Die Kleinunternehmerregelung

Im Hinblick auf die Umsatzsteuer und die Buchführung können Kleinunternehmer von bürokratischen Entlastungen profitieren. Der Vorteil der sog. Kleinunternehmerregelung ist, dass keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden muss. Die in der Regel monatliche Umsatzsteuervoranmeldung entfällt ebenfalls. Was im ersten Moment gut klingt, hat aber auch Nachteile. So haben Kleinunternehmer im Gegenzug kein Recht, die Umsatzsteuer aus ihren Eingangsrechnungen geltend zu machen. Kleinunternehmer sollten daher gut überlegen, ob sie die Kleinunternehmerregelung anwenden möchten. Überwiegen die Nachteile, gibt es die Möglichkeit, auf die Regelung zu verzichten.

I. Wer ist Kleinunternehmer?

Hinweis: Der Gesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2025 die Kleinunternehmerregelung ab dem 01.01.2025 deutlich ausgeweitet und modifiziert. Insbesondere die Umsatzgrenzen von 22.000 Euro (Vorjahr) und 50.000 Euro (laufendes Kalenderjahr) wurden auf 25.000 Euro und 100.000 Euro angehoben.
Bisherige Regelung:
Kleinunternehmer aus steuerlicher Sicht ist, wer
· im vorangegangenen Jahr Gesamtumsatz von nicht mehr als 22.000 Euro erwirtschaftet hat.
und
· im laufenden Kalenderjahr einen voraussichtlichen Umsatz zuzüglich Umsatzsteuer von nicht mehr als 50.000 Euro erwirtschaften.
Beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein. Hat der Unternehmer die Vorjahresgrenze von 22.000 Euro überschritten, kann er die Kleinunternehmerregelung im laufenden Jahr nicht anwenden – selbst wenn feststeht, dass der Umsatz im laufenden Jahr unter 22.000 Euro liegen wird.
Die Gesamtumsatzgrenze bezieht sich immer auf ein ganzes Kalenderjahr. Wer im Laufe eines Jahres mit seiner selbständigen Tätigkeit startet, muss den voraussichtlichen Umsatz also auf zwölf Monate hochrechnen.
Neue Regelung
Zum 1.1.2025 erhöht sich der Schwellenwert des Vorjahresumsatzes auf 25.000 Euro. Außerdem wird eine neue Grenze für das laufende Jahr in Höhe von 100.000 Euro eingeführt.
Kleinunternehmer ist, wer
· im vorangegangenen Kalenderjahr einen Umsatz zuzüglich Umsatzsteuer von nicht mehr als 25.000 Euro hat
und
· im laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 100.000 Euro Umsatz macht.
Wichtig: Bei der “alten” 50.000 Euro - Grenze handelte es sich um eine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres. Wurde diese Prognose nach bestem Wissen und Gewissen aufgestellt, war eine Überschreitung der 50.000 Euro im laufenden Jahr unschädlich.
Die “neue” 100.000 Euro - Grenze stellt nicht einen voraussichtlichen Umsatz dar. Vielmehr fällt der Unternehmer bei Überschreiten sofort, das heißt im laufenden Jahr aus der Kleinunternehmerregelung. Es ist also wichtig, die Umsätze des laufenden Jahres immer im Blick zu behalten.
Beispiel: Unternehmerin U erwirtschaftet im Jahr 2022 einen Gesamtumsatz von 22.000 Euro. Sie erwartet, dass sie im Jahr 2025 einen Gesamtumsatz von 27.000 Euro erwirtschaften wird. Tatsächlich beläuft sich der Gesamtumsatz für 2025 auf 70.000 Euro. Damit kann Unternehmerin U für 2024 und 2025 die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Für 2026 liegen die Voraussetzungen hingegen nicht mehr vor, da Unternehmerin U die Vorjahresgrenze (2025) von 22.000 Euro überschritten hat.
Neuregelung bei Neugründung
Bei Neugründung eines Unternehmens gibt es keinen Vorjahresumsatz. Hier war bislang auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres abzustellen, der durch Prognose zu ermitteln war.
Ab 2025 starten Neugründer automatisch als Kleinunternehmer, ohne eine Prognose abgeben zu müssen.
Beispiel: Unternehmer U übt seine gewerbliche Tätigkeit seit dem 10. Mai in Brandenburg a. d. Havel aus. In der Zeit vom 10. Mai 2025 bis 31. Dezember 2025 erzielt er einen Umsatz von 22.000 Euro. U ist im Jahre 2025 Kleinunternehmer, da er die Umsatzgrenze von 25.000 EURO unterschreitet.
Wichtig: Der Umsatz, der im Gründungsjahr die 25.000 Euro übersteigt, führt zu einer sofortigen Beendigung der Kleinunternehmerregelung und unterliegt der Regelbesteuerung. Die vorherigen nach der Kleinunternehmerregelung steuerbefreiten Umsätze bleiben dagegen steuerfrei.
Beispiel: Unternehmer U erzielt im Gründungsjahr 2025 von Mai bis November Umsätze in Höhe von 25.000 EURO und im Dezember einen Umsatz in Höhe von 5.000 EURO. Während die Umsätze bis November von der Umsatzsteuer befreit sind, unterfällt der Dezember-Umsatz der Regelbesteuerung.
Einheitliches Unternehmen
Ein Unternehmer kann im umsatzsteuerlichen Sinne nur ein Unternehmen haben. Dieses umfasst die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Für die Ermittlung des Gesamtumsatzes und die Frage, ob die Kleinunternehmergrenze überschritten ist, sind damit alle vom Unternehmer ausgeführten Umsätze des einheitlichen Unternehmens einzubeziehen.
Personengesellschaften, Personenvereinigungen und Kapitalgesellschaften gelten im Umsatzsteuerrecht als eigene Unternehmen. Daher gilt die Umsatzgrenze insbesondere auch für die Umsätze einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) oder einer UG (Unternehmergesellschaft).

