Studie Infrastruktur

Westbrandenburg: Wirtschaft und Gewerbeflächen 2020

Potsdam, 1. September 2020 – Der Wirtschaftsstandort Westbrandenburg verzeichnete in den vergangenen Jahren eine hohe Entwicklungsdynamik – insbesondere in den Kommunen im Berliner Umland. Sowohl in den bestehenden als auch in neu angesiedelten Unternehmen sind zahlreiche zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Dementsprechend gab es auch auf dem Gewerbeflächenmarkt eine hohe Nachfrage. In vielen Kommunen – und auch im gesamten Kammerbezirk Potsdam – lag das Bevölkerungs- und Beschäftigtenwachstum weit über dem Landesdurchschnitt. Die statistische Analyse zeigt aber auch, dass nicht alle Kommunen gleichermaßen vom wirtschaftlichen Aufschwung der vergangenen Jahre profitieren konnten. Teilweise gab es sowohl im ländlichen Raum als auch in Berlins Nachbarschaft sogar rückläufige Entwicklungen. Das sind die zentralen Ergebnisse des „FactBooks - Wirtschaft und Gewerbeflächen 2020“, das heute von der Industrie- und Handelskammer Potsdam vorgestellt wurde.
„Das Gefälle zwischen den direkt an Berlin angrenzenden Landkreisen zu den entfernteren Regionen in Westbrandenburg hält an. Zwar freuen wir uns über die Dynamik, die unseren Kammerbezirk zur Aufsteigerregion macht. Jedoch ist dies nicht gleichbedeutend mit der tatsächlichen Wirtschaftskraft. Gerade beim Flächenmanagement gibt es noch erhebliche Reserven, um zusätzliche Ansiedlungen zielgerichtet und zukunftsorientiert zu ermöglichen. Im Klartext: Kommunen, die sich einem geplanten Wachstum verschließen, werden auf der Habenseite mehr und mehr Probleme bekommen. Wer in Infrastruktur und Bevölkerungsentwicklung investieren will, braucht dafür die nötigen Steuereinnahmen, die vor allem aus der regionalen Wirtschaft kommen.
Deutschland kann vergleichsweise stabil aus dieser Krise herauskommen, wenn wir achtsam miteinander umgehen. Die größte Sorge der Unternehmen ist momentan, was die Kommunen mit der Gewerbesteuer vorhaben. Es darf jetzt nicht dazu kommen, dass die Gemeinden die Corona-bedingt leeren Kassen durch Steuererhöhungen auffüllen wollen. Das wäre Gift für die Gesundung unserer regionalen Wirtschaft.“
Mario Tobias, Hauptgeschäftsführer der IHK Potsdam

Unterschiedliche Entwicklungsdynamiken im IHK-Bezirk

Insgesamt ergeben sich hinsichtlich der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung im Betrachtungszeitraum 2011 bis 2019 innerhalb des Kammerbezirks deutlich unterschiedliche Entwicklungsdynamiken in den einzelnen Regionen. Es zeigen sich zum Teil räumliche Entwicklungsmuster.
Die Bevölkerungsentwicklung verlief im IHK-Bezirk (+5,7 Prozent) insgesamt wesentlich dynamischer als auf Landes- und Bundesebene (+2,8 Prozent bzw. +3,5 Prozent). Grund hierfür ist die verstärkte Zuwanderung in die Kommunen im Berliner Umland (+10,9 Prozent) sowie in abgeschwächter Form entlang einiger der Hauptverkehrsachsen (A 2, A 24, B 101). Die vorangegangenen Studien haben ergeben, dass hier vor allem Suburbanisierungseffekte aus Berlin zum Tragen kommen. Die Kommunen im entfernteren ländlichen Raum konnten in den vergangenen Jahren hingegen nur bedingt von Zuwanderung profitieren (+0,5 Prozent). Der demografische Wandel schreitet dort schneller voran, während die Auswirkungen im Berliner Umland durch die Zuwanderung abgemildert werden.
Ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit um 42,9 Prozent innerhalb von acht Jahren, der einerseits im Zuwachs an Arbeitsplätzen und andererseits auch mit demografischen Effekten begründet sind, hat die Verfügbarkeit von Fachkräften für Unternehmen in den vergangenen Jahren erkennbar verringert. Unternehmen treten dadurch stärker in Konkurrenz zueinander, um geeignete Mitarbeiter zu finden. Dieser Trend könnte sich im Zuge der COVID-19-Pandemie vorübergehend abschwächen.

