Energiewende in Schleswig-Holstein

Rekorde und ehrgeizige Ziele

Das beängstigende Ausmaß der Reaktorkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011 hat zu einem Umdenken in energiepolitischen Fragestellungen geführt. Heute versteht sich Deutschland weltweit als Vorreiter für den Umbau eines nationalen Energiesystems. Auch - und gerade - in Schleswig-Holstein schreitet die Energiewende mit großen Schritten voran.
Die Herausforderungen sind allerdings nicht kleiner geworden. Auf dem Weg in eine saubere und sichere Zukunft ohne Atomenergie soll unsere Energieversorgung immer umweltfreundlicher werden, zugleich muss sie aber bezahlbar und verlässlich bleiben. Allen Akteuren war von Anfang an bewusst, dass dies infrastrukturelle Veränderungen, aber zugleich auch Chancen mit sich bringt.
Tatsächlich wurde bisher einiges bewegt. Nach den ersten vorläufigen Angaben der AG Energiebilanzen e. V. ist der Anteil der regenerativen Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland 2014 auf voraussichtlich 25,8 Prozent gestiegen (Vorjahr: 24,1 Prozent). Es folgen Braunkohle mit einem Anteil von 25,6 Prozent, Steinkohle mit 18 Prozent sowie Kernenergie mit 15,9 Prozent. Die Erneuerbaren haben damit erstmals den größten Anteil am Energiemix. Dieser erfreuliche Anstieg kam vor allem durch den weiteren Zu- und Ausbau von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (EE-Anlagen), aber auch durch das günstige Wetter zustande. Ebenfalls zu berücksichtigen ist der Rückgang der Bruttostromerzeugung auf 610,4 Milliarden Kilowattstunden (2013: 633,2). Der Gesamtanteil der erneuerbaren Energieträger am Bruttostromverbrauch lag in 2014 sogar bei 27,3 Prozent.
Ländervergleich
In Schleswig-Holstein ist es zumindest rechnerisch 2014 erstmals gelungen, den eigenen Stromverbrauch allein aus Sonne, Wind und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. Die Rekordmeldung der Schleswig-Holstein Netz AG zur installierten Leistung von 6.000 Megawatt bei den EE-Anlagen und die unter anderem vom Bundesverband Windenergie publizierten Ausbauzahlen dokumentieren die Größe der schleswig-holsteinischen Schrittweite. Das bisherige, konsequente Umsetzen der eigenen Energiewendestrategie hat sicher einiges dazu beigetragen. Dies bestätigt nicht zuletzt die Veröffentlichung des Bundesländervergleichs der Agentur für Erneuerbare Energien. In der Kategorie "Bewertung der Landespolitik zur Nutzung der Erneuerbaren Energien" belegt das nördlichste Bundesland Platz eins vor Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.
Der Ländervergleich legt aber auch offen, wo bei Land und Bund Handlungsbedarf besteht. Dies zeigt auch der Fortschrittsbericht zur Energiewende, der besagt, inwieweit die im Energiekonzept 2010 genannten Ziele erreicht werden. Darüber hinaus benennt er weitere Maßnahmen zur Zielerreichung in verschiedenen Bereichen.
Allgemein wird die Schrittweite kleiner, sobald es um den technologischen und wirtschaftlichen Wandel geht. Greifbare Resultate durch die erwarteten Modernisierungsschübe sowie die Entwicklung innovativer Technologien im Bereich erneuerbarer Energien und Energieeffizienz sind aktuell eher kosmetischer Natur.
Wärmewende
Nach dem Umbau der Energieerzeugungsund der Infrastruktur soll ab 2015 eine "zweite Säule" deutlich mehr in den Fokus rücken. Basierend auf dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) soll der weitere Umbau der Energieversorgung ökonomisch, ökologisch, sozial und gesellschaftlich sinnvoll begleitet werden. Wirtschaftlich einsetzbare Effizienztechnologien gelten schon heute als verfügbar. In allen Sektoren können bereits mit vorhandenen Technologien der Energieverbrauch deutlich vermindert und so die Kosten gesenkt werden. Nach dem Wunsch der Bundesregierung können und sollen sie zum Impulsgeber für Innovation, Wachstum und Beschäftigung werden. Hocheffiziente Kraftwerke, Spitzentechnologie in der Windkraft, die IT-basierte Steuerung einer komplexen Stromversorgung, Smart Grid und Smart Meter, moderne Übertragungstechnologien sowie Speicher werden bereits heute weltweit für eine moderne Energieversorgung nachgefragt. Neue Geschäftsmodelle, etwa für Lastmanagement und Energieeffizienz, gehen damit einher.
Die Landesregierung Schleswig-Holsteins geht nun die nächsten Schritte Richtung "Wärmewende". Das ist konsequent, denn über die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland wird durch Wärmeanwendungen verursacht. Dazu tragen erneuerbare Energien aktuell knapp zwölf Prozent bei. Beim Strom sind es, wie beschrieben, bereits über 27 Prozent. Dass mehr möglich ist, zeigt ein Blick nach Dänemark, wo dieser Anteil durch einen Umbau über kommunale Wärmeplanung und den Ausbau leitungsgebundener Wärmenetze bereits heute bei 45 Prozent liegt.
In allen Bereichen ergeben sich neue Herausforderungen für die Gestaltung der Rahmenbedingungen von Märkten sowie die Anpassung notwendiger Infrastruktur. Die rechtlichen und regulatorischen Grundlagen müssen dem gerecht werden und den Transformationsprozess intelligent steuern. Unabhängig von der Bewertung einzelner Schritte ist ein hohes Maß an Kontinuität und Konsistenz die Basis für zukunftsorientiertes, nachhaltiges und auch unternehmerisches Handeln. Nur so kann Planungs- und Investitionssicherheit für alle Akteure erreicht werden.
Stefan Sievers
Veröffentlicht am 9. Februar 2015