16.01.2024

Nordirland: Neue Handelsregeln zwischen EU und dem Vereinigten Königreich vereinbart

Am 27. Februar 2023 haben sich die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, und der britische Premierminister, Rishi Sunak, auf eine neue Herangehensweise in Bezug auf das Nordirland-Protokoll geeinigt, den “Windsor-Rahmen” / “Windsor framework”. Damit ist der Streit über das Nordirland-Protokoll vorerst beigelegt und es besteht wieder mehr Planungssicherheit für Unternehmen.
Über Monate hinweg hatten sich London und Brüssel über die Anwendung des Nordirland-Protokolls gestritten und verhandelt. Das Protokoll ist Teil des Austrittsabkommens des Vereinigten Königreichs aus der EU und legt fest, dass Nordirland auch nach dem Brexit in vielerlei Hinsicht von der EU weiterhin wie ein Teil des europäischen Binnenmarkts behandelt wird, auch wenn es zum Hoheits- und Zollgebiet des Vereinigten Königreichs gehört.
Hauptkritikpunkt von britischer Seite waren die Zollkontrollen, die für Waren gelten, die nach Nordirland aus anderen Teilen des Vereinigten Königreichs eingeführt werden. Dadurch war de facto eine Zollgrenze innerhalb des Vereinigten Königreichs entstanden. Auch die Anwendung von EU-Vorschriften auf Produkte, die in Nordirland verkauft werden, und die Rechtsprechungskompetenz des Europäischen Gerichtshofs für Streitigkeiten bezüglich des Nordirland-Protokolls waren den Kritikern ein Dorn im Auge.
Das Windsor-Rahmenabkommen sieht Neuerungen in verschiedenen Bereichen vor:
  • Frachtverkehr / Pakete: Für den Frachtverkehr und für Paketsendungen gelten ebenfalls vereinfachte Abwicklungsverfahren.
  • Produktzulassung in Nordirland: In Nordirland dürfen nun dieselben Lebensmittel und Arzneimittel wie im übrigen Vereinigten Königreich verkauft werden, auch wenn sie nicht alle Produktvorschriften der EU erfüllen. Sie unterliegen minimalen Kontrollen bei der Einfuhr nach Nordirland, müssen aber entsprechend gekennzeichnet sein, wenn sie nicht in die EU eingeführt werden dürfen.
  • Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuer: Das Vereinigte Königreich kann in bestimmten Fällen von Waren, die nach Nordirland geliefert werden, von den Mehrwertsteuer- bzw. Verbrauchsteuervorschriften der EU abweichen.
  • Zollverfahren: Bei Warenlieferungen aus anderen Teilen des Vereinigten Königreichs nach Nordirland werden zwei Verfahrensweisen unterschieden: Waren, die von registrierten vertrauenswürdigen Händlern verkauft werden und bei denen nicht die Gefahr besteht, dass sie in den EU-Binnenmarkt gelangen, werden über ein stark vereinfachtes Zollverfahren (auch als “green lane” bezeichnet) eingeführt. Dagegen unterliegen Waren, bei denen die Gefahr besteht, dass sie in den EU-Binnenmarkt gelangen, uneingeschränkt den normalen Zollverfahren für Einfuhren in die EU (“red lane”).
    Bei Warenlieferungen aus Nordirland ins Vereinigte Königreich hingegen unterliegen Waren, die als “qualifying Northern Ireland goods” gelten (Ursprungswaren Nordirlands, Waren im zollrechtlich freien Verkehr in Nordirland) auch bislang keinen zollrechtlichen Verpflichtungen bei einer Lieferung nach UK, sofern diese direkt und nicht über das Gebiet Irlands erfolgt. Die bedeutet, dass keine Ausfuhranmeldung aus Nordirland, keine Exit Summary Declaration, keine Importzollanmeldung in UK, keine Verpflichtung zur Zahlung von Zöllen und EUSt anfallen. Hier finden Sie alle Einzelheiten zum Warenverkehr von Nordirland nach UK.
  • Ab dem 31. Januar 2024 gilt gemäß dem Border Target Operating Model für “non