„Im Internet suchen, im Laden kaufen“

Handelsdialog Rheinhessen heißt das neue Veranstaltungsformat, mit dem die IHK Themen aufgreift, die den Handel bewegen. Zum Start Anfang Oktober ging es darum, die Sozialen Medien möglichst effektiv zu nutzen, um Kunden und Fachkräfte zu gewinnen.

Wo finde ich Kunden

„Das Geheimrezept gibt es nicht“, sagt Theresa Bois von der Kommunikationsagentur shapefruit (Bad Neuenahr-Ahrweiler), eine der Referentinnen beim Handelsdialog im großen Saal der IHK in Mainz. „Um via Social Media Kunden zu generieren, muss zunächst die Ziel-gruppe definiert werden. Und ich muss mir überlegen, wie ich mich präsentieren möchte, welche Möglichkeiten ich habe, auf welchen Kanälen meine Zielgruppe aktiv ist.“
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© Theresa Bois
Drei von vier Deutschen sind in den sozialen Medien aktiv und verbringen dort im Schnitt rund 100 Minuten täglich, auf einer Handvoll unterschiedlicher Plattformen, wie Bois ausführt. Facebook habe bei den über 30-Jährigen die größte Reichweite und eigne sich, um lokale Sichtbarkeit zu erzeugen und Events zu bewerben. Pinterest versammele eine überwiegend weibliche Zielgruppe mit Hang zu Mode, Wohnen und Do-it-yourself-Themen. „Authentisch und unterhaltsam“ lautet das Credo für Kurzvideos auf Tiktok, stellt Bois fest. Instagram sei für visuelle Kommunikation zu Mode oder Life-style ideal. Und wer sich im Bereich B2B positionieren, Personal rekrutieren oder netzwerken will, sollte bei Linkedin aktiv sein.
Bois empfiehlt eine Multikanal-Strategie. Und, mehrmals die Woche präsent zu sein. „Man sollte auf hochwertigen Content setzen, der zur Marke passt“, sagt die Expertin für Online-Marketing. Sich selbst und stetig neue Produkte zu zeigen sowie mit den Nutzern zu interagieren, sieht sie als essenziell an, um Social Media auch wirksam zu nutzen. Ganz wichtig dabei: lokal denken. „Früher war das Ziel, möglichst viele Follower zu gewinnen. In der heutigen Zeit der Reizüberflutung suchen die User sich die Marken aus, die ihnen einen Mehrwert im Alltag versprechen.“ Ihr Vorschlag: „Die Unternehmen sollten Aufmerksamkeit generieren, ins Gedächtnis der User kommen, sich in der Region etablieren.“
Das Ziel erfolgreicher Online-Aktionen für Einzelhändler nennt sich „Ropo-Effekt“: Research Online, Purchase Offline – also im Internet suchen und dann im Laden kaufen, mithin User ins Geschäft locken. „Natürlich steckt da einiges an Arbeit hinter“, sagt Bois. „Aber mit ein bisschen Vorbereitung ist es mit ein, zwei Stunden pro Woche getan.“ Zeit könne man sparen, wenn man Vorlagen und KI nutzt. „Wenn man es richtig angeht, ist diese Art des Marketings Erfolg versprechend.“ Die weiteren Vorteile: „Man sieht schnell, ob die Kampagne funktioniert, und bis auf die Investition an Zeit ist es erst einmal weitgehend kostenlos.“
Die Tipps der Expertin: sich so präsentieren, dass man bei Such-anfragen wie „Fitnessstudio in Mainz“ mit Adresse zu finden ist, gegebenenfalls Influencer für Kooperationsbeiträge nutzen – und aktuelle Trends aufgreifen. „Wichtig ist dabei: Nur Sachen machen, die zu mir passen.“ Und: „Finger weg vom Follower-Kauf! Viel wertvoller ist eine langfristig aufgebaute Community.“

So finde ich Fachkräfte

Nicht nur für das Gewinnen von Kunden, auch für die gezielte Suche nach Fachkräften bieten die Sozialen Medien für Händlerinnen und Händler eine Reihe von Möglichkeiten, wie Anne Liesenfeld, Projektreferentin beim Mittelstand-Digital-Zentrum Handel am IFH Köln, beim Handelsdialog erläutert. Eins vorneweg: Man solle sich genau anschauen, welche Zielgruppe man über welches Medium erreichen kann. Wer junge Mitarbeiter oder Auszubildende sucht, werde diese kaum noch über eine Zeitungsannonce erreichen. Sondern da, wo sie ihre mediale Zeit verbringen. Print könne dann regional noch ein Thema sein, etwa wenn Eltern für ihre Kinder nach Stellen Ausschau halten.
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© Anne Liesenfeld
Aber auch die Elterngenerationen sind längst in den Sozialen Medien zugange. Beispielweise auf Facebook. „Darüber erreichen Sie die GenZ so gut wie gar nicht“, sagt Liesenfeld. Vielmehr finde man die zwischen 1995 bis 2012 Geborenen am besten auf Instagram und Tiktok.
„Kurzvideos sind sehr relevant und werden vom Algorithmus gepusht“, sagt die Expertin. Als besonders wirksam habe sich erwiesen, mit Corporate Influencern zu arbeiten, also eigene Mitarbeiter als Markenbotschafter einzusetzen, etwa, wie sie ihren Arbeitsalltag zeigen und ihre Meinung über den Arbeitsplatz mitteilen.
„Das wird von der jüngeren Generation als authentischer wahrgenommen, als wenn beispielsweise der Chef darüber berichtet.“ Zudem passe die Sprache besser zur Zielgruppe, und Mitarbeiter könnten aussagekräftiger vom eigenen Arbeitsleben erzählen als Externe oder Agenturen. „Gerade große Unternehmen nutzen das stark und stellen dafür Zeit, Weiterbildungen und Smartphones zur Verfügung.“ Zudem ist es laut Liesenfeld für junge Mitarbeiter reizvoll, als Corporate Influencer zu arbeiten, was die Attraktivität der Stellen erhöhe. Dagegen rät die Expertin davon ab, mit externen Influencern zu arbeiten: „Da fehlt das authentische Berichten über den Arbeitsplatz. Die funktionieren eher für Produktwerbung und das Unternehmensimage.“ Ihr Tipp: „Es muss nicht alles perfekt sein, die Plattformen leben eher vom authentischen Inhalt.“
TORBEN SCHRÖDER, FREIER JOURNALIST

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