Umfrage "Going International"

Protektionismus setzt deutsche Unternehmen unter Druck

Hier werden die Ergebnisse der bundesweiten Umfrage „Going International 2023“ der DIHK im FAQ-Stil abgebildet. Und um diese Themen geht es in der Umfrage: geopolitischen Herausforderungen, Handelshemmnisse, Lieferengpässe, Diversifizierung von Märkten und das Lieferkettengesetz. Der folgenden Artikel ordnet die Ergebnisse aus dem Brandenburger Blickwinkel ein.

1. Unter welchen Rahmenbedingungen lief die Umfrage?

Die bundesweite Umfrage „Going International 2023“ der DIHK ist mit Unterstützung der 79 Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Deutschland erstellt worden. An der Befragung vom 30. Januar bis zum 15. Februar 2023 haben sich rund 2.400 auslandsaktive Unternehmen mit Sitz in Deutschland beteiligt. Die Einschätzung der Unternehmen zu Märkten, geopolitische Herausforderungen, Handelshemmnissen, Lieferengpässen, Diversifizierung und Lieferkettengesetz war gefragt.


2. Welche Ergebnisse liefert die bundesweite Umfrage?

Die international tätigen deutschen Unternehmen sahen sich im vergangenen Jahr so deutlich wie noch nie zuvor von zusätzlichen Handelshemmnissen in ihren Auslandsgeschäften behindert. Neben Herausforderungen durch lokale Zertifizierungsanforderungen und verstärkten Sicherheitsanforderungen, erschweren vor allem Local-Content-Bestimmungen wie der IRA in den USA sowie Sanktionen die internationalen Geschäfte. Durch den zunehmenden Protektionismus in der Welt blicken die Unternehmen insgesamt pessimistischer als noch im Vorjahr auf ihre Auslandsgeschäfte im Jahr 2023. Lediglich in Nordamerika, insbesondere in den USA, verbessern sich die Geschäftsaussichten, während sie in vielen Teilen der Welt deutlich negativ sind. Durch die veränderten geopolitischen Gegebenheiten planen viele Unternehmen Maßnahmen zu ergreifen, wie die Erschließung neuer Märkte oder auch die Erhöhung der Lagerhaltung. Zur Flankierung ihrer Diversifizierungsbemühungen wünschen sich zahlreiche Unternehmen zudem Unterstützung durch die Politik, insbesondere einen Abbau von Handelshemmnissen, den Abschluss von Handelsabkommen und eine Stärkung der Welthandelsregeln der WTO.
Die Ergebnisse der deutschlandweiten Umfrage finden Sie auf der Homepage der DIHK: Handelshürden setzen deutsche Betriebe zunehmend unter Druck (dihk.de)


3. Haben auch Brandenburger Unternehmen daran teilgenommen?

Insgesamt haben auch 79 Unternehmen aus ganz Brandenburg an der Umfrage teilgenommen. Größtenteils decken sich die Einschätzungen dieser Brandenburger Unternehmen mit den bundesweiten Ergebnissen.

3.1 Wie sehen Brandenburger die Situation und Perspektive in ihren Zielregionen?

Die Brandenburger Unternehmen sehen eher verhalten auf das restliche Geschäftsjahr 2023. Einzig dem EU-Binnenmarkt und der USA werden noch gute Geschäftschancen eingeräumt. 
Für die Eurozone beurteilen die Unternehmen aus Brandenburg die Geschäftsaussichten nahezu identisch wie im Vorjahr. Auch in Nordamerika gehen die meisten Unternehmen davon aus, dass sich die Geschäftsperspektive in diesem Jahr nicht verändert.
Polen ist auch 2022 wieder der wichtigste Exportpartner Brandenburgs, wie das Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg mitteilte. Die unverändert positiven Geschäftsaussichten für den EU-Binnenmarkt lassen auch für den polnischen Markt gute Geschäftsaussichten für 2023 ableiten.
Der britische Markt bleibt auch 2023 einer der am schlechtesten bewerteten im Brandenburger Ranking. Rund die Hälfte der dort tätigen Unternehmen spricht im Vereinigten Königreich von einer schlechten Geschäftslage. In Bezug auf das Vereinigte Königreich ist der Stimmungsausblick mit dem des Vorjahres vergleichbar. Die überwiegende Mehrheit rechnet dabei mit einer gleichbleibenden Geschäftssituation, der Anteil pessimistischer Einschätzungen ist jedoch größer als der der optimistischen Unternehmensprognosen.
Der russische Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland sowie russische Gegensanktionen spiegeln sich in den Auslandsgeschäften wider. In Russland beurteilt mehr als die Hälfte der dort tätigen Unternehmen die aktuelle Geschäftssituation als schlecht. 
Große Herausforderungen sehen Brandenburger Unternehmen auch für den türkischen Markt. Auch hier wird die aktuelle Geschäftssituation überwiegend als schlecht beurteilt.
Brandenburger Firmen sehen weiterhin Geschäftsperspektiven in neuen Zielmärkten außerhalb der Haupthandelspartner. Für Subsahara- und Nordafrika, den Nahen Osten und auch Süd- und Mittelamerika werden unveränderte Rahmenbedingungen wie 2021 erwartet. Für die Nordamerikanischen Länder fällt der Ausblick etwas optimistischer aus als im Vorjahr.


