Das sagt der Experte
Jörg Funder, Professor für Unternehmensführung im Handel und Geschäftsführender Direktor vom IIHD Institut in Mainz und Worms, spricht über ...
… den Online-Handel als Bedrohung für den Einzelhandel: „Das ist eine Schutzbehauptung, um sich nicht bewegen zu müssen. Der Online-Handel ist gekommen, um zu bleiben. Das wissen wir seit 20 Jahren. Er macht über alle Kategorien hinweg aber unter 20 Prozent des gesamten Einzelhandels aus und ist daher keine pauschale Gefährdung – ganz im Gegenteil. Nach Corona steigt die Zahl der Menschen, die wiederholt die Innenstädte besuchen. Dort werden die Einkaufsbedürfnisse der Konsumenten befriedigt.“
… die Chancen für den Einzelhandel: „Das Konzept des Einzelhandels muss man überdenken, Geschäftsmodelle anpassen, ehemals historische Stärken wiederfinden – also Kundenorientierung und Einkaufserlebnis. Es ist ein Denkfehler zu sagen, ich muss genau das tun, was die anderen auch machen. Gerade Online-Handel über eine eigene Plattform rechnet sich für viele kleine und mittelständische Händler kaum. Die Kosten, um Traffic zu generieren, sind viel zu hoch. Auch sich Plattformen anzuschließen, lässt durch Kosten und Abgaben oft zu wenig Ertrag. Viel wichtiger ist, die Kundenbeziehungen zu stärken.“
… die größten Versäumnisse: „Da gibt es ganz viele. Innenstädte leben von der konzertierten Aktion aller Innenstadtakteure. Händler sind historisch stark kostengetrieben. Die Kosten wurden immer weiter gesenkt, oft durch Mitarbeiterentlassungen oder standardisierte Sortimente. So finden die Kunden noch weniger Gründe zu kommen. Übertriebenes Effizienzdenken war für viele Händler das Aus, ebenso wie fehlende Anpassung, Innovationskraft und neue Formate.“
… die kritischsten Branchen: „Textil und Elektronik stehen besonders unter Druck. Bei Elektronik sind die Margen so schmal, dass es nur noch wenige Player gibt. Bei Textil gibt es eine Überversorgung mit viel zu viel Einkaufsfläche und Artikeln in den Innenstädten. Neue Konzepte wie Shein, diese Innovationskraft haben wir verpasst. In einem Geschäftsfeld, das sich seit Jahrzehnten im Strukturwandel befindet, ist ein Weiter-so selten eine gute Lösung.“
… kluge Ansiedlungspolitik: „Einzelhandelskonzepte dienen häufig dem Schutz der Innenstadt. Es sollten Anreize gesetzt werden, dass sich Quartiere mit Profil weiterentwickeln, Leerstände mit Wirtschaftsförderung besetzt, Programme initiiert und unterstützt werden. Städtebauliche Konzepte zur Aufwertung von Aufenthalts-qualität und Erreichbarkeit sind wichtig. Stattdessen wurde eine Monofunktionalität der Innenstädte etabliert und eine Schutzglocke darübergestülpt. Damit wurden Kaufen und Gastro konserviert, was aber nicht mehr zeitgemäß ist. Städte waren immer auch soziale und kulturelle Standorte, mit Wohnen und Arbeiten. Wir brauchen gänzlich neue Stadtkonzepte.“
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