Wasserstoffstrategie im Jahr 2019, die fünf norddeutsche Bundesländer formulierten, hat die IHK Nord nun eine Übersicht der Unternehmen, Projekte und Initiativen veröffentlicht, die an der Wasserstofftechnologie arbeiten, um sie zur Marktreife zu führen. Viele Projekte haben einen regionalen und bundesländerübergreifenden Bezugsrahmen. Ausgehend von der großen Projektvielfalt und auch der Unterschiedlichkeit der norddeutschen Bundesländer in Größe und Wirtschaftskraft ergeben sich für norddeutsche Unternehmen viele Möglichkeiten für Synergien und Kooperationen.
“Förderfähige Maßnahmen reichen von der Wasserstofferzeugung über die Entwicklung der Wasserstoffnachfrage und die Wasserstoffforschung bis hin zur Wasserstoffinfrastruktur. Auch Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung, Machbarkeitsstudien und fokussierte Netzwerkaktivitäten gehören dazu”, sagt Fischer. Interessierte können sich jederzeit an die  Koordinierungsstelle  wenden, die dann im Schulterschluss mit der WTSH-Förderabteilung Möglichkeiten unterbreitet und den Prozess begleitet. Insbesondere sehe man Förderpotenzial in der Sektorenkopplung: “Sowohl industrielle Anwendungen als auch Anwendungen im Bereich der Mobilität rücken dabei in den Fokus.”
Julia Königs
Veröffentlicht am 27. Januar 2021