Corona und Vergabe
Was ist bei der öffentlichen Vergabe im Zusammenhang mit Corona zu beachten?
Unbedenklichkeitsbescheinigungen “light” der Gesetzlichen Krankenversicherungen
Öffentliche Auftraggeber verlangen Unbedenklichkeitsbescheinigungen der gesetzlichen Krankenkassenversicherungen (GKV) von den Unternehmen, dass sie nicht mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rückstand sind. Diese Bescheinigungen können die Krankenkassen dann nicht ausstellen, wenn das Unternehmen aufgrund der Ausnahmesituation durch Corona die Sozialversicherungsbeiträge hat stunden lassen. Im dazu verfassten Rundschreiben der GKV vom 1.4.2020 wird als ein möglicher Lösungsweg vorgeschlagen, dass die GKV dann stattdessen eine eingeschränkte Bescheinigung ausstellen: „Die Beiträge zur Sozialversicherung wurden bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland im März 2020 regelmäßig und pünktlich zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen gezahlt.“
Grundsätzlich bleibt die GKV zwar bei der Einschätzung, dass im Falle eingeräumter Beitragsstundungen die Voraussetzungen für die Ausstellung der Unbedenklichkeitsbescheinigungen bei den betroffenen Arbeitgebern nicht vorliegen. Im Interesse der betroffenen Arbeitgeber empfiehlt der GKV-Verband aber dennoch seinen Mitgliedskassen, wenn keine weiteren Gründe gegen die Ausstellung einer Bescheinigung sprechen, das Dokument auszustellen. Letztlich liegt es im Ermessen des Auftraggebers, wie hoch er die Anforderungen legt. In Betracht kommen befristet für die Dauer der Corona-Krise verschiedene Lösungsansätze:
- Der öffentlichen Auftraggeber verzichtet auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung.
- Der öffentliche Auftraggeber akzeptiert eine eingeschränkte Bescheinigungen als ausreichend.
- Der öffentliche Auftraggeber verzichtet auf die zahlreichen Unternehmen, die die Bescheinigung nicht vorlegen können.
Das BMWI sieht den bestehenden Rechtsrahmen als ausreichend an, um als Auftraggeber angemessen auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Vergabeverfahren reagieren zu können, ohne dass es zum Ausschluss eines Bieters kommen muss, der die Ausstellung bestimmter Bescheinigungen zum Nachweis seiner Eignung derzeit im Rahmen des Zumutbaren dennoch nicht bewirken kann. Den öffentlichen Auftraggebern steht es im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich frei, welche Nachweise sie von Unternehmen als Beleg für ihre Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen fordern (§ 48 VgV). Eine allgemeine vergaberechtliche Pflicht zur Vorlage entsprechender Unbedenklichkeitsbescheinigungen besteht nicht, auch wenn sie in der Praxis als Nachweis für ein Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes nach § 123 Abs. 4 S. 1 GWB wegen Nichtzahlung Beiträgen zur Sozialversicherung gefordert werden. Unabhängig davon kommt das BMWi zu der Einschätzung, dass bei einer Corona-bedingten Stundung der Krankenkassenbeiträge ein zwingender Ausschluss nach dem hier maßgeblichen § 123 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 GWB grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Eine Verletzung der Zahlungsverpflichtung liegt damit nicht vor. Die Vorschrift setzt tatbestandlich die Nichtzahlung des Beitrags trotz Fälligkeit voraus. Schließen das betroffene Unternehmen und der Krankenversicherungsträger eine Vereinbarung zur Stundung der Beiträge, wird die Fälligkeit der Beiträge aufgeschoben und das betroffene Unternehmen gerät nicht in Verzug. Selbst wenn die Stundungsvereinbarung erst nach Eintritt der Fälligkeit erfolgt, könnte je nach Lage des Falles ein Ausschluss ungerechtfertigt sein, wenn sich das Unternehmen trotz Säumigkeit zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Zinsen, Säumnis- und Strafzuschlägen verpflichtet hat. Für atypische Fallkonstellationen besteht außerdem das Korrektiv, bei offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit von einem Ausschluss abzusehen (§ 123 Abs. 2 S. 2 Var. 2 GWB). Ausweislich der zugrundeliegenden Vorschrift der Vergabe-Richtlinie (Art. 57 Abs. 2, Abs. 3 RL 2014/24/EU) könnten besondere „Corona-bedingte“ Umstände durchaus das Absehen von einem zwingenden Ausschluss rechtfertigen. Davon zu trennen ist die Frage, ob ein zwingender Ausschlussgrund wegen unvollständiger Unterlagen gem. § 57 VgV vorliegt, wenn der Auftraggeber die vom GKV-Verband empfohlene Musterbescheinigung verlangt hat. Nach Auffassung des BMWi dürfte jedoch regelmäßig kein zwingender Ausschlussgrund vorliegen. Das betroffene Unternehmen hat insoweit alles ihm Zumutbare unternommen und ist seiner gem. § 53 Abs. 7 VgV bestehenden Pflicht zur Vorlage aller geforderten Angaben formal nachgekommen.
