Ausbildung

Was erwartet die Wirtschaft von den Schulabgängern?

Diese Frage wird immer wieder gestellt – nicht nur von jungen Menschen, die eine betriebliche Ausbildung aufnehmen möchten, sondern auch von ihren Eltern und Lehrer*innenn. Und ausbildende Unternehmen stellen zu Recht Ansprüche an die Schulabgänger. Denn Ausbildung ist anspruchsvoll. Aber von welchen Ansprüchen reden wir?
Wer in Ausbildung und Beruf einsteigt, braucht ein solides Fundament.  Dazu gehören je nach Beruf z.B. sichere Grundkenntnisse in Deutsch, Mathematik und Naturwissenschaften, immer ein positives Sozialverhalten sowie einige persönliche Grundhaltungen und Einstellungen. Eigentlich nichts, was nicht zu schaffen ist. Sondern alles, was das Leben und Arbeiten von unterschiedlichen Menschen ausmacht. 
Dass es da auch schon einmal zu Konflikten kommt, ist sicher verständlich. Aber wir erinnern daran: Generationenkonflikte gab es schon immer und wird es immer geben. Jeder sollte daher mit dem nötigen Verständnis auf den anderen zugehen und dessen Werte achten. Und um dessen Werte zu achten, sollte er sie kennen.

Aber was erwartet nun die Wirtschaft von den Schulabgängern?

Keine Sorge: Nichts, was nicht zu schaffen wäre. Im Kern geht es um Basiskenntnisse und -fertigkeiten, um Sozialverhalten sowie um Grundhaltungen und Einstellungen, die für Arbeit und Beruf wichtig sind. Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass Elternhaus und Schule eine stabile Grundlage schaffen, auf der die Ausbildung aufbauen kann. Mit anderen Worten:
  • Über Grundwerte und persönliche Einstellungen kann man nicht erst in der Ausbildung nachdenken.
  • Ohne ein ausgeprägtes Sozialverhalten kommt in Schule, Wirtschaft und Gesellschaft niemand zurecht.
  • Beim Einstieg in das Berufsleben muss das schulische Grundwissen auch fächer übergreifend „sitzen“.
  • Fähigkeit zum übergreifenden Denken in Zusammenhängen ist Voraussetzung zur Orientierung in einer komplexen Welt.
Selbstverständlich erwartet kein Ausbilder und kein Berufsschullehrer, dass die Schulabgänger das Wissen und Können von „alten Hasen“ mitbringen. Die Persönlichkeit ebenso wie das Spektrum an Wissen und Können eines jungen Menschen sollen – und müssen – sich weiter entwickeln können; und natürlich braucht man Freiraum, um Erfahrung erst einmal zu sammeln. Nur: Ein solides Fundament macht es leichter.

Fachliche Kompetenzen

In Deutschland gibt es rund 330 Ausbildungsberufe und mit ihnen eine breite Variation von Inhalten und Anforderungen. Bei aller Verschiedenheit und fachlicher Differenzierung setzen sie jedoch dieselben Basiskenntnisse voraus. Dies sind im Wesentlichen:

1. Grundlegende Beherrschung der deutschen Sprache

  • Einfache Sachverhalte aufnehmen und in Wort und Schrift wiedergeben
  • klare Sprache, verständliche Formulierungen; Einfache Texte fehlerfrei schreiben
  • Rechtschreibung und Grammatik; Verschiedene Sprachebenen und -stile unterscheiden und korrekt anwenden (Fachsprache und gehobene Sprache; Alltags- und Umgangssprache; Jargon)
  • situationsgerechte Sprache

2. Beherrschung einfacher Rechentechniken

  • Grundrechenarten
  • Dezimalzahlen und Brüche
  • Maßeinheiten
  • Dreisatz und Prozentrechnen
  • Berechnung von Fläche, Volumen und Masse
  • Grundlagen der Geometrie
  • Textaufgaben verstehen
  • Die wichtigsten Formeln kennen und anwenden
  • Mit dem Taschenrechner umgehen können

3. Grundlegende naturwissenschaftliche Kenntnisse

  • Schulform-und altersgerechte Grundkenntnisse in Physik, Chemie, Biologie und Technik
  • Naturwissenschaftliche Phänomene erkennen und auch in Zusammenhängen verstehen
  • Moderne Technik verstehen und eine positive Grundeinstellung dazu entwickeln

4. Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge

  • Einblicke in die Arbeitswelt – auch durch Schülerbetriebspraktika
  • Wie funktioniert das marktwirtschaftliche System?
  • Welche Rolle spielen die Unternehmen, der Staat, die Tarifparteien und die privaten Haushalte als wesentliche Akteure im Rahmen unserer Wirtschaftsordnung?

5. Grundkenntnisse in Englisch

Englisch ist Weltsprache. Schulabgänger sollten wenigstens über Grundkenntnisse verfügen.
  • Einfache Sachverhalte in Englisch ausdrücken
  • Die Fremdsprache in Alltagssituationen zur Verständigung anwenden

6. Grundkenntnisse im IT-Bereich

Die modernen Informations-und (Tele-)Kommunikationstechniken haben inzwischen ihren festen Platz in der Lebens- und Arbeitswelt. Daher sollten junge Menschen
  • frühzeitig ein Verständnis für moderne Technik und Technologie entwickeln;
  • über Grundkenntnisse in der PC-Anwendung verfügen;
  • Chancen und Risiken im Umgang mit Medien und Technik erkennen.