II. Wie werden die Umsatzgrenzen ermittelt?

Maßgebend für die Ermittlung der Umsatzgrenzen ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz (Einnahmen, nicht Gewinn) einschließlich der enthaltenen Umsatzsteuer. Nach § 19 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist für die Berechnung des Gesamtumsatzes von der Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auszugehen. Damit gehören Einfuhren aus dem Drittland und innergemeinschaftliche Erwerbe nicht zum Gesamtumsatz.
Im Detail:
Steuerbare Umsätze nach § 19 UStG
./. bestimmte steuerfreie Umsätze, §§ 4 Nr. 8i, Nr. 9 b, Nr. 11-29 UStG
./. bestimmte steuerfreie Hilfsumsätze, §§ 4 Nr. 8 a-h, Nr. 9 a, Nr. 10 UStG (z.B. Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen)
= Gesamtumsatz
./. darin enthaltene Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Verkauf und Entnahme)
= Gesamtumsatz gem. § 19 Abs. 2 UStG

III. Welche Folgen hat die Kleinunternehmerregelung?

Bis 31.12.2024 galt: die geschuldete Umsatzsteuer für die von einem Kleinunternehmer ausgeführten steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze wurde nicht erhoben. Die Kleinunternehmerregelung war aber keine Steuerbefreiungsvorschrift. Vielmehr wurden Kleinunternehmer von der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenommen und insoweit wie ein Nichtunternehmer behandelt.
Ab 1.1.2025 wird auf das Erheben der Umsatzsteuer nicht mehr verzichtet, vielmehr sind die Umsätze steuerbefreit.
Deshalb hat der Kleinunternehmer aus seinen Eingangsrechnungen keinen Vorsteuerabzug (dies galt auch schon bei der Alt-Regelung). Eben sowenig kann er die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.
Achtung: Kleinunternehmer dürfen in ihren Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Tun sie dies dennoch, wird die (unberechtigt) ausgewiesene Umsatzsteuer auch geschuldet und muss an das Finanzamt abgeführt werden. Dies gilt auch bei sog. Kleinbetragsrechnungen (Rechnungen bis zu 250 Euro), bei denen nicht der Steuersatz angegeben werden darf, oder Gutschriften, bei denen keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden darf.