Erste Zahlen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt

Erste vorläufige statistische Daten der Bundesagentur für Arbeit liegen bereits vor. Dabei zeigt sich, dass die Arbeitslosigkeit dank des Kurzarbeit-Modells bisher im Verhältnis zu den konjunkturellen Auswirkungen nur moderat angestiegen ist. Zwischen Juli 2019 und Juli 2020 stieg die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf etwa 2,9 Millionen an (+27,9 Prozent). Die Arbeitslosenquote erhöhte sich dadurch von 5,0 auf 6,3 Prozent, was in etwa dem Niveau des Jahres 2015 entspricht. Im IHK-Bezirk Potsdam verlief der Anstieg der Arbeitslosigkeit moderater (+16,6 Prozent). Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 5,2 auf 6,0 Prozent und lag damit erstmals unter dem Bundesdurchschnitt.
In den ersten sechs Monaten wurden im IHK-Bezirk Potsdam für 31,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Kurzarbeit angezeigt, ein erheblicher Anteil davon im April. Der Anteil lag damit unter dem bundesweiten und über dem landesweiten Vergleichswert von 36,5 bzw. 29,0 Prozent. Dabei handelt es sich lediglich um die Anzeige der Kurzarbeit. Unternehmen müssen im Vorwege Kurzarbeit anmelden, bevor diese in Anspruch genommen werden kann. Inwiefern und in welchem Maße die Kurzarbeit dann tatsächlich in Anspruch genommen wird, kann aktuell noch nicht mit belastbaren Zahlen beurteilt werden. Laut Bundesagentur für Arbeit werden dazu voraussichtlich zum Jahresende konkrete Zahlen vorliegen.
Diese kurzfristigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind jedoch nur eine Momentaufnahme und können sich rasch wieder ändern. Bei wieder deutlich steigenden Infektionszahlen könnten die wirtschaftlichen Schäden jedoch noch höher ausfallen. Eine abschließende Bewertung der Krise ist also erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand möglich. Trotz der aktuell stark veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestehen aufgrund der allgemeinen demografischen Entwicklung jedoch weiterhin Handlungsbedarfe im Bereich der Fachkräfteversorgung.

