ESG: ein Ticket in die Zukunft

Steffen Dahnke ist Geschäftsführer der eviit GmbH in Ahrensburg und berät Unternehmen unter anderem bei der KI-gestützten ESG-Analyse. Ein Gastbeitrag.
Kennen Sie das? Sie sitzen entspannt beim Familienessen, und plötzlich fragt Ihre Nichte aus der Generation Z zwischen Kartoffelsalat und Schnitzel: „Sag mal, Onkel, wie hoch ist eigentlich der CO₂-Fußabdruck deiner Firma?“ Vor fünf Jahren hätten wir darüber gelächelt. Heute spüren viele von uns einen leichten Schweißausbruch. Denn diese Frage wird nicht mehr nur am Esstisch gestellt. Sie kommt von Banken, von Investoren, von den Fachkräften, die wir händeringend suchen, und immer lauter auch vom Gesetzgeber.
Was da auf uns zurollt, ist mehr als nur ein Trend. Es ist ein fundamentaler Wandel darin, wie wir unternehmerischen Erfolg definieren. Und im Zentrum dieses Wandels stehen drei magische Buchstaben: E-S-G. Vergessen Sie alles, was Sie über trockene Bürokratie zu wissen glaubten. Ich möchte Ihnen heute zeigen, dass ESG das wohl spannendste Abenteuer ist, vor dem der deutsche Mittelstand gerade steht.
Also, Butter bei die Fische: Was sind diese ESG-Daten eigentlich und warum sollte mich das kümmern?
Stellen wir uns für einen Moment vor, Ihr Unternehmen hätte einen Karmapunkt-Kontostand, der für jeden sichtbar ist. Nichts anderes sind ESG-Daten: die knallharten, messbaren Fakten hinter Ihrem guten Ruf.
E wie Environment (Umwelt): Das ist Ihr ökologischer Kontostand. Hier geht es nicht um Baum-Umarmungen, sondern um handfestes Risikomanagement. Wie viel Energie verbrauchen Sie wirklich? Wie abhängig sind Sie von fossilen Brennstoffen, deren Preise durch die Decke gehen? Und wie stark würde eine Flutkatastrophe Ihre Lieferkette lahmlegen? Wer hier blind fliegt, setzt die Existenz seines Unternehmens aufs Spiel.
S wie Social (Soziales): Das ist das Thermometer für Ihr Betriebsklima und Ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Sind Ihre Mitarbeiter glücklich und gesund? Fördern Sie Talente unabhängig von Geschlecht und Herkunft? Und können Sie garantieren, dass in Ihrer Lieferkette keine Kinderarbeit steckt? In Zeiten des Fachkräftemangels ist eine starke „S“-Performance Ihre beste Waffe. Die besten Leute wollen nicht nur Geld, sie wollen einen Sinn – und einen Arbeitgeber, mit dem sie sich identifizieren können.
G wie Governance (Unternehmensführung): Das ist der innere TÜV für faires und transparentes Handeln. Wie treffen Sie Entscheidungen? Wie sicher sind Sie vor Korruption? Eine saubere Governance ist das Fundament, auf dem Vertrauen wächst. Und Vertrauen ist die härteste Währung in unsicheren Zeiten.
„Schön und gut“, mögen Sie jetzt denken, „aber ich habe ein Unternehmen zu führen.“ Genau deshalb sollten Sie sich kümmern! Denn auf uns rollen gerade drei Schnellzüge zu, die man besser nicht ignoriert: Der Regulator-Express in Form der EU-Richtlinie CSRD, die transparente Berichte zur Pflicht macht. Der Kapital-ICE, denn Banken und Investoren geben ihr Geld lieber Unternehmen mit einem sauberen ESG-Profil. Und der Talent-TGV, denn die besten Köpfe steigen dort ein, wo sie nicht nur einen Job, sondern eine Mission finden. ESG ist kein „Kann man mal machen“, es ist das „Muss man jetzt machen“, um nicht auf dem Abstellgleis zu landen.
Klingt wichtig. Aber warum ist es so eine Herkulesaufgabe, an diese Daten zu kommen?
