„Nachfolge hat keinen Stichtag“

Seit 30 Jahren gibt es die Wormser Rowe Mineralölwerk GmbH. Seit vorigem Jahr hat Dr. Alexandra Kohlmann in zweiter Generation die Leitung des Familienunternehmens von ihrem Vater Michael Zehe übernommen – nach lange geplanter und geduldig umgesetzter Übergabephase. Darauf war die Betriebswirtin gleich doppelt vorbereitet – als Gründer-Tochter und nach ihrer Promotion zum Thema Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen.
„Ich habe für den eigenen Ernstfall geprobt“, muss Kohlmann schmunzeln. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit konnte sie nachvollziehen, woran es so oft bei Betriebs-übergaben hapert. „Die Inhaber machen sich oft zu spät Gedanken, haben mit dem Loslassen Schwierigkeiten“, hat sie beobachtet. „Ein Unternehmen gegründet zu haben, hat wohl einen ähnlichen psychologischen Effekt wie Kinder zu haben. Und die Auseinandersetzung mit dem Ende der beruflichen Laufbahn beinhaltet auch, sich mit Alter und Lebensende zu befassen. Das macht nicht jeder gern.“
Zudem hätten Unternehmer oft ein „Macher- und Schaffer-Gen“ und sähen in ihrem Unternehmen den einzigen Lebensinhalt. „Daher ist es besonders wichtig, einen Plan zu haben, was man danach macht.“ An ihrem Vater sieht sie das – er lebt eine weitere Leidenschaft nun auf dem eigenen Weingut daheim in Flörsheim-Dalsheim aus, kümmert sich um das unternehmensinterne Nischen-Thema kommunale Wasseraufbereitung und wirkt in einem von Externen besetzten Beirat mit. Der operative Rückzug ist ein vollständiger, wie seine Tochter versichert.
Die Rowe-Gruppe umfasst zwölf Unternehmen und beschäftigt 300 Mitarbeiter in Deutschland und 50 weitere weltweit. Produktionsstandorte im Inland sind Worms und Bubenheim, die internationalen Vertriebsgesellschaften sitzen in Hackensack (USA), Peking (China), Kempton Park (Südafrika), Bukarest (Rumänien) und Sofia (Bulgarien). Rowe setzte voriges Jahr 155 Millionen Euro um. „Der Schmierstoff-Bedarf in Deutschland liegt bei 928 Millionen Litern pro Jahr“, teilt das Unternehmen mit, „Rowe produziert 46 Millionen Liter. Jedes zehnte Auto in Deutschland fährt mit Rowe-Schmierstoffen.“ Damit zähle man zu den Top-Fünf der Hersteller im Inland.
Eigenes Motorsportteam für Rowe am Start
Hochwertige Schmierstoffe und Kühlmittel „Made in Germany“ sind das Markencredo. Das Sortiment umfasst konventionelle und nachhaltige Motoren-, Getriebe- und Hydrauliköle, Industrieschmierstoffe, Kraftstoff-additive sowie Kühler- und Scheibenfrostschutz. Die Produkte sind in über 80 Ländern verfügbar. Die Unternehmensgruppe ist auch in den Bereichen Maschinenbau, Abwasseraufbereitung und Motorsport tätig. Neben der Sportförderung steht mit Rowe Racing ein eigenes Motorsportteam vor allem im Bereich Endurance Racing.
Mit ihrer Amtsübernahme hat Kohlmann eine neue Strategie für 2034 ausgerufen. „Profitables Wachstum entlang des Kerngeschäfts“ lautet die Marschroute. Mobilität wird immer facettenreicher, das Produktportfolio soll mitziehen, andere Märkte erschließen und auch internationales Wachstum ermöglichen. Zudem soll das Dienstleistungsgeschäft gestärkt werden. „Und mir ist ein nachhaltiges Produktportfolio wichtig.“ Klimaneutralität in der Produktion ist ein Ziel, mit klar definiertem Zeitpunkt.
Die Führung hat Kohlmann gemeinsam mit Stefan Wermter als Doppelspitze übernommen, mit klar abgegrenzten Zuständigkeiten. Schon 2016 ist sie in die Geschäftsleitung eingestiegen, acht Jahre lang waren Vater und Tochter gemeinsame Geschäftsführer. Sie rief in dieser Zeit mit der Rechts- und Personalabteilungen eigene, neue Bereiche ins Leben. Zudem war lange abgesprochen, dass Kohlmanns Beitritt zur Unternehmensleitung mit einem Erweiterungsschritt einher ging. So war direkt eigener Gestaltungsspielraum für die Zukunft da.
Auch Wermter ist seit mehr als zwei Jahrzehnten an Bord, die Staffelübergabe also eine vollständig interne. Als 28-Jähriger eingestiegen, arbeitete er sich nach einer kaufmännischen Ausbildung vom Vertriebsmitarbeiter über den nebenberuflichen Fachwirt zum Bereichsleiter Produktmanagement, Geschäftsleiter und Prokurist hoch. Ein Musterbeispiel, was duale Ausbildung und durchlässiges Bildungssystem alles ermöglichen.
Sogar in der Familie des Rowe-Gründers wurde während der Übergabe von Zeit zu Zeit ein externer Mediator hinzugezogen. Coaches und Berater seien für solche Prozesse essenziell, sagt Kohlmann. Frühzeitig überhaupt über das Thema zu sprechen, ist vielfach ein großes Hemmnis, und die Kommunikation ist oft konfliktbehaftet. „Dabei ist diese Kommunikation essenziell. Man muss das Mindset verändern. Nachfolge hat keinen Stichtag, sondern ist ein fortwährender Prozess. Man sollte in der Unternehmerfamilie offen und ohne Druck darüber sprechen.“
TORBEN SCHRÖDER, FREIER JOURNALIST

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