Fazit: Der Auftraggeber hat es in der Hand, dass Verfahren aufgrund seiner Eignungsanforderungen nicht zu Lasten des Wettbewerbs gehen.
Quelle: Hildegard Reppelmund, DIHK, Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Vergaberecht, Wirtschaftsstrafrecht; BMWI
Fazit: Der Auftraggeber hat es in der Hand, dass Verfahren aufgrund seiner Eignungsanforderungen nicht zu Lasten des Wettbewerbs gehen.
Quelle: Hildegard Reppelmund, DIHK, Referatsleiterin Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Vergaberecht, Wirtschaftsstrafrecht; BMWI
Präqualifikation beschleunigt Direktvergabe bei Corona-Beschaffungen
Die Corona-Pandemie erschwert es öffentlichen Auftraggebern, schnell und zügig zu beschaffen. Das betrifft nicht nur besonders benötigte Leistungen wie Medizin-Produkte. Auch sonstige Beschaffungen, die zur allgemeinen Handlungsfähigkeit der Verwaltungen erforderlich sind, können nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Hierfür wurden seitens der Bundes- und Landesministerien stark vereinfachte Verfahrensregelungen eingeführt, um die Beschaffungen extrem zu erleichtern. Auf die Eignungsprüfung darf allerdings nicht verzichtet werden. Die Grundsätze des wettbewerblichen Verfahrens unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie der Transparenz gelten auch weiterhin. Dennoch sind Fallkonstellationen mit unzweifelhaft bestehender Dringlichkeit denkbar, die bei der Beschaffung unabhängig vom Schwellenwert nur bereits auf ihre Eignung geprüfte Unternehmen berücksichtigen können. Dies kann beispielsweise eine Beschränkte Ausschreibung oder Freihändige Vergabe ohne Interessenbekundungsverfahren (IBV) bzw. ein Verhandlungsverfahren oder Nichtoffenes Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb sein. Da stellt sich die Frage, wie noch ausreichend Wettbewerb garantiert werden kann, wenn der Kreis geeigneter Bieter allenfalls noch überschaubar bis nicht vorhanden ist? Wenn die Eignungsprüfung aber nicht Bestandteil des Verfahrens ist, darf der Auftraggeber nur auf geeignete Unternehmen zurückgreifen. Dies gilt auch dann, wenn nur ein Unternehmen angefragt wird und somit die Vergabe beispielsweise aus Dringlichkeitsgründen „direkt“ erfolgt. Sicher kennt der Auftraggeber einige Unternehmen, die ihm den Eignungsnachweis bereits in einem abgeschlossenen Verfahren erbracht hatten und kann diese dann auch zur erneuten Angebotsabgabe unmittelbar auffordern.