Wenn es so einfach wäre, würden es ja alle tun. Die Wahrheit ist: Die Jagd nach ESG-Daten ist eine digitale Schnitzeljagd im tiefsten Dschungel, bei der die Schatzkarte veraltet und in einer fremden Sprache geschrieben ist.
Das erste Ungeheuer, das im Dschungel lauert, ist das Silo-Monster. In den meisten Unternehmen sind die relevanten Daten in verschiedenen Abteilungen eingesperrt. Die Finanzabteilung hütet die Energiekosten wie einen Drachenschatz, die Personalabteilung ihre Excel-Tabellen zur Mitarbeiterfluktuation, und die Einkaufsabteilung hat irgendwo einen Ordner mit den Zertifikaten von Lieferanten. Diese Informationen zusammenzutragen, ist ein Akt purer Verzweiflung.
Hat man das Monster besiegt, trifft man auf die Hydra der Standards. Für jeden Standard, den man sich ansieht, scheinen zwei neue Akronyme nachzuwachsen: GRI, SASB, ESRS und so weiter. Sie alle wollen Ähnliches, aber fragen es anders ab. Das Ergebnis ist ein riesiges Wirrwarr, das Unternehmen lähmt und Vergleiche unmöglich macht.
Die größte Gefahr lauert jedoch im Sumpf der unstrukturierten Daten. Stellen Sie sich vor, über 80 Prozent aller relevanten Informationen auf der Welt sind keine Zahlen in einer Tabelle, sondern Text. Das Versprechen auf Seite 47 eines Nachhaltigkeitsberichts, die kritische Anmerkung in einem Zeitungsartikel, die Formulierung in einer E-Mail. Dieser Text-Tsunami ist der wahre Schatz an Informationen, aber manuell ist er nicht zu bewältigen. Es ist, als würde man versuchen, den Ozean mit einem Teelöffel leer zu schöpfen. Man wird müde, frustriert und hat am Ende doch nur einen Bruchteil erfasst.
Und wie soll ich das schaffen? Kommt jetzt die KI-Kavallerie?
Ja, genau die kommt. Und sie ist die beste Nachricht für den deutschen Mittelstand seit der Erfindung des Schraubenschlüssels. Künstliche Intelligenz (KI) ist kein Job-Killer-Roboter aus einem Science-Fiction-Film. Sie ist das mächtigste Werkzeug, das wir je hatten, um aus Komplexität und Chaos Klarheit zu schaffen.
Stellen Sie sich einen Super-Praktikanten vor, der niemals schläft, niemals müde wird und jede Sprache der Welt spricht. Genau das ist KI für ESG. Bei eviit trainieren wir unsere KI darauf, das zu tun, was kein Mensch jemals könnte: Sie liest und versteht hunderttausende Dokumente, Berichte und Nachrichtenartikel in Minuten. Sie fischt die entscheidenden ESG-Fakten aus dem Text-Tsunami heraus und ordnet sie sauber und strukturiert ein. Sie ist der Übersetzer für das Wirrwarr der Standards und der Schatzsucher für den Datendschungel.
Doch damit fängt die Magie erst an. Wenn wir die Daten haben, können wir sie zum Leben erwecken. Wir bei eviit nutzen sie nicht nur, um Berichte über die Vergangenheit zu schreiben. Unser EcoTwin – ein digitaler Zwilling Ihres Geschäfts-Ökosystems – nutzt sie, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Er kann simulieren, was passiert, wenn ein Hafen in Asien streikt oder eine neue Hitzewelle die Rohstoffpreise in Südamerika treibt. Er gibt Ihnen die Antworten auf Fragen, bevor Sie überhaupt wissen, dass Sie sie stellen müssen.
Das ist der Sprung vom passiven Verwalten zum aktiven Gestalten. KI nimmt dem Thema ESG seinen Schrecken und macht es zu dem, was es sein sollte: dem stärksten strategischen Werkzeug in Ihrem Arsenal. Es ermöglicht dem Mittelstand, auf Augenhöhe mit den globalen Konzernen zu agieren.
Die Zukunft gehört den Unternehmen, die nicht nur wissen, was sie wert sind, sondern auch, wofür sie stehen. Und KI ist das Werkzeug, um genau das zu beweisen. Packen wir es an!
Veröffentlicht: 22. Juli 2025