IV. Was ist auf Rechnungen anzugeben?

In Folge dessen, dass die Umsätze der Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit sind,:
  • darf der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer gesondert in seinen Rechnungen ausweisen,
  • darf der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer, die ihm selbst berechnet wird, nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet erhalten,
  • dürfen seine Abnehmer keine Vorsteuer ziehen.
Hinweis: Wenn auch nicht zwingend, ist zu empfehlen, dass der Kleinunternehmer grundsätzlich in seinen Rechnungen einen Hinweis auf die Kleinunternehmerregelung aufnimmt, um Rückfragen zu vermeiden. Dies kann zum Beispiel durch den Zusatz geschehen: "Kein Steuerausweis aufgrund der Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG)"

V. Gibt es Optionsmöglichkeiten?

Da die Kleinunternehmerregelung auch nachteilig sein kann, hat der Unternehmer die Möglichkeit, auf deren Anwendung zu verzichten (Option zur Regelbesteuerung). Dies hat zur Folge, dass er wie ein normaler Unternehmer behandelt wird und den allgemeinen Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt. Er versteuert dann alle seine der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze und kann aus seinen Eingangsrechnungen die Vorsteuer geltend machen. Die Verzichtserklärung ist ohne besondere Form gegenüber dem Finanzamt abzugeben.
Wichtig: Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für fünf Kalenderjahre.
Die Option zur Regelbesteuerung kann grundsätzlich dann sinnvoll sein, wenn der Unternehmer
  • zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit hohe Anfangsinvestitionen hat und daher viel Umsatzsteuer an seine Lieferanten zahlen muss. Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kommt er in den Genuss des Vorsteuerabzugs.
  • selbst überwiegend an andere Unternehmen und nicht an Privatkunden leistet. Abnehmer, die Unternehmen sind, können die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ihrerseits als Vorsteuer geltend machen. Da der Kleinunternehmer die selbst gezahlte Umsatzsteuer aus seinen Eingangsrechnungen in seine Preiskalkulation einbeziehen wird, kann er seine Leistungen nur teurer anbieten.
Möchte der Unternehmer nach Ablauf der Fünfjahresfrist wieder zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren, muss er einerseits die Umsatzgrenzen einhalten und dazu die Option nach Ablauf der Frist gegenüber seinem Finanzamt widerrufen. Der Verzicht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung für das betreffende Kalenderjahr zu erklären. Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer im betreffenden Kalenderjahr können nachträglich berichtigt werden.

VI. Muss eine Umsatzsteuererklärung abgegeben werden?

Da Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer schulden, noch Vorsteuer geltend machen können, müssen sie auch keine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Auch die Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung entfällt ab dem Besteuerungszeitraum 2024.

VII. Was ist bei der Buchführung zu beachten?

Jeder Unternehmer muss sämtliche Geschäftsvorfälle mit Hilfe der Buchführung festhalten. Kleinunternehmer dürfen die sog. einfache Buchführung betreiben, wenn sie nicht als Kaufleute im Handelsregister eingetragen sind und die folgenden Grenzen nicht überschreiten:
Umsatz: 600.000 Euro
Gewinn: 60.000 Euro
Dies gilt auch für die Art der Gewinnermittlung. Werden die oben genannten Grenzen nicht überschritten, können Kleinunternehmer ihren Gewinn durch die sog. Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ermitteln.