Wissensintensive Bereiche tragen zum Wohlstand bei

Viele Indikatoren zur Wirtschaftsstruktur zeigen, dass der IHK-Bezirk Potsdam statistisch besser dasteht als der Landesdurchschnitt, aber in Bezug auf den Bundesdurchschnitt noch Nachholbedarf hat. Seit dem Jahr 2011 hat der Kammerbezirk aber bei einigen Indikatoren zum Bundesdurchschnitt aufgeholt.
So gibt es in der Region überdurchschnittlich viele Facharbeitskräfte, der Anteil der Akademiker fällt mit Ausnahme der Stadt Potsdam jedoch unterdurchschnittlich aus. Aus- und Weiterbildung müssen deshalb, ungeachtet der kurzfristigen Auswirkungen durch die COVID-19-Pandemie, aufgrund der demografischen Rahmenbedingungen und der gebotenen Weiterentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Region im Fokus der Wirtschaftspolitik stehen.
Wissensintensive Industrien und Dienstleistungen erwirtschaften vergleichsweise mehr Wohlstand. Dies lässt sich u. a. an der Produktivität oder an den Gewerbesteuereinnahmen ablesen. So wie etwa der Landkreis Teltow-Fläming mit einem hohen (wissensintensiven) Industriebesatz oder die Landeshauptstadt Potsdam mit einem hohen Besatz an wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen zeigen. Der IHK-Bezirk Potsdam insgesamt zeigt mit 22,5 Prozent hier aber noch Nachholbedarf. Der Abstand zum Bundesdurchschnitt (32,4) hat sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren nicht verringert.
Aus regionalwirtschaftlicher Sicht sollte die Förderung von hochwertigen Arbeitsplätzen im Fokus von Wirtschaftsförderung stehen, ohne Arbeitsplatzmöglichkeiten für alle Qualifikationsniveaus aus dem Auge zu verlieren. Bei den gewerbeflächenabhängigen Wirtschaftszweigen haben sich das Baugewerbe (+3,7 Prozent bzw. +15,8 Prozent) und das Verarbeitende Gewerbe (+5,7 Prozent bzw. +9,5 Prozent) insgesamt weniger positiv als im Bundesdurchschnitt entwickelt. Die Logistikwirtschaft war in den vergangenen Jahren ein Wachstumstreiber auf dem Arbeitsmarkt im IHK-Bezirk (+49,1 Prozent), wobei auch hier keine flächendeckende Entwicklung zu beobachten ist. Das Wachstum konzentrierte sich maßgeblich auf die vier direkten Berliner Umlandkreise Havelland, Oberhavel, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming. Insgesamt hat sich die Zahl der Beschäftigten um 13,1 Prozent erhöht und lag damit, wie bei vielen Indikatoren, über dem landes- und unter dem bundesweiten Wachstum (+10,3 Prozent bzw. +16,6 Prozent). Im unmittelbaren Berliner Umland gab es eine deutlich höhere Dynamik als im ländlichen Raum (+18,0 Prozent bzw. +7,5 Prozent). In einigen Kommunen ging die Zahl der Beschäftigten auch zurück.
Gleichzeitig fällt im Abgleich mit der demografischen Entwicklung auf, dass sich der Arbeitsmarkt im ländlichen Raum vergleichsweise günstiger entwickelt hat. Dort kamen auf einen zusätzlichen Einwohner im Durchschnitt etwa 4,5 zusätzliche Arbeitsplätze. Im Berliner Umland waren es nur etwa 0,5 Arbeitsplätze. Im Berliner Umland ist der Effekt wiederum verzerrt, da viele Einwohner ihren Arbeitsplatz in Berlin haben.

Gewerbesteuereinnahmen wachsen stark, aber noch immer weit unter Bundesdurchschnitt

Die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen im IHK-Bezirk Potsdam haben sich in den vergangenen Jahren zwar überdurchschnittlich stark erhöht, das Niveau bleibt aber noch deutlich unterdurchschnittlich, was vor allem mit dem Unternehmensbesatz begründet werden kann. Im Zeitraum 2011 bis 2018 erhöhten sich die Einnahmen im IHK-Bezirk Potsdam um 83,7 Prozent. Der Zuwachs fiel damit im Vergleich zur landes- und bundesweiten Entwicklung (+71,8 Prozent bzw. +38,0 Prozent) deutlich dynamischer aus, wodurch sich der Abstand zum Bundesdurchschnitt verringert hat. Gleichzeitig entsprach das Gewerbesteueraufkommen mit etwa 455 Euro pro Einwohner zuletzt noch immer nur etwa zwei Dritteln des bundesweiten Vergleichswertes (674 Euro).