3.2 Welche Maßnahmen wurden aufgrund geopolitischer Herausforderungen eingeleitet?

Mehr als die Hälfte der antwortenden Unternehmen hat angesichts der geopolitischen Herausforderungen Maßnahmen eingeleitet. Etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen versuchen neue Märkte zu erschließen, insbesondere für das Exportgeschäft. Eine Erhöhung der Lagerhaltung (= weniger just-in-time-Produktion) ist für rund jedes vierte Unternehmen eine Option. Eine Verlagerung der Produktion von Deutschland ins Ausland bzw. umgekehrt (Rückverlagerung von Produktion nach Deutschland) wird nur einer kleinen Zahl an Unternehmen angestrebt.  

 
3.3 Inwiefern sehen sich Brandenburger Unternehmen von Handelshemmnissen betroffen?

Die Handelshemmnisse haben für Brandenburger Unternehmen gegenüber dem Vorjahr weiter zugenommen. Die bedeutendsten Barrieren stellen dabei nach Ansicht fast jedes zweiten von Hemmnissen betroffenen Unternehmens intransparente Gesetzgebung und Sanktionen dar. Bei den Sanktionen hat sich der Anteil im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Etwa ein Drittel der Unternehmen nennt verstärkte Sicherheitsanforderungen und lokale Zertifizierungsanforderungen.
Ein Viertel der von zunehmenden Handelshemmnissen betroffenen Unternehmen beklagt höhere Zölle, etwas weniger als jedes fünfte Unternehmen den Zwang zu Local Content (Produktion vor Ort), Erschwerten Zugängen zu öffentlichen Aufträgen und Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt.


3.4 Wie gehen Brandenburger Unternehmen mit den anhaltenden Lieferengpässen um?

Angesichts der anhaltenden Lieferengpässe sind auch Brandenburger Firmen zunehmend vor massive Herausforderungen gestellt: Sechs von zehn Unternehmen in Brandenburg (63 Prozent) haben die Folgen der anhaltenden Lieferengpässe über Preissteigerungen ihrer Produkte und Dienstleistungen an ihre Kunden weitergegeben. 
Auch die Diversifizierung von Lieferanten und Märkten ist ein häufiges Mittel der Brandenburger Firmen: fast die Hälfte der Unternehmen hat sich im Zuge der Lieferengpässe neue oder zusätzliche Lieferanten für Rohstoffe gesucht, mehr als ein Fünftel der Unternehmen hat seine Lieferanten in mehrere Länder und Regionen verteilt, um das Risiko weiterer Ausfälle weiter zu minimieren. 


3.5 Welche politischen Maßnahmen zur Erleichterung der Diversifizierung von Lieferketten werden gefordert?

Als politische Maßnahmen, welche die Diversifizierung der Lieferketten erleichtern, fordern circa 60 % der Brandenburger Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, einen stärkeren Einsatz für den Abbau von Handelshemmnissen. Etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen wünscht sich ehrgeizigere Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern. Rund ein Viertel fordert bessere Finanzierungsmöglichkeiten wie z.B. Exportkredit- und Investitionsgarantien. Ein ähnlicher Anteil verlangt bessere multilaterale Regeln etwa in der Welthandelsorganisation


3.6 Sind Brandenburger Unternehmen vom Lieferkettengesetz betroffen?

Seit dem 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Es verpflichtet Unternehmen in ihren Lieferketten menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten. 
Ab 2023 gilt das Gesetz zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – das betrifft rund 700 Unternehmen in Deutschland und schätzungsweise eine niedrige zweistellige Zahl in Brandenburg.
Ab 2024 gilt das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Obwohl sich das Gesetz in seiner aktuellen Fassung unmittelbar nur an große Unternehmen richtet, sind auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) als Zulieferer für größere Abnehmer ihrer Produkte und Dienstleistungen vom Gesetz betroffen.
Von den teilnehmenden Unternehmen wären aufgrund ihrer Mitarbeiterzahl nur 2 Unternehmen direkt vom Lieferkettengesetz betroffen und trotzdem gibt rund ein Fünftel der teilgenommenen Unternehmen an, bereits bezüglich menschenrechts- und umweltbezogener Risiken in der Lieferkette kontaktiert worden zu sein. 
Rund ein Drittel gibt an, Herausforderungen bei der Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zu sehen. So befürchten die Firmen mehr Bürokratie, Kosten und Wettbewerbsnachteile. Insbesondere bei der Überprüfung von Zulieferern und der Überprüfung ihrer Lieferketten sehen sie noch Unterstützungsbedarf. Der von rund einem Drittel der Befragten geäußerte Wunsch nach Unterstützung bei der Bewältigung der Anforderungen des Lieferkettengesetzes zeigt den Willen der Umsetzung und die zeitgleich auftretenden Herausforderungen.


