Kleine Welt

Statements zum Thema:
Kleine Welt – Exportregion Rheinhessen

Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen IHK in Paris

Herr Brandmaier, welche Chancen bietet Frankreich für rheinhessische Unternehmen?
Deutschland ist für Frankreich bereits seit einigen Jahren der wichtigste Handelspartner, Lieferant und Absatzmarkt – weit vor Italien, England oder anderen europäischen Nachbarstaaten. Das allein zeigt die Attraktivität. Das Handelsvolumen 2022 lag bei 186 Milliarden Euro, 116 Milliarden davon waren Exporte aus Deutschland nach Frankreich. Die Anziehungskraft hat drei Gründe: zum einen die Marktgröße als Flächenstaat mit der zweitgrößten Volkswirtschaft in Europa. Zum anderen finden deutsche Unternehmen viele gut ausgebildete Fachkräfte. Und schließlich: die räumliche Nähe. Zudem hat Frankreich sehr viel getan, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu werden, etwa durch Senkungen bei Körperschafts- und Produktionssteuern, einer Liberalisierung des Arbeitsrechts sowie Investitionen in Bildung.
Was sind die Risiken?
Prinzipiell stehen wir in Frankreich vor ähnlichen Herausforderungen wie in Deutschland. Auch hier sind aufgrund von Inflation und Zinserhöhung die Energie und der Lohn teurer geworden. Relativ gesehen hat Frankreich sich allerdings gut geschlagen und etwa bei den Energiekosten Vorteile gegenüber Deutschland. Die über Jahre hinweg hohe Arbeitslosigkeit konnte nachhaltig gesenkt werden.
Wie sind die Perspektiven?
Sehr positiv. Neben den genannten Reformen gibt es Steuervorteile für Forschungsund Entwicklungskosten, die dafür sorgen werden, dass Frankreich attraktiv bleibt. Das Land nimmt selbst sehr viel Geld in die Hand, um die Transformation der Wirtschaft voranzubringen. Das Ganze ist unterlegt mit einer Strategie zur  Deindustrialisierung, um Produktionsstandorte nach Frankreich zurückzuholen, gepaart mit der Arbeit an der Wettbewerbsfähigkeit, mit einer Pro-Business-Haltung der gesamten Regierung. Das kommt gut an bei den französischen Unternehmen und den deutschen Filialen, mit denen wir sprechen. Mit „Frankreich 2030“ hat die Regierung ein  Investitionsprogramm vor allem für die Schlüsseltechnologien Energie, Automobil, Luftfahrt und sogar Raumfahrt aufgelegt, um durch technologische Innovation Digitalisierung und die Transformation der Industrie voranzutreiben. Dies bietet auch für deutsche Unternehmen viele neue Markt- und Investitionschancen.

Katharina Felgenhauer, Geschäftsführerin der Deutschen IHK in Marokko, Casablanca