Ein Viertel der Gewerbeflächennachfrage in drei Kommunen  

Die Gewerbeflächennachfrage fiel in den vergangenen Jahren im IHK-Bezirk Potsdam insgesamt hoch aus und ist aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs im Zeitverlauf deutlich angestiegen – insbesondere im Berliner Umland, wo die Kaufpreise deutlich über den Vergleichswerten im ländlichen Raum liegen (56,70 Euro bzw. 11,90 Euro). Das Vermarktungsgeschehen im Berliner Umland war stark durch Großlogistik geprägt (u. a. Großbeeren, Ludwigsfelde, Wustermark). Allein auf diese drei Kommunen entfallen 253,1 Hektar von insgesamt 1.056 Hektar Flächenumsatz im gesamten Kammerbezirk. Im Zeitraum 2011 bis 2019 hat sich der Flächenumsatz pro Jahr von 77,6 auf 167,4 Hektar mehr als verdoppelt.
Die Auswertung der Kaufpreisstatistik unterstreicht, dass der Kaufpreis meist kein ausschlaggebendes Kriterium für die Standortwahl darstellt. Unternehmen nehmen für einen für sie optimalen Standort durchaus höhere Preise in Kauf. Es gibt aber auch im ländlichen Raum Kommunen mit hohen Flächenumsätzen bei günstigen Kaufpreisen. Hier zeigt sich jedoch, dass ein hoher Flächenumsatz nicht zwangsläufig mit einem entsprechenden Beschäftigtenwachstum einhergeht.
Ein ausreichendes Flächenangebot stellt für Kommunen und Regionen eine zentrale Grundvoraussetzung dar, um sich wirtschaftlich weiterentwickeln zu können. Nur so können Ansiedlungen von neuen Unternehmen und/oder Expansionen von ansässigen Unternehmen realisiert werden. Die Analyse des Gewerbeflächenangebotes in den vorangegangenen Studien hat ergeben, dass in Teilbereichen des Kammerbezirks – insbesondere entlang der Berliner Rings (A 10) – mittlerweile eine deutliche Flächenknappheit herrscht. Oft sind Potenzialflächen mit Restriktionen belegt, sodass eine Entwicklung von Industrie- und Gewerbeflächen auf Brachflächen oder neuen Flächen erschwert oder sogar verhindert wird. Dieses Problem dürfte sich zuletzt weiter verschärft haben, wodurch auch die Flächenumsätze niedriger ausfallen dürften.
Um auf kommunaler bzw. regionaler Ebene zukünftig eine erfolgreiche und zielgerichtete Standortpolitik betreiben zu können, ist ein professionelles Flächenmanagement für den Ankauf, die Entwicklung und die Vermarktung von Flächen von grundlegender Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass neue Gewerbeflächen sich nur dann erfolgreich vermarkten lassen, wenn sie die Standortfaktoren der Flächen nachfragenden Unternehmen erfüllen. Aufgrund der anhaltend hohen Flächennachfrage durch Logistikunternehmen im Berliner Umland und der weitestgehend abgeschlossenen Vermarktung der GVZ-Standorte Großbeeren und Wustermark muss nun die Frage beantwortet werden, wo und in welchem Umfang zukünftig Logistikansiedlungen erfolgen sollen bzw. können.
Es ist davon auszugehen, dass die Gewerbeflächennachfrage im Zuge der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 deutlich geringer als in den Vorjahren ausfallen wird. Aufgrund der negativen konjunkturellen Entwicklung sind die Unternehmen bei Investitionen eher zurückhaltend. Gleichzeitig könnte jedoch auch ein Umdenken bei den Unternehmen einsetzen, deren Produktions- und Lieferketten international ausgerichtet sind und die im Zuge der Pandemie die Anfälligkeit dieses Modells erfahren mussten. Eine stärkere Regionalisierung von Wertschöpfungsketten könnte Treiber der zukünftigen Gewerbeflächennachfrage sein.
Unabhängig von diesen Überlegungen spricht die attraktive Standortlage und die gute verkehrliche Anbindung zahlreicher Kommunen in Westbrandenburg für eine anhaltend hohe Gewerbeflächennachfrage. Um im Standortwettbewerb nicht zurückzufallen, sollten die Kommunen und Regionen im IHK-Bezirk Potsdam stets in einem vertretbaren Umfang attraktive Gewerbebaugrundstücke angebotsorientiert vorhalten. Nur dann kann adäquat bzw. zeitnah auf Ansiedlungsanfragen und Expansionswünsche reagiert werden.
 Erstellt wurde die Studie vom Hamburger Beratungsinstitut Georg Consulting Immobilienwirtschaft | Regionalökonomie im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Potsdam.