Recht

Prokura und Handlungsvollmacht

I. Allgemeines

Prokura ist eine Unterform der handelsrechtlichen Vollmacht. Es handelt sich um eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht mit gesetzlich umschriebenem Umfang. Neben den §§ 48 ff. HGB (nachfolgende §§ ohne Gesetzesbezeichnung betreffen solche des HGB) gelten die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB. Zu den handelsrechtlichen Vollmachten gehören neben der Prokura auch die Handlungsvollmacht (§§ 54 f.) und die Vertretungsmacht der Ladenangestellten (§ 56).

II. Unterschiede Prokura und Handlungsvollmacht

Unterscheidungsmerkmale
Prokura
Handlungsvollmacht
Form der Erteilung
ausdrücklich, gegenüber Prokuristen, Dritten oder der Allgemeinheit
auch konkludent (durch schlüssiges Verhalten), auch durch Kleingewerbetreibende möglich
Erteilung durch
Inhaber des Unternehmens bzw. Organe des Unternehmensträgers, nur durch Kaufleute i.S.v. §§ 1 ff.
Inhaber des Unternehmens oder ihrerseits Bevollmächtigte (z.B. Prokurist)
Geeignete Personen
natürliche Person
natürliche oder juristische Person (z.B. GmbH)
Eintragung ins Handelsregister
erforderlich
(bei Genossenschaft: Genossenschaftsregister)
nicht erforderlich und nicht eintragungsfähig
Umfang
gesetzlich bestimmt, grundsätzlich alle Geschäfte, die irgendeinem Handelsgewerbe angehören
vom Vollmachtgeber bestimmt, nur branchenübliche und gewöhnliche Geschäfte eines konkreten Handelsgewerbes; Arten: General-, Art-, Spezialhandlungsvollmacht
Unterzeichnung
mit Firma, Familiennamen und Zusatz „ppa.“ oder „pp“
gewöhnliche Vertretung, z.B. „i.V.“

III. Erteilung der Prokura 

Die Erteilung der Prokura erfolgt nur durch den Inhaber des Handelsgeschäfts persönlich
[= (Voll-)Kaufmann] oder durch den gesetzlichen Vertreter. Bei den Handelsgesellschaften OHG, KG, GmbH, AG und der Genossenschaft erfolgt sie durch den organschaftlichen Vertreter; bei der GmbH & Co. KG kann der Prokurist durch die KG oder die Komplementär-GmbH bestellt werden. Die Prokura kann - im Gegensatz zur Handlungsvollmacht - nicht durch den rechtsgeschäftlichen Vertreter oder durch den Prokuristen selbst erteilt werden. Der Prokurist muss eine natürliche Person sein und der Kaufmann und der Prokurist müssen personenverschieden sein. Eine Erteilung an Gesellschafter ist möglich, aber nicht an den persönlich haftenden Gesellschafter einer OHG, eines KG-Komplementärs, eines AG-Vorstands oder eines GmbH-Geschäftsführers.

Die Erteilung der Prokura muss im Handelsregister (bei Genossenschaften in das Genossenschaftsregister) eingetragen werden. Die Eintragung selbst hat dabei nur deklaratorische Wirkung, d.h. auch bei Nichteintragung ist die Prokura materiell-rechtlich wirksam erteilt und ein Dritter kann sich gegenüber dem Kaufmann auf die Prokura berufen, vgl. § 15.

Als Gegenstück zur Einzelprokura, bei welcher der Prokurist allein handeln darf, existiert die Sonderform Gesamtprokura. Bei der Gesamtprokura ist die Prokura im Innenverhältnis beschränkt. Die „echte“ Gesamtprokura bedeutet, dass mehrere Prokuristen nur gemeinsam zu handeln befugt sind. Bei der „unechten“ Gesamtprokura liegt eine Gesamtvertretung durch einen Prokuristen zusammen mit einer Person vor, deren Vertretungsmacht nicht auf Prokura beruht (z.B. Prokurist zusammen mit dem Gesellschafter einer OHG oder mit dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder mit einem Handlungsbevollmächtigten/sonstigen Dritten).

