Geschichte der Windkraft

Keimzelle in Dithmarschen

Turmhöhen und Flügeldurchmesser von 100 Metern sind für Windkraftanlagen in der heutigen Zeit nicht unüblich. Bei der Errichtung von Growian (große Windanlage) im Kaiser-Wilhelm-Koog bei Marne sah das noch ganz anders aus. Nach der ersten Ölkrise von 1973 rückte die alternative Stromerzeugung in den Fokus.
Das Bundesforschungsministerium beschloss 1978 den Bau der größten Windkraftanlage der Welt - zu Testzwecken. Im Oktober 1983 ging der "zweiflügelige Leeläufer" in Betrieb. Auch wenn die Anlage nach wenigen Betriebsstunden vier Jahre später demontiert wurde, gilt Dithmarschen als Keimzelle der kommerziellen Windenergienutzung.
"Es war eine spannende Zeit", erinnert sich Hugo Denker, seinerzeit Filialdirektor der Commerzbank in Brunsbüttel. In dieser Funktion baute er die Finanzierung der Windenergie als lohnenswertes Kreditgeschäft beispielgebend für die gesamte deutsche Bankenlandschaft auf. Im November 1995 gründete der heutige Aufsichtsratschef zusammen mit Dr. Klaus-Detlef Wulf die Regenerative Energien Denker & Dr. Wulf KG. Die daraus entstandene Denker & Wulf AG gehört zu den führenden Windparkentwicklern.
Das schnelle Aus von Growian sollte die Geburtsstunde des ersten deutschen Windparks werden. Im November 1986 gründeten die Vorgängerunternehmen der HanseWerk AG und der Vattenfall Europe Windkraft GmbH mit der Entwicklungsgesellschaft Brunsbüttel mbH die Windenergiepark Westküste GmbH. Die Initiatoren konnten dabei auf die Infrastruktur im Kaiser-Wilhelm-Koog zurückgreifen. Fünf Monate nach dem ersten Rammstoß nahm Ministerpräsident Dr. Uwe Barschel den Windpark mit 30 Anlagen und 1.000 Kilowatt am 24. August 1987 in Betrieb und wünschte ihm "ständig kräftigen Wind von vorne".
Der Windpark, der auf einer Fläche von 20 Hektar mit Anlagen verschiedener Hersteller errichtet wurde, konnte die angestrebte Erzeugung von zwei Millionen Kilowattstunden schon im ersten Betriebsjahr überschreiten. Durch den regelmäßigen Austausch der Anlagen konnte man in den vergangenen drei Jahrzehnten grundlegende Kenntnisse über den Anschluss von Windkraftanlagen an ein regionales Stromnetz, Design und Materialverhalten erlangen. Im Jahr 2000 war der Park als technologische Keimzelle dezentrales Projekt der Weltausstellung Expo.
Jens Neumann
Veröffentlicht am 3. Februar 2017