Exportwirtschaft

Aus der Mark in die Welt

Die Vollversammlung der IHK Potsdam hat am 11. April 2024 die Außenwirtschaftspolitischen Leitlinien verabschiedet.
Diese wurden federführend durch den Außenwirtschaftsausschuss erarbeitet.
Michaela Behrendt, Vorsitzende des Außenwirtschaftsausschusses und geschäftsführende Gesellschafterin der microtech GmbH electronic in Teltow: „Die Außenwirtschaftspolitischen Leitlinien der IHK Potsdam zeigen auf, an welchen Themen gearbeitet werden und welche Akzente die Politik in den nächsten Jahren setzen muss, um die Exportwirtschaft aus der Krise zu führen und die Exportquote zu erhöhen. Es gibt viel zu tun, denn Brandenburg gehört im gesamtdeutschen Vergleich mit einer Exportquote von 36,9 Prozent noch immer zu den Schlusslichtern".
Die Weltwirtschaft sieht sich multiplen Krisen gegenübergestellt. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, der Nahost-Konflikt sowie der voranschreitende Klimawandel wirken sich massiv auf die brandenburgische Wirtschaft aus. Unterbrochene Lieferketten, hohe Logistik- und Energiekosten und damit verbundene Preissteigerungen für dringend benötigte Rohstoffe und Materialen belasten die Außenwirtschaft. Darüber hinaus können durch Reisebeschränkungen und Grenzschließungen Aufträge und Serviceleistungen teils nur unter erschwerten Bedingungen ausgeführt werden. Hinzu kommen Erfordernisse, die der politisch fokussierte Transformationsprozess impliziert. Hier stehen u.a. die Themen eines besseren Klimaschutzes, mehr Nachhaltigkeit – etwa in der Lieferkette – und die Gestaltung der Energie- und Wärmewende im Mittelpunkt.
Wie die Exportwirtschaft durch den Abbau aktueller Hürden wieder Fahrt aufnehmen kann, wird weltweit diskutiert und sollte in den kommenden Jahren auch in Brandenburg im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Zwar befinden sich die Exporte Brandenburgs ausgehend von der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 auf einem Wachstumspfad. Dennoch gehört Brandenburg im gesamtdeutschen Vergleich mit einer Exportquote von 36,9 Prozent weiterhin zu den Schlusslichtern. Im Bundesdurchschnitt beträgt die Exportquote mehr als 50 Prozent. Die Internationalisierung der Brandenburgischen Wirtschaft bietet weltweite Absatzmöglichkeiten, welche Potenziale für gesellschaftliche Wohlstandsgewinne ermöglichen. Daher gilt: Das Land Brandenburg muss dieses unangetastete Potenzial endlich nutzen.
Die Erschließung neuer, besonders vielversprechender Auslandsmärkte, der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Firmen, insbesondere durch die strukturelle Reduktion bürokratischer Belastungen, sowie der Einsatz für weitere internationale Freihandelsabkommen und der stetige Ausbau internationaler Kooperationen sollten dabei im Mittelpunkt stehen. Hierdurch können für die Unternehmen in unserem Kammerbezirk auch außerhalb der langjährigen Haupthandelspartner Polen, den Vereinigten Staaten von Amerika und Tschechien verbesserte Geschäftsperspektiven geschaffen werden. Für diese und weitere Ziele wird sich die IHK Potsdam in der aktuellen Wahlperiode gemeinsam mit den Mitgliedern des Außenwirtschaftsausschusses intensiv einsetzen.

Die Leitlinien und Forderungen:

1. Internationalisierung der brandenburgischen Wirtschaft vorantreiben

Das vereinte Zusammenstehen der EU-Länder und die gemeinsamen Entscheidungen, die aufgrund der Invasion Russlands in die Ukraine kurzfristig im Sinne des Kontinents und der Wirtschaft getroffen werden mussten, sind eine herausragende Leistung Europas. Nur eine stabile EU-Außenpolitik bietet die Basis für gute wirtschaftliche Beziehungen, Frieden, Sicherheit und Wohlstand. Diese und andere geopolitische Entwicklungen zeigen: Außenwirtschaftspolitik und internationaler Handel müssen ganz oben auf der Agenda stehen.
Die Rahmenbedingungen für in Brandenburg international tätige Unternehmen müssen weiter verbessert und damit die Exportwirtschaft handlungsfähiger gemacht werden. Die Unternehmen der Brandenburger Außenwirtschaft sind auf unbürokratische Unterstützung bei der Risikobewertung, der Neuausrichtung von Lieferketten, der Suche nach alternativen Absatz- und Beschaffungsmärkten und dem Aufbau der eigenen wirtschaftlichen Resilienz angewiesen. Eine optimierte Außenwirtschaftsförderung, niedrigschwellige Förderungsbedingungen für Auslandsinvestitionen – insbesondere für KMU – und verbesserte Beratungsformate könnten unseren Mitgliedsunternehmen dabei helfen, schneller, informierter und weitsichtiger neue Zielmärkte und Lieferketten zu erschließen. Daher begrüßt die IHK Potsdam Angebote wie das gemeinsame Außenwirtschaftsportal der Hauptstadtregion, zur Bündelung vielfältiger Services und Informationen, ausdrücklich.
Das internationale Geschäft unserer Unternehmen sichert hiesige Arbeitsplätze, erwirtschaftet fast jeden dritten Euro im verarbeitenden Gewerbe auf den Weltmärkten und bietet das Potenzial, die Brandenburger Wirtschaft insgesamt resilienter zu machen. Die Außenwirtschaft hat daher einen zentralen Platz in der Landespolitik verdient. Brandenburgs Unternehmerinnen und Unternehmer wagen sich zunehmend an neue Auslandsmärkte heran und sind bereit, sich den mitunter hohen Herausforderungen, etwa in Subsahara- und Nordafrika, dem Nahen Osten und auch Süd- und Mittelamerika, zu stellen. Günstige Rahmenbedingungen können indes zu einer Stärkung der landesweit niedrigen Exportquote führen. Daher müssen mit Blick auf die Außenwirtschaftsförderung die aktuellen Fördermöglichkeiten aufgewertet und die Verhandlungen von Freihandelsabkommen auf europäischer Ebene forciert werden.
Gemeinsame Projekte im Rahmen von EU-Förderungen oder der Entwicklungszusammenarbeit stellen nicht zu unterschätzende Chancen für neue Geschäftspartnerschaften dar. Die Landesregierung sollte in diesem Zusammenhang sicherstellen, dass bestehende Informations- und Förderangebote verstärkt von der regionalen Wirtschaft wahrgenommen werden.

Forderungen zur Stärkung der Brandenburger Exportwirtschaft

  • Die Brandenburger Internationalisierungsstrategie sowie das Außenwirtschaftskonzept müssen mit Blick auf vorherrschende geopolitische Gegebenheiten unter frühzeitiger Einbeziehung der regionalen Wirtschaft alsbald aktualisiert werden. Die weitere erfolgreiche Entwicklung der Hauptstadtregion benötigt eine gemeinsame Außenwirtschaftsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg
  • Die aktuelle Brandenburger Außenwirtschaftsförderung für KMU „GRW-Markt-International“ und die „Markterschließungsrichtlinie“ müssen in der finanziellen Ausstattung und Ausrichtung ihrer aktuellen Fördertatbestände und -konditionen aufgewertet und regelmäßig überprüft werden.
  • Der Einsatz für ein gemeinsames Agieren der EU-Länder in Krisenzeiten ist fortzusetzen.
  • Die Stärkung der wirtschaftlichen Beziehung zu mitteleuropäischen Nachbarländern Deutschlands muss weiter forciert werden.