Frau Felgenhauer, welche Chancen bietet Marokko für rheinhessische Unternehmen?
Als Wachstumsmarkt mit einer aufstrebenden Wirtschaft in Nordafrika bietet der Zielmarkt Marokko vielfältige Chancen und Perspektiven. Die geografische Nähe ermöglicht effiziente Logistik, während das stabile Wirtschaftswachstum und umfangreiche Reformen attraktive Investitionsmöglichkeiten schaffen. Die historisch engen und derzeit hervorragenden bilateralen Beziehungen erleichtern Geschäftsaktivitäten erheblich. Branchen wie erneuerbare Energien, Landwirtschaft und Tourismus bieten Nischen für rheinhessische Unternehmen, um ihre Expertise erfolgreich einzubringen.
Was sind die Risiken? Kulturelle Unterschiede in der lokalen Geschäftskultur Hinzu kommen wirtschaftliche Unsicherheiten vor Ort und der intensive Wettbewerb. Eine gründliche Risikoanalyse ist besonders wichtig, um mögliche Infrastrukturprobleme frühzeitig zu identifizieren. Auch die Auswahl und Zusammenarbeit mit lokalen  Partnern kann entscheidend für den Erfolg sein. Die Gründung eines Unternehmens in Marokko erfordert daher Sorgfalt, Vorbereitung und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Eine frühzeitige Planung ist entscheidend. Unternehmen sollten den Markt sorgfältig analysieren und einen soliden Geschäftsplan erstellen, der potenzielle Risiken berücksichtigt. Es ist entscheidend, dass sie sich mit den marokkanischen Vorschriften und Gesetzen vertraut machen und sich rechtlich beraten lassen.
Wie sind die Perspektiven? Die Perspektiven für Marokko sind vielversprechend - viele Entwicklungen deuten darauf hin, dass Marokko auf einem Weg des nachhaltigen Wachstums ist. Dazu gehört die verbesserte Wasser- und Energieversorgung, die die landwirtschaftliche Produktion steigert und den Export von Agrarprodukten fördert. Durch die Förderung von nachhaltigem Tourismus und die kontinuierliche Entwicklung der Infrastruktur können sich attraktive Geschäftskonzepte entfalten. Ein weiterer positiver Aspekt liegt in der verstärkten Förderung der Berufsbildung auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Ebene. Dies ermöglicht eine qualifizierte Ausbildung, wodurch Fachkräfte mit praktischer Zusatzausbildung schnell einsatzbereit sind.

Marko Walde, Geschäftsführer AHK Vietnam und Delegierter der deutschen Wirtschaft in Vietnam, Myanmar, Kambodscha und Laos

Welche Chancen bietet Vietnam für rheinhessische Unternehmen?
Die Chance, in Südostasien den Markteinstieg zu schaffen. Zehn Länder sind hier politisch zum Asean-Verbund sowie zum Wirtschaftsverbund Asean Economic Community vereinigt. Davon verfügen nur zwei zugleich über TPP11 mit Nordamerika sowie auch mit der EU über Freihandelsabkommen – Singapur und Vietnam. Das macht den Markt Vietnam für Handel und Investition sehr interessant. 130.000 Vietnamesen leben in Deutschland, 100.000 in Deutschland ausgebildete Menschen sind zurück in Vietnam. So ist ein breites, tiefgehendes deutsch-vietnamesisches Verhältnis entstanden. Auch als deutsche Firma kann man zu 100 Prozent seine Anteile halten,
während etwa in China ein Joint-Venture-Zwang besteht. Vietnam ist ein großer Markt mit 100 Millionen Menschen und vielen Nachholeffekten. Die Bevölkerungsstruktur ist gesund, das Durchschnittsalter beträgt 31 Jahre. Das Wirtschaftswachstum ist mit fünf bis sieben Prozent sehr dynamisch. Wer über die „China plus eins“-Strategie in Asien diversifiziert, kommt ganz überwiegend nach Vietnam. Die Gesundheitswirtschaft ist eine Branche mit großem Potenzial, im Maschinen- und Anlagenbau besteht großer Investitionsbedarf.
Was sind die Risiken?
Vietnam ist ein Land mit mittlerem Einkommen und hat immer noch Herausforderungen im Bereich Infrastruktur. In der Logistik muss man genau schauen, mit welchen Partnern man agiert. Es bestehen auch noch Reserven im Bereich Energieinfrastruktur. Hier sollte man sich Back-up-Lösungen anschauen. Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht das weitgehende Fehlen erneuerbarer Energiequellen. Gerade deutsche Unternehmen geraten hier immens unter Druck, mit möglichst nachhaltigen Energiequellen zu produzieren. Diese Fragen stellen uns auch potenzielle deutsche Investoren sehr schnell. Hier muss Vietnam schnell aufholen, insbesondere bei Offshore-Windkraft und Solarenergie. Die natürlichen Voraussetzungen sind gut.
Wie sind die Perspektiven?
Besonders im Bereich Erneuerbare Energie werden in Zukunft große Perspektiven geboten. Voraussetzung ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Die ersten Investoren führen aktuell Windmessungen und ähnlich vorbereitende Handlungen durch. Alles, was zur Erschließung des Landes dient, bietet Perspektiven – der
Konsumgüterbereich, die junge, wachsende Bevölkerung, die große IT-Affinität. Jeder, der hier Lösungen anbieten kann, ist hoch willkommen. Der Maschinen- und Anlagenbau wird stark nachgefragt. Wir haben einen deutlichen Wandel hin zur modernen Industrie. Auch nachhaltige HR-Beratung, strategische Personalentwicklung, all diese Dienstleister haben hier ein gutes Feld für die nächsten Jahre.

