Dokumentationspflichten

Zu viel Bürokratie ist ungesund

Sie ist der größte Arbeitgeber Schleswig-Holsteins: die Gesundheitswirtschaft. Mit einem Wertschöpfungsanteil von 15 Prozent an der Gesamtwirtschaft ist sie im bundesweiten Vergleich auf Platz eins. Überraschend wenig Gehör findet ihr Hilferuf zur überbordenden Bürokratie.
Kaum eine Branche ist so stark reguliert wie das Gesundheitswesen. Ob Kliniken, Apotheken, Sanitätshäuser, Pflegeeinrichtungen, Physiopraxen, Pharma- oder Medizinproduktehersteller - sie alle kämpfen gegen eine überbordende Bürokratie an. So müssen Ärzte und Pflegekräfte in Akutkliniken seit Einführung der Fallpauschalen jede einzelne Tätigkeit für die Krankenkassen dokumentieren.
Dies führt im Durchschnitt zu einer täglichen Dokumentationslast von bis zu vier Stunden im ärztlichen Dienst und knapp drei Stunden in der Pflege. Besonders juristische Unsicherheiten führen zu einer Mehrdokumentation, um auf alle Rechtsstreitigkeiten vorbereitet zu sein. Angesichts der zunehmenden Multimorbidität und des Fachkräftemangels in der Pflege sind derart zeitintensive Dokumentationsverpflichtungen eine besorgniserregende Entwicklung. Nicht minder hoch ist die bürokratische Belastung an der Nahtstelle zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich.

Unterlagen in Papierform

Die Dokumentationspflicht wächst auch in Sanitätshäusern. Ihre Kompetenzen in den Bereichen Hilfsmittelversorgung, Reha- und Orthopädietechnik sind insbesondere bei Senioren, chronisch Erkrankten und Reha-Patienten gefragt. Für das Abrechnen von Hilfsmitteln fordern die Krankenkassen allerdings zahlreiche Zusatzdokumente.
Einheitliche Dokumentationsstandards fehlen. Weicht die Reihenfolge der eingereichten Dokumente etwa von der vorgegebenen Sortierung ab, lehnen Krankenkassen die Zahlung ab. Obwohl den Krankenkassen durch den elektronischen Kostenvoranschlag abrechnungsrelevante Daten der Sanitätshäuser digital vorliegen, sind für die Leistungsabrechnung alle Unterlagen in Papierform einzureichen, was auf beiden Seiten einen immensen Aufwand bedeutet.
Unabhängig vom Versorgungsbereich binden Dokumentationen die teils ohnehin knappen personellen Kapazitäten, kosten wertvolle Zeit und führen zu Effizienzverlusten sowie Planungsunsicherheiten. Dokumentationen sind zwar unerlässlich für Transparenz, Qualitätskontrolle und den effizienten Umgang mit Krankenkassengeldern. Bedenklich wird es jedoch, wenn die administrativen Aufgaben den Blick auf das Wesentliche verstellen: die Betreuung und Versorgung der Patienten.
Weniger Bürokratie bringt aber nicht nur Unternehmen Zeit- und Kostenersparnisse, sondern auch den Verwaltungen. Als Vermittler zwischen Wirtschaft und Politik sucht die IHK im Dialog mit der Politik schlanke und praktikable Lösungen, um sinnlose bürokratische Hürden abzubauen. Haben Sie konkrete Beispiele für bürokratische Belastungen? Melden Sie sich bei uns.
Thomas Jansen
Veröffentlicht am 4. Juni 2020