7. Kenntnisse und Verständnisse über die Grundlagen unserer Kultur

  • Wurzeln und Entwicklung der deutschen (Kultur-)Geschichte kennen und verstehen
  • Die wichtigsten Etappen der deutschen und der europäischen Geschichte sowie der Weltgeschichte
  • Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen und Systeme
  • Ethische Grundsätze
  • Aufgeschlossenheit für andere Kulturen und Religionen

Soziale Kompetenzen

1. Kooperationsbereitschaft – Teamfähigkeit

Der Erfolg des Unternehmens hängt immer auch vom Willen der Beschäftigten zur Zusammenarbeit ab. Jeder einzelne Mitarbeiter ist aufgefordert, Informationen auszutauschen, Erfahrungen weiterzugeben Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen sowie umzusetzen.
  • In der Familie und der Freizeit geht es nicht ohne gemeinsame Problemlösung.
  • In der Schule fördern und entwickeln z.B. Gruppen- und Projektarbeit das Miteinander und den Teamgeist.

2. Höflichkeit – Freundlichkeit

Wer freundlich ist, hat schneller und leichter Erfolg. Dies gilt für die Beziehungen des Unternehmens nach außen natürlich genauso wie für ein gutes Betriebsklima im Innern.
  • Weder in der Familie noch auf dem Schulhof und im Klassenzimmer sollte Raum sein für ruppiges, aggressives oder in anderer Weise unhöfliches Verhalten.

3. Konfliktfähigkeit

Unterschiedliche Meinungen, Haltungen und Ansichten werden immer auch zu Differenzen führen. Sie sollten jedoch friedlich und konstruktiv bewältigt werden. Das setzt Sprach- und Argumentationsvermögen ebenso voraus wie die Fähigkeit, mit persönlicher Verärgerung und mit Widersprüchen umgehen zu können.
  • Neben Gesprächen in der Familie bietet der Schulunterricht ideale Voraussetzungen, um das Diskutieren und Argumentieren an wechselnden Themen und Inhalten zu üben.

4. Toleranz

Für ein offenes Miteinander von Menschen ist es wichtig, auch Meinungen und Ansichten gelten zu lassen, die von der eigenen Haltung abweichen. Allerdings müssen sie mit der demokratischen Grundordnung und den Menschenrechten vereinbar sein.
  • Elternhaus und Schule sind gleichermaßen verantwortlich dafür, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung einer gesunden, reflektierenden Toleranz anzuleiten.

Persönliche Kompetenzen

Neben der fachlichen und der sozialen Kompetenz sind Grundhaltungen und Werteinstellungen im Arbeitsleben wichtig.

1. Zuverlässigkeit

Wichtige Voraussetzung für konstruktive Zusammenarbeit und das Erreichen von Zielen
Man muss sich darauf verlassen können, dass die Auszubildenden die ihnen übertragenen Aufgaben ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend wahrnehmen – auch unter widrigen Umständen und ohne ständige Überwachung oder Kontrolle.

2. Lern- und Leistungsbereitschaft

Grundbedingung nicht nur für eine erfolgreiche Ausbildung
Ausbildung, Beruf und Arbeit sind wichtige Bausteine des Lebens. Freude an der Arbeit und Erfolg im Beruf tragen zu einer positiven Lebenseinstellung und individueller Zufriedenheit bei. Jugendliche sollten von der Schule Neugier und Lust auf Neues mitbringen und diese Eigenschaften sowohl in der Ausbildung als auch im späteren Beruf weiter entwickeln.

3. Ausdauer – Durchhaltevermögen – Belastbarkeit

Wichtig, um Ziele zu erreichen
Im (Berufs-)Leben kann nicht immer alles glatt gehen. Auch Belastungen und Enttäuschung muss man aushalten können. Nicht zuletzt stärkt dies das Selbstvertrauen. In Elternhaus und Schule sollten die Jugendlichen gelernt haben, nicht gleich aufzugeben, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht sofort oder vielleicht auch gar nicht einstellt.

4. Sorgfalt – Gewissenhaftigkeit

Man kann nicht immer „fünf gerade sein lassen“
Die Aufgaben und Tätigkeiten im Unternehmen erfordern Genauigkeit und Ernsthaftigkeit. Durch Oberflächlichkeit kann großer Schaden für Unternehmen und Umfeld entstehen. Wer dagegen mit Disziplin und Ordnungssinn pünktlich an die Arbeit geht, der ist gerüstet und braucht sich keine Sorgen zu machen.

5. Konzentrationsfähigkeit

Keine Leistung ohne Konzentration
Es ist so einfach, sich ablenken zu lassen. Aber es ist auch notwendig, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Das muss man wollen und können. Beides lässt sich mit gutem Erfolg trainieren. Die Schule ist dabei ein wichtiger Partner.

6. Verantwortungsbereitschaft – Selbstständigkeit

Man muss für das, was man tut, einstehen und „Flagge zeigen“
Erfahrung gibt Sicherheit für selbstständiges Denken und Handeln. Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, wächst mit zunehmender Reife. Ansätze müssen jedoch mit dem Eintritt in die Ausbildung schon vorhanden sein.

7. Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik

Nobody is perfect

Wer die Fähigkeit hat, Sachverhalte konstruktiv kritisch zu hinterfragen schafft Chancen zur Verbesserung für sich und für Kollegen. Genauso wichtig ist auch die Fähigkeit, das eigene Tun kritisch zu hinterfragen, eigene Fehler einzusehen und sie korrigieren zu wollen.

8. Kreativität und Flexibilität

Wichtige Helfer in allen Lebenslagen
Eigene Ideen sind gefragt
Im Beruf muss jeder mitdenken. Wer ideenreich und aufgeschlossen ist, hat es einfacher – auch und gerade bei der Lösung von Problemen.
„Frischer Wind“ hilft, z.B. die täglichen Aufgaben oder die Organisation des eigenen Arbeitsplatzes positiv zu verändern. Übrigens: Wer kreativ und flexibel ist, kann sich leichter und schneller in neue Aufgaben einarbeiten.