Sven Thorsten Potthoff, CEO der Deutschen Auslandshandelskammer USA in San Francisco

Welche Chancen bieten die USA für rheinhessische Unternehmen?
Die USA sind für deutsche Unternehmen ein zentraler Handelspartner – nicht nur im Exportgeschäft, sondern auch als Standort für Investitionen. 2022 lagen sie mit einem Anteil von 19,8 Prozent an der Spitze des EU-Exportvolumens. Mit der Einführung des „Inflation Reduction Acts“ hat sich die Attraktivität des Marktes weiter verstärkt: Das riesige Subventionsprogramm für grüne Technologien öffnet Türen für deutsche Unternehmen, die in nachhaltige Lösungen investieren wollen. Auch mittelständische Betriebe und Start-ups finden hier ideale Bedingungen: Günstige Energie, steuerliche Vorteile und die strategische Lage der USA machen den Markt zu einer Top-Adresse für Innovation und Absatz. Das Silicon Valley bleibt das weltweit führende Innovationsökosystem, mit bis zu 60.000 Start-ups und mehr als 50 Prozent der globalen KI-Investitionen.
Was sind die Risiken?
In einer Umgebung wie dem Silicon Valley, das von rasanter Investition geprägt ist, ist es für deutsche Unternehmen umso wichtiger, zu visionären Foresight Thinkern zu werden. Wer sich nicht aktiv mit Trends und Entwicklungen auseinandersetzt, läuft Gefahr, den Anschluss zu verpassen. Es geht darum, nicht nur aktuelle Technologien zu beherrschen, sondern auch die Innovationskraft kontinuierlich zu stärken und so mit der Geschwindigkeit und Dynamik des Marktes Schritt zu halten. Wer bei der Expansion in die USA nicht kundenzentriert genug denkt, läuft Gefahr, nicht den richtigen Product-Market-Fit zu finden.
Wie sind die Perspektiven?
Kalifornien ist führend im Klimaschutz und treibt die Elektrifizierung konsequent voran – eine Chance für deutsche Unternehmen, sich zu positionieren. Das Ziel: ein CO2-neutraler Bundesstaat bis 2045. Insbesondere in den Bereichen Offshore-Wind, grüner Wasserstoff – unterstützt durch massive Investitionen der Biden-Administration in regionale Clean Hydrogen Hubs – und emissionsfreie Mobilität eröffnen sich hier weitreichende Möglichkeiten. Benötigte Technologien für Kreislaufwirtschaft und Kohlenstoffreduktion bieten dabei eine Chance für deutsche Unternehmen. Sie können auch die Dynamik der KI-Entwicklung erleben und aktiv daran teilhaben, neue Geschäftsmodelle entdecken und an KI-gestützten Produkten mitwirken. Konzepte wie Futures Literacy und Foresight Thinking, die hier im Mindset fest verankert sind, bieten wertvolle Werkzeuge. Hier gilt es, Megatrends frühzeitig zu erkennen, Marktveränderungen zu antizipieren und sich strategisch auf künftige Entwicklungen vorzubereiten.
Quelle: Report – Ausgabe Januar/Februar/März 2024
Bingen, Mainzer Straße 136
Telefon: 06721 9141-0
Mainz, Schillerplatz 7
Telefon: 06131 262-0
Worms, Rathenaustraße 20
Telefon: 06241 9117-3