Doch was ist mit den anderen Unternehmen, die dem Auftraggeber bislang noch nicht bekannt sind? In Zeiten der höchsten Dringlichkeit fallen sie durchs Raster, denn Zeit für Eignungsprüfungen ist eher nicht vorhanden. Dem Auftraggeber ist es dann aus Haushaltsgrundsätzen und dem Gebot der wirtschaftlichen Beschaffung verwehrt, Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, wenn diese Kenntnisse zur Eignung eines Unternehmens fehlen. Dann sind präqualifizierte Unternehmen im Vorteil, denn der Auftraggeber kann jederzeit eigeninitiativ in einem Präqualifizierungs(PQ)-Register wie AVPQ (Amtliches Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen) geeignete Unternehmen finden. Diese sind grundsätzlich für öffentliche Aufträge geeignet und es besteht eine Pflicht des Auftraggebers, die Eignung auch anzuerkennen. So können Auftraggeber schnell und unkompliziert die Eignung der PQ-Unternehmen für eine bestimmte Leistung anhand der im Register hinterlegten Einzeldokumente nachvollziehen. Das Unternehmen kann ebenfalls initiativ werden und sendet der Vergabestelle in einem konkreten Verfahren oder auch unaufgefordert ohne konkreten Anlass seine PQ-Urkunde mit Zugangsdaten zur Datenbank. Gerade in Zeiten, in denen schnelle und unkomplizierte Beschaffungen erforderlich sind, kann die Präqualifizierung sowohl Auftraggebern als auch Unternehmen helfen. Unternehmen, die mangels geprüfter Eignung durch Auftraggeber nicht aufgefordert werden können, steht dank PQ einer Teilnahme am Verfahren nichts mehr im Wege. Auftraggeber sind in der Lage, ohne zeitlichen Aufwand ein wettbewerbliches Verfahren durchzuführen.
Fazit: Beschaffungen mit Dringlichkeit müssen nicht auf Wettbewerb verzichten, wenn sich Unternehmen zur Präqualifikation entschließen und den Auftraggebern dadurch mehr geeignete Unternehmen zur Verfügung stehen. Den Vorteil der PQ sollten Unternehmen jetzt nutzen und sich damit Auftraggebern zu erkennen geben.
Hier finden Sie weitere Infos zur Präqualifizierung.
Doch was ist mit den anderen Unternehmen, die dem Auftraggeber bislang noch nicht bekannt sind? In Zeiten der höchsten Dringlichkeit fallen sie durchs Raster, denn Zeit für Eignungsprüfungen ist eher nicht vorhanden. Dem Auftraggeber ist es dann aus Haushaltsgrundsätzen und dem Gebot der wirtschaftlichen Beschaffung verwehrt, Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, wenn diese Kenntnisse zur Eignung eines Unternehmens fehlen. Dann sind präqualifizierte Unternehmen im Vorteil, denn der Auftraggeber kann jederzeit eigeninitiativ in einem Präqualifizierungs(PQ)-Register wie AVPQ (Amtliches Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen) geeignete Unternehmen finden. Diese sind grundsätzlich für öffentliche Aufträge geeignet und es besteht eine Pflicht des Auftraggebers, die Eignung auch anzuerkennen. So können Auftraggeber schnell und unkompliziert die Eignung der PQ-Unternehmen für eine bestimmte Leistung anhand der im Register hinterlegten Einzeldokumente nachvollziehen. Das Unternehmen kann ebenfalls initiativ werden und sendet der Vergabestelle in einem konkreten Verfahren oder auch unaufgefordert ohne konkreten Anlass seine PQ-Urkunde mit Zugangsdaten zur Datenbank. Gerade in Zeiten, in denen schnelle und unkomplizierte Beschaffungen erforderlich sind, kann die Präqualifizierung sowohl Auftraggebern als auch Unternehmen helfen. Unternehmen, die mangels geprüfter Eignung durch Auftraggeber nicht aufgefordert werden können, steht dank PQ einer Teilnahme am Verfahren nichts mehr im Wege. Auftraggeber sind in der Lage, ohne zeitlichen Aufwand ein wettbewerbliches Verfahren durchzuführen.
Fazit: Beschaffungen mit Dringlichkeit müssen nicht auf Wettbewerb verzichten, wenn sich Unternehmen zur Präqualifikation entschließen und den Auftraggebern dadurch mehr geeignete Unternehmen zur Verfügung stehen. Den Vorteil der PQ sollten Unternehmen jetzt nutzen und sich damit Auftraggebern zu erkennen geben.
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