„Wenn du es wirklich willst – einfach machen“

Jens Zeller hat in Zeiten von Pandemie und Inflation vier Einzelhandelsgeschäfte neu eröffnet und ein weiteres übernommen. Inzwischen beschäftigt er knapp 20 Mitarbeiter. Dazu gehört die Bereitschaft, Rückschläge in Kauf zu nehmen und immer wieder dazu zu lernen. Darüber hat der Rheinhesse auch schon beim Fernsehsender Sat1 berichtet.
Im lokalen Einzelhandel erfolgreich zu sein, ist angesichts der Mitbewerber im Internet schon nicht einfach. In Krisenzeiten ein Geschäft zu eröffnen, erst recht nicht. Jens Zeller brachte beide Kunststücke fertig – und das sogar mehrmals. Der Betreiber der „Wohnscheune“ hat sein Erfolgsmodell voriges Jahr nicht nur auf drei Geschäfte ausgedehnt, er hat auch gegenüber seinem Standort in Gau-Algesheim jüngst einen Schreibwarenladen aufgemacht. „Die Eröffnung war ein voller Erfolg“, jubelt der Unternehmer im „Schreib- Schön“, umringt von Gästen.
Nur wenige Wochen später stand dann auch noch die Übernahme des Ingelheimer Herrenmodegeschäfts „Dressman“ fest. In einem Teil der Geschäftsfläche in der Bahnhofstraße hatte sich Zeller zuvor mit  seiner „Wohnscheune“ eingemietet. „Dressman“-Inhaber Helmut Castor war auf Nachfolgesuche, und der Jung-Unternehmer begeistert von der Resonanz auf die Eröffnung seines Schreibwarenladens und offen für Neues. „Schreibwaren sind eigentlich gar nicht meine Branche“, bekennt er. „Ich bin hier mein eigener Azubi und muss gerade total viel lernen.“ Der frühere Schreibwarenladen in seiner Heimatgemeinde hatte dicht gemacht, und in seiner „Wohnscheune“ wurde er immer wieder darauf angesprochen, dass dieses Sortiment am Standort fehle. Also schritt der Unternehmer zur Tat, füllte das rund 50 Quadratmeter große Geschäft samt 20 Quadratmetern Lager, stellte einen Geschäftsführer ein und kann zudem auf eine Mitarbeiterin bauen, die schon Erfahrung vom früheren Gau-Algesheimer Schreibwarengeschäft mitbringt.
Mit 17 den ersten Business-Plan geschrieben
„Ich lerne es gerade von der Pike auf, es ist eine ganz andere Branche“, sagt Zeller. Vor allem Schüler sind seine Zielgruppe, aber längst nicht nur. Hochwertige Papeterie oder Bastelzubehör stehen ebenso in den Regalen wie Bürowaren. „Direkt am Marktplatz haben wir eine 1A-Lage“, zeigt sich Jens Zeller mit dem Standort zufrieden. Er kann es beurteilen, schließlich liegt seine „Wohnscheune“ vis-à-vis. Die beiden weiteren Geschäfte für Mode und Wohndekor befinden sich in der Mainzer Altstadt und in Ingelheim, wo Zeller gerade umgezogen ist – eine Woche schneller als gedacht, weil, wie er erzählt, schon während des Umzugs Kunden an die neuen Türen geklopft haben. „Wir wurden, mit Kisten in der Hand, gefragt, wann es wieder losgeht. Das ist ein schönes Ge- fühl, das uns motiviert hat.“
Es ist ein Umzug auf Zeit, das Gebäude, in dem sich die „Wohnscheune“ früher befand, wird gerade abgerissen. Nach dem Neubau kann Zeller sich wieder von 85 auf 150 Quadratmeter vergrößern. 16 Mitarbeiter haben die drei „Wohnscheunen“ insgesamt. Im Juni 2014 machte das erste Geschäft auf. Zeller verkürzte für den Sprung in die Selbstständigkeit sogar seine kaufmännische Ausbildung im Biomarkt. „Ich habe mit 17 meinen ersten Business-Plan geschrieben“, erzählt er. „Ich wusste, dass ich am Tag nach meiner Abschlussprüfung in meinem Laden stehen will. Es ging dann sogar noch früher.“
Die „Wohnscheune“ Nummer zwei und drei folgten im vorigen Jahr, erst in Ingelheim, dann, weil sich in interessanter Lage in der Gaustraße eine Möglichkeit auftat, auch in der Landeshauptstadt. Flexibilität ist gefragt. Andere Stadt, anderes Sortiment: „In Mainz liegt der Fokus stark auf Nachhaltigkeit, und da ist im letzten Jahr viel passiert.“ Daher ist auch manche Marke nur an einem oder zwei der drei Standorte zu finden. „Überall die gleiche Kundschaft wäre ja auch zu einfach“, sagt Zeller und lacht.
Herausforderungen mag er. Nur bei der Mitarbeiter- suche hätte er es gern leichter: „Das ist im Moment ein heißes Thema. Ich dachte, im Einzelhandel ist es noch leichter, aber das wandelt sich so langsam.“ An Energie fehlt es Zeller dabei nicht. „Ich hoffe, dass ich 100 werde und gesund bleibe. Ich habe noch so viel vor“, sagt er. Kein Wunder, dass er beispielsweise in die Sat.1-Talkshow „Britt“ eingeladen wurde, um darüber zu berichten. Auch eine Doku auf dem Sender Vox war geplant, auf RTL und Pro7 war Zeller schon unter anderem als Produkttester zu sehen.
„Als Corona kam, habe ich den Schalter umgelegt“
Zellers Geschichte ist ein Gegengift für Zweifel und Ängste. „Leicht war es nicht immer – weder in den Gründungsjahren, in denen ich privat viel, viel zurück- gesteckt  habe,  noch  in  den  Krisenzeiten“,  erzählt er.
„Als Corona kam, habe ich den Schalter umgelegt. Ich hatte direkt Existenzangst – und habe ziemlich schnell einen Verkaufsautomaten für Geschenke To Go gekauft. Für den Außenverkauf haben wir den ganzen Laden umgeräumt.“ Ob Produktwerbung via Social Media oder Kundengespräche im Video-Call: „Wir haben stark auf uns aufmerksam gemacht und den Kunden deutlich gemacht, dass es uns weiter gibt, nur in anderer Form.“ Sich im Stillstand auf den staatlichen Geldern auszuruhen, „wäre der Genickbruch gewesen“, ist Zeller überzeugt. „Man geht unter, wird vergessen.“ Schließlich brauche man als Einzelhändler Präsenz. „Psychisch hat mir die Zeit viel abverlangt. Es hat sich ja erst im Laufe der Zeit herausgestellt, dass wir so gut durch die Krise gekommen sind.“ In den sozialen Medien will Zeller präsent bleiben, Kundenbindung erzeugen. Für einige seiner Mitarbeiter im Alter von 17 bis Mitte 70 ist es ziemlich aufregend, auf einmal live im  Internet eine tolle Ausbildung und würde das gern anderen auch ermöglichen. Ich bin ja noch nah dran an jungen Menschen.“
Sein Tipp: „Wenn du es wirklich willst – einfach machen! Sei gut aufgestellt, mach dir einen Business- Plan, das ist wichtig. Mach morgen deinen Termin beim Unternehmensberater oder bei der Bank, das aufzuschieben bereut man später. Wir brauchen Menschen, die ihr Potenzial nach vorne bringen. Wer sagt ‚Ich würde gern‘, macht mich wahnsinnig.“
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