Russland-Ukraine-Krieg

Vertragsanpassung aufgrund der Ukraine-Krise

Der Ukraine-Konflikt hat durch die Ausfälle von Flugverbindungen, die Störung von Lieferketten, den Erlass von Sanktionen und andere behindernde Umstände auch Auswirkungen auf bereits geschlossene Verträge. Auf dieser Seite stellen wir Ihnen Informationen zur Vertragsanpassung bereit.

Musterklauseln

Als Hilfestellung für die Vereinbarung aufschiebend bedingter Verträge, empfiehlt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in seinem Merkblatt zum Außenwirtschaftsverkehr mit der Russischen Föderation (Stand März 2021) eine entsprechende Musterklausel in den Vertrag aufzunehmen, welche das Unternehmen für den Fall eventuell auftretender Genehmigungserfordernisse absichert.
Bitte beachten Sie, dass es sich bei der Musterklausel lediglich um eine rechtlich unverbindliche Version handelt, die stets an die individuellen Bedürfnisse des Einzelfalls anzupassen ist. Durch die Verwendung dieser Musterklausel machen Sie deutlich, dass Sie sich über das Bestehen (eventueller) Genehmigungserfordernisse im Klaren sind und eine rechtliche Bindung nur unter der Voraussetzung eingehen wollen, dass die konkret erforderliche Genehmigung erteilt wird.

Musterklausel:
(Deutsch)
Es wird vereinbart, dass das rechtsverbindliche Zustandekommen dieses Vertrages unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Frankfurter Straße 29 - 35, 65760 Eschborn, Deutschland, die erforderliche(n) Genehmigung(en) für den Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe und/ oder die Ausfuhr der unter... bezeichneten Güter/ Technologien zur Verwendung in Russland alternativ an... (Russische Person/ Organisation/ Einrichtung) erteilt.
(Englisch )
It is hereby expressively stated that the legally binding conclusion of this contract is subject to the condition precedent that a prior authorization for the sale, supply, transfer and/or export of the goods/ technology listed in section... for use in Russia alternatively to... (Russian person, entity or body) is granted by the Office of Economic Affairs and Export Control (BAFA), Frankfurter Straße 29 - 35, 65760 Eschborn, Germany.

Höhere Gewalt-Klauseln

Im besten Fall wurde in den Vertrag bereits vorsorglich eine Klausel zur Höheren Gewalt aufgenommen, in welchem ein militärischer Konflikt nicht bereits bewusst ausgeschlossen wurde und welcher das weitere Vorgehen regelt. Enthält der Vertrag keine solche Klausel, so gilt das Gesetz. Nach deutschem Recht kann nach unverzüglicher gegenüber dem Vertragspartner ausgesprochener „Höhere Gewalt-Anzeige” eine Anpassung des Vertrages beispielsweise in Form der Verlängerung von Lieferfristen verlangt werden. Jede Partei hat die ihr dabei entstandenen Schadensersatzansprüche grundsätzlich selbst zu tragen. Der Rücktritt vom Vertrag ist im Hinblick auf den zivilrechtlichen Grundsatz der Vertragstreue nur im Einzelfall möglich. Möglicherweise treffen die Unternehmen auch Schadenminderungspflichten oder die Verpflichtung, eine Sonderlieferung zu veranlassen. Zur Ermittlung der Pflichten ist eine genaue Analyse des Vertrages notwendig.
Bitte beachten Sie:  Die IHK bescheinigt nicht, dass „Höhere Gewalt“ vorliegt. Der Begriff sollte in von der IHK zu bescheinigenden Dokumenten nicht genannt sein. Die IHK kann jedoch das Vorliegen von Tatsachen bescheinigen, z.B. dass ein bestimmtes Ereignis (Grenzschließungen, Erlass von Sanktionsvorschriften) an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit aufgetreten ist.