VIII. Welche Besonderheiten gelten bei grenzüberschreitenden Lieferungen und Leistungen?

Bei Lieferungen und Dienstleistungen eines Kleinunternehmers über die Grenze gibt es verschiedene Besonderheiten zu beachten:
  • Ausgangsseite des Kleinunternehmers: Die Regelungen zu den steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen finden für den Kleinunternehmer keine Anwendung, d.h. sie sind grundsätzlich steuerpflichtig, aber steuerbefreit.. Ausnahme ist die innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge. Damit muss der Kleinunternehmer auch keine Zusammenfassende Meldung (ZM) abgeben und darf keine Umsatzsteueridentifikationsnummer angeben.
  • Eingangsseite des Kleinunternehmers: Innergemeinschaftliche Erwerbe müssen Kleinunternehmer im Gegensatz zum Vollunternehmer grundsätzlich nicht versteuern, außer es liegen die folgenden Ausnahmen vor:
    • die sogenannte Erwerbsschwelle von 12.500 Euro wurde überschritten oder
    • der Kleinunternehmer hat, solange die Erwerbsschwelle nicht überschritten wurde, zur Erwerbsbesteuerung optiert (Option bindet den Kleinunternehmer mindestens zwei Kalenderjahre oder
    • der Kleinunternehmer hat neue Fahrzeuge oder verbrauchssteuerpflichtige Waren innergemeinschaftlich erworben.
Darüber hinaus gelten folgende umsatzsteuerliche Vorschriften auch für Kleinunternehmer:
  • die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer
  • die Besteuerung von innergemeinschaftlichen Erwerben (siehe oben)
  • die innergemeinschaftliche Lieferung von Fahrzeugen
  • die Steuerschuldnerschaft nach § 13 b UStG (Steuerschuldumkehr) und § 25 b UStG (Dreiecksgeschäft)
Wichtig: Auch im Falle der oben genannten Sonderfälle hat der Kleinunternehmer kein Recht zum Vorsteuerabzug.
Auch einem Kleinunternehmer wird eine Umsatzsteueridentifikationsnummer auf Antrag erteilt. Ob er diese verwendet oder nicht, kann bei Lieferungen und Dienstleistungen zu weitreichenden Konsequenzen führen. Denn sobald ein Kleinunternehmer eine USt-IdNr. Hat, kann er innergemeinschaftliche Leistungen erbringen oder beziehen und damit zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sein. Bei internationalen Sachverhalten ist es ratsam, vorab einen Steuerberater zu konsultieren.

IX. Einführung einer EU-grenzüberschreitenden Kleinunternehmerbesteuerung

Ab 1.1.2025 gibt es erstmals eine Kleinunternehmerbesteuerung für EU-Unternehmer in anderen EU-Mitgliedstaaten (§ 19a UStG). Dies bedeutet, dass ein deutsches Unternehmen beispielsweise die französische Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen kann, wenn es in Frankreich steuerpflichtige Umsätze erzielt. Folgende Voraussetzungen müssen dazu erfüllt sein:
Umsatzgrenzen
Der Gesamtumsatz darf im vorangegangenen Kalenderjahr und im bisher laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 100.000 Euro betragen haben.
Besonderes Meldeverfahren
Der Unternehmer hat eine “Kleinunternehmer-Identifikationsnummer” beim Bundeszentralamt für Steuern auf elektronischem Wege beantragt.
  • Der Unternehmer muss eine vierteljährige Umsatzmeldung “im besonderen Verfahren” gegenüber dem BZSt abgegeben und er hat dieses Verfahren elektronisch beantragt.
  • Der Unternehmer hat nicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für den jeweiligen Mitgliedstaat verzichtet.
Sind alle Voraussetzungen erfüllt, so unterliegt der Umsatz des deutschen Unternehmers im anderen Mitgliedstaat den dort geltenden Regelungen der Kleinunternehmerbesteuerung und ist somit steuerfrei.
Die Europäische Kommission stellt auf ihrer Homepage Informationen zur EU-Kleinunternehmerregelung zur Verfügung.