IV. Umfang und Grenzen der Prokura

Der Prokurist ist ermächtigt, alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen (z.B. Vertragsschlüsse, Klagen vor Gericht, gerichtliche Vergleiche) vorzunehmen, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringt. Hierzu gehören auch außergewöhnliche und branchenfremde Geschäfte, z.B. Personaleinstellung, Kreditaufnahme, Erteilung von Handlungsvollmacht, Begründung/Beendigung Mietverhältnis.

Die Grenzen der Prokura bzw. von der Prokura ausgeschlossene Geschäfte sind: Grundlagengeschäfte, die das Organisationsrecht des Unternehmens betreffen (z.B. Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstands, Sitzverlegung, Einstellung des Handelsgeschäfts, Aufnahme von Gesellschaftern, Unterzeichnung des Jahresabschlusses, Insolvenzantragsstellung, Auflösung und Liquidation des Unternehmens), private Geschäfte des Kaufmanns/der Gesellschafter, Grundstücksgeschäfte (Veräußerung und Belastung). Für Grundstücksgeschäfte kann aber ausdrücklich gesonderte Befugnis erteilt werden und es besteht die Befreiungsmöglichkeit vom Verbot des Selbstkontrahierens, § 181 BGB.

Grundsätzlich gilt, dass eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Prokura nur im Innenverhältnis zum Inhaber des Handelsgeschäfts und nicht mit Wirkung im Außenverhältnis gegenüber dem Rechtsverkehr möglich ist.

Wenn der Prokurist seine Befugnisse überschreitet, ist das Handeln im Außenverhältnis grundsätzlich wirksam, da der Rechtsverkehr in seinem Vertrauen auf die im Handelsregister eingetragene Vollmacht des Prokuristen geschützt ist, vgl. § 15. Dieser Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs entfällt allerdings bei bewusstem Zusammenwirken zum Nachteil des Vertretenen (sog. „Kollision“) oder sonstigem Missbrauch der Vertretungsmacht, d.h. pflichtwidrigem Handeln des Vertreters und zumindest grobe Fahrlässigkeit des Dritten hinsichtlich des Erkennens des Pflichtverstoßes.

V. Erlöschen der Prokura

Die Prokura erlischt zum einen durch Widerruf des Kaufmanns mittels ausdrücklicher (formloser) Erklärung gegenüber dem Prokuristen, einem Dritten oder der Allgemeinheit. Der Widerruf der Prokura ist jederzeit und grundlos möglich. Weiterhin erlischt die Prokura durch Beendigung des Grundverhältnisses (z.B. Ende des Arbeitsverhältnisses des Prokuristen), durch Anfechtung der Prokura, durch einseitigen Verzicht oder Tod des Prokuristen, durch Wegfall der Personenverschiedenheit von Prokuristen und Kaufmann, durch Einstellung des Handelsgeschäfts oder Verlust der Kaufmannseigenschaft, durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns, durch Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine OHG oder KG oder durch einen Betriebsübergang (vgl. § 613a BGB).

Das Erlöschen ist genauso wie die Erteilung in das Handelsregister einzutragen. Im Falle einer Handlung (z.B. Vertragsschluss) des Prokuristen nach Erlöschen der Prokura, liegt ein Handeln als sog. „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ gemäß §§ 177 ff. BGB vor. Die Wirksamkeit des Geschäfts hängt dann von der Genehmigung des Inhabers ab. Sollte der Inhaber keine Genehmigung erteilen, haftet der Prokurist dem Vertragspartner gemäß § 179 BGB.

Quellen: Merkt in Hopt HGB, 42. Aufl. 2023, vor § 48 Rn. 1 ff., § 48 Rn. 1 ff.; Fischinger, Handelsrecht, 1. Aufl. 2015, § 6 Rn. 381 ff.