3.7 Welche Unterstützungsangebote fordern Brandenburger Unternehmen?

Etwa ein Drittel der befragten Unternehmen wünscht sich Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen rund um das Lieferkettengesetz. Am häufigsten genannt sind Negativlisten (Black Lists) über Zulieferer, Förderprogramme für KMU sowie Muster-Textbausteine für einen Code of Conduct, etwa jedes fünfte Unternehmen gibt dies an. Jedes zehnte Unternehmen sieht einen Unterstützungsbedarf bei der Vernetzung von Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen, es folgen die Überprüfung von Zulieferern im Ausland, die Nutzung digitaler Info-Tools und neuer Technologie sowie ein Unterstützungswunsch bei der Berichterstattung. 


4. Welche Unterstützung in Bezug auf die Umsetzung des Lieferkettengesetzes gibt es bereits?

Über das Bildungszentrum der IHK Potsdam wird ein Online-Zertifikatslehrgang „Nachhaltiges Lieferkettenmanagement“ angeboten, der 2022 auch mit dem „Deutschen Award für Nachhaltigkeitsprojekte 2022“ in der Kategorie „Dienstleistung - Beratung / Schulung“ ausgezeichnet wurde. Das Live-Online-Training umfasst insgesamt 38 Lehrgangsstunden als Live-Online-Training sowie ca. 28 Lehrgangsstunden als modulbegleitendes Selbstlernstudium.

Termine: Frühjahr, 10.05.2023-11.08.2023 und Herbst, 06.09.2022-08.12.2023

• zentrale Durchführung durch die DIHK-Bildungs-gGmbH
• inkl. digitaler Unterlagen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
• inkl. digitalem Abschlusstest (Präsentation)
• Die Buchung einzelner Module ist nicht möglich.
• Entgelt: 2.190 Euro 
• Diese Leistung sind gemäß § 4 Nr. 22 Bstb a.) UstG steuerfrei.

Das BAFA hat im letzten Jahr die inhaltlichen und technischen Voraussetzungen geschaffen, um seinem gesetzlichen Auftrag zur Kontrolle der Einhaltung des LkSG nachzukommen. Dafür hat das BAFA unter anderem wirksame, bürokratiearme und ressourcensparende Lösungen erarbeitet sowie Handreichungen veröffentlicht, die Unternehmen bei der Umsetzung des Gesetzes unterstützen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) stellt unter wirtschaft-menschenrechte.de ein umfassendes Informationsangebot zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in deutscher und englischer Sprache bereit.

Die Bundesregierung hat mit dem Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen zu menschenrechtlicher Sorgfalt ins Leben gerufen. Der Helpdesk berät Unternehmen kostenfrei bei der Implementierung der fünf Kernelemente, organisiert individuelle Schulungen und stellt zwei wichtige online Tools für Unternehmen zur Verfügung:
Der CSR Risiko-Check informiert über lokale Menschenrechtssituation sowie Umwelt-, Sozial- und Governancethemen nach Land, Produktbereich und Branche.
Der KMU-Kompass unterstützt insbesondere kleine und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung der Kernprozesse menschenrechtlicher Sorgfalt im Unternehmen und verbindet dazu Informationen, Arbeitshilfen und Erklärvideos mit interaktiven Tools wie Self-Checks.
Der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte bündelt wichtige Informationen und zahlreiche Fallstudien zu konkreten Menschenrechtsthemen wie etwa Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, existenzsichernde Löhne und faire Arbeitszeiten.
•    Der Online-Kurs Wirtschaft & Menschenrechte hilft Ihnen, die Relevanz von Menschenrechten im Unternehmenskontext zu verstehen und gibt Ihnen erste Schritte, Instrumente und Ressourcen an die Hand, um mit der Umsetzung zu starten. Einen kostenfreien Zugangscode erhalten Sie unter HelpdeskWiMR@wirtschaft-entwicklung.de

Das Deutsche Global Compact Netzwerk unterstützt Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer menschenrechtlichen Sorgfalt durch Prozesshilfen, Zugang zu Self-Assessment-Tools und Argumentationshilfen auf dem Portal www.mr-sorgfalt.de. So können beispielsweise Webinare zu den einzelnen Kernelementen menschenrechtlicher Sorgfalt online abgerufen werden.

Die Business-Scouts for Development beraten im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Unternehmen zu Aktivitäten in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Die bayerischen IHKs bieten ein Muster-Verhaltenskodex für Lieferanten (Code of Conduct), ein branchenneutrales Muster auf deutscher und englischer Sprache mit dem ein Unternehmen seine Erwartungen an Lieferanten kommunizieren kann.