Störung der Geschäftsgrundlage

Alternativ kommt eine Berufung auf die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs.1 BGB) infrage. Eine Störung der Geschäftsgrundlage liegt vor, wenn Umstände, die Grundlage des Vertrages geworden sind, sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Beide Vertragsparteien dürfen die Veränderung nicht vorhergesehen haben und hätten in Kenntnis der Veränderung den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen. Das Festhalten am Vertrag muss im konkreten Fall unzumutbar sein. Dem betroffenen Vertragsteil steht das Recht zur Vertragsanpassung und ggf. zum Rücktritt/ zur Kündigung zu.
Hierbei ist zu beachten, dass die Kalkulation der Preise grundsätzlich nicht Vertragsgrundlage ist. Diese liegt in der Risikosphäre des Verkäufers. Der Verkäufer kann sich gegen etwaige Preisschwankungen durch sog. Preisgleitklauseln absichern.
Der Maßstab der Zumutbarkeit wird in der Rechtsprechung sehr hoch angesetzt. Auch das Vorliegen einer Geschäftsgrundlage wird von den Gerichten nicht ohne Weiteres angenommen.
Wir empfehlen, zumindest bei wichtigen und langfristig laufenden Verträgen einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Lieferengpässe

Auch bei Lieferengpässen gilt zunächst, dass der Unternehmer an die vertragliche Vereinbarung gebunden ist. Kann er die Waren nicht wie üblich von seinem Lieferanten beziehen, muss er sich die Ware anderweitig beschaffen, auch wenn damit Preissteigerungen verbunden sind. Besteht keine anderweitige Beschaffungsmöglichkeit, ist er von der Leistungspflicht (vorübergehend) befreit.
Machen Auftraggeber wegen Lieferverzögerungen Schadensersatzansprüche geltend, haftet der Unternehmer nur, wenn er die Verzögerung zu vertreten hat. Dem Unternehmer ist zu empfehlen, rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Er sollte mit Auftraggebern frühzeitig in Kontakt treten und sie über das Leistungshindernis informieren.
Hinweis: Die Vertragspartner sollten gemeinsam nach einer individuellen Lösung suchen. Mediation und Vertragsverhandlungen können dabei helfen, einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu finden.

Umgang mit Lieferengpässen und Preissteigerungen bei öffentlichen Ausschreibungen im Bauwesen
Der Angriff auf die Ukraine führt auch auf deutschen Baustellen zu erheblichen Lieferengpässen vieler Materialien und damit zum Anstieg verschiedener Baustoffkosten.
Für die Bundesbauverwaltung und den Verkehrswegebau haben das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) am 25.03.2022, siehe Anlage Hinweisblatt (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 390 KB), zum Umgang mit diesen Problemen herausgegeben, welche für die Baustellen des Bundes gelten. Länder, Kommunen und andere öffentliche Bauauftraggeber können sich daran orientieren.
Neue Verträge sollten danach bezüglich bestimmter Baumaterialien und Betriebsmittel mit einer Preisgleitklauseln versehen werden, um so eine Anpassung an die Marktentwicklung zu ermöglichen.
Bestehende Verträge sind grundsätzlich einzuhalten. Im Einzelfall sollte jedoch geprüft werden, ob dem Unternehmen ein Festhalten am Vertrag zu den unveränderten Preisen noch zuzumuten ist. Ist nach Prüfung von einer gestörten Geschäftsgrundlage auszugehen, können auch in bestehenden Verträgen die Preise nachträglich angepasst werden.
Soweit Vergabeverfahren bereits eingeleitet sind, aber die Angebotes noch nicht geöffnet wurden, sind die Stoffpreisgleitklauseln nachträglich einzubeziehen. Ausführungsfristen sind an die aktuelle Situation anzupassen.
Ist die Angebotseröffnung bereits erfolgt, sollten die Vergabestellen das Verfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzen und auch hier nachträglich eine Stoffpreisgleitklausel einbeziehen.
Das Informationen des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen dazu finden Sie hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 416 KB).
Die Praxishinweise gelten ab sofort, zunächst befristet bis zum 30. Juni 2022 und sind ausschließlich für öffentliche Bauleistungen verbindlich.
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen verlängert und verschärft die Sonderregelungen zu den Materialengpässen und Stoffpreissteigerungen aufgrund des Ukraine-Kriegs bis zum 31.12.2022. Den neuen Erlass finden Sie hier.
Bitte beachten Sie auch die dazugehörigen Anlagen wie das Formblatt 225a und die dazugehörigen Erläuterungen und Hinweise.