2. Brandenburgs Stimme in Europa stärken

Die Wirtschaft in Westbrandenburg befürwortet das Vorhaben, die Landesvertretung Brandenburgs in Brüssel inhaltlich auf neue Herausforderungen auszurichten und sowohl personell als auch finanziell zu stärken. Brandenburg festigt damit seine Stimme in Europa und kann so in Brüssel dazu beitragen, dass der europäische Wirtschaftsraum weiter stabilisiert wird. Ein stabiler Europäischer Binnenmarkt ist unerlässlich, um allen in Brandenburg ansässigen KMU die nötige Sicherheit für unternehmerische Entscheidung zu gewährleisten. Die durch das Land bereits etablierten Austauschformate sollten noch mehr die Belange der regionalen Wirtschaft einbeziehen. Die IHKs in Brandenburg stehen bei der Ausgestaltung als Ansprechpartner zur Verfügung.
Die aktuellen geopolitischen Spannungen erfordern die Anerkennung einer neuen Realität durch die Politik. Damit in Verbindung steht ein noch engeres Zusammenrücken mit mitteleuropäischen Nachbarländern Deutschlands. Polen ist Brandenburgs wichtigster Handelspartner. Die wirtschaftlichen Beziehungen und der regelmäßige Austausch sollten insbesondere jetzt noch einmal intensiviert werden. Der seit 2022 tätige Beauftragte der Landesregierung für die brandenburgisch-polnischen Beziehungen kann bei diesen Bemühungen nur ein erster Ansatzpunkt sein. Bei dem weiteren Ausbau der brandenburgischen Wirtschaftsbeziehungen ist auf ähnliche Instrumente zurückzugreifen. Die Belange und Interessen der Unternehmen müssen dabei zentral sein.

Forderungen zur erhöhten Sichtbarkeit Brandenburgs in Europa

  • Ressourcen in der Landesvertretung Brandenburgs in Brüssel weiter stärken.
  • Einsatz Brandenburgs für die Erarbeitung einer Strategie gegen die Destabilisierung der EU als starken und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraum.
  • Schaffung von Austauschformaten in Brandenburg zu EU-Themen mit Wirtschaftsbezug.
  • Die Wirtschaftsbeziehungen mit mitteleuropäischen Nachbarländern Deutschlands ist gemeinsam mit Brandenburger Unternehmen durch regelmäßigen Dialog auszubauen.
  • Überprüfung der Nachbarschaftsstrategie Brandenburg-Polen auf aktuelle Gegebenheiten und Ausbau der deutsch-polnischen Wirtschaftskooperation.

3. Europäischen Binnenmarkt verwirklichen, offene Grenzen bewahren

Europa ist Brandenburgs wichtigster Handelsraum. Daher ist die Stärkung des Europäischen Binnenmarktes ein wichtiger Eckpfeiler für die hiesige Wirtschaft. Grenzschließungen belasten den Personen-, Dienstleistungs- und Warenverkehr. Zudem schwächen Ereignisse wie der Austritt Großbritanniens aus der EU und der Ukraine-Krieg den Kontinent als Wirtschaftsraum – und somit auch Unternehmen in Brandenburg ganz konkret.
Europa sollte mehr denn je vereint auftreten und sich für gemeinsame Werte einsetzen, aber auch selbstbewusst Strategien für die Widerstandfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nationen wie Russland und China ergreifen. Der Einsatz für bilaterale Wirtschaftsabkommen, offene Grenzen sowie die Stärkung des europäischen Binnenmarktes führen wesentlich zum internationalen Erfolg. Ihn zu verwirklichen muss daher weiter das primäre Ziel der EU bleiben.
Bürokratische Belastungen haben vor allem auf EU-Ebene einen Umfang erreicht, der für KMU fachlich, ökonomisch und personell nicht mehr zu beherrschen ist. Vielfältige Anzeige-, Melde-, Statistik- und Nachweispflichten hemmen die wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die Wettbewerbsfähigkeit der brandenburgischen Wirtschaft. Eingriffe in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit lehnen wir daher ab.

Forderungen zum Einsatz für einen wettbewerbsfähigen und starken EU-Binnenmarkt

  • Ergebnisorientierter Einsatz für die Vollendung des EU-Binnenmarktes.
  • Offene Grenzen wahren, Einschränkungen des Binnenmarktes vermeiden, verlässliche Krisen-mechanismen entwickeln.
  • Enge Beziehungen zwischen der EU und dem UK sowie mit der Schweiz sicherstellen.
  • Nationale Alleingänge in Bezug auf wirtschaftliche Gesetzgebungen sollten im Sinne des Harmonisierungsgedankens und einer starken EU vermieden werden.
  • Einsatz auf EU-Ebene für den Abbau vorhandener Bürokratie und gegen die Einführung neuer unterneh­merischer Pflichten.
  • Die Harmonisierung technischer Standards muss mit dem Ziel vorgetrieben werden, einen Personen-, Dienstleistungs- und Warenverkehr ohne Beschränkungen zu realisieren.

4. Priorität International: Barrieren abbauen, Lieferketten absichern, Wettbewerbsfähigkeit stärken

Offene Märkte und regelbasierter internationaler Handel sind ein entscheidender Motor für Wohlstand und Beschäftigung hierzulande, in Europa und in der Welt. Für Brandenburg gilt: Nur wenn die Rahmenbedingungen für internationalen Handel attraktiv sind, trauen sich die Unternehmen in den Weltmarkt. Eine Abschottung der EU und ihrer Handelspartner sowie eine globale wirtschaftliche Entkopplung schränken den deutschen Außenhandel – und damit die Geschäftsmöglichkeiten unserer Mitgliedsunternehmen – ein. Änderungen von Lieferketten sollten in erster Linie unternehmerische Entscheidungen bleiben.
Eine souveräne EU benötigt enge Wirtschaftspartner. Die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft und der Abbau von Handelshemmnissen sind vertragliche Ziele der Union: Sie müssen Teil der EU-Handelspolitik bleiben. Zwei Drittel der außereuropäischen Exporte deutscher Unternehmen beruhen einzig auf
WTO-Regeln. Die Landesregierung sollte sich daher in der EU für multilaterale Regeln stark machen, um den Außenhandel brandenburgischer Unternehmen zu erleichtern, den Ausbau ihrer Wettbewerbsposition auf den Weltmärkten zu unterstützen und – insbesondere für KMU – dringend notwendige Planungssicherheit schaffen.
Die rechtliche Ausgestaltung des seit 2016 gültigen Unionszollkodex der EU-Kommission und dessen Umsetzung durch die nationalen Zollverwaltungen droht an vielen Stellen zusätzlichen Bürokratieaufwand für die Unternehmen im Außenwirtschaftsgeschäft nach sich zu ziehen. Ziel der Landesregierung sollte es sein, neue bürokratische Belastungen zugunsten von Vereinfachungen und Entlastungen zu verhindern.
In internationalen politischen Konflikten und Kriegen sind Sanktionen ein wichtiger Teil des außenpolitischen Instrumentariums der Europäischen Union. Auch hier gilt für die deutsche Wirtschaft das Primat der Politik. EU-Verordnungen und das deutsche Außenwirtschaftsrecht legen den gesetzlichen Rahmen fest. Die Zahl der weltweit bestehenden Wirtschaftssanktionen hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Dabei laufen Sanktionen international nur selten im Gleichklang. Besonders schwierig ist es, wenn Drittstaaten ihre Sanktionsregime mit extraterritorial wirkenden Elementen versehen. Daher gilt: Sanktionen sind vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit europäischer und deutscher Unternehmen zu bewerten.

Forderungen für einen Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz

  • Brandenburg muss sich für eine selbstbewusste, von eigenen Interessen geleitete EU-Außenwirtschafts-strategie einsetzen, die protektionistischen Tendenzen entschlossen entgegentritt, die WTO und ihre Nachbarschaftsbeziehungen stärkt, Investitionen und Logistikketten absichert und mit weiteren Handelsabkommen die Diversifizierung der Brandenburgischen Handelsbeziehungen ermöglicht.
  • Die wirtschaftliche Entkopplung mit wichtigen Handelspartnern jenseits einer Risikodiversifizierung ist zu verhindern.
  • Für die EU strategisch wichtige Handelsabkommen sind mittelstandsfreundlich auszugestalten, gezielt zum Abschluss zu bringen und eine praxisnahe Umsetzung zu ermöglichen.
  • Die EU-Zollreform ist zügig voranzutreiben, um eine dringend notwendige kurzfristige Entlastung der Wirtschaft herbeizuführen. Das Ziel sind zollrechtliche Verfahrensvereinfachungen und ein EU-einheitlicher Rechtsrahmen.
  • Wichtige Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz oder Menschenrechte sollten global verankert werden, um wirksam zu sein und neue Handelskonflikte zu vermeiden. Im Falle von Sanktionen ist für eine internationale Abstimmung zu sorgen.

Einige Passagen der vorliegenden Leitlinien wurden aus den Europapolitische Positionen der IHK-Organisation des Dachverbandes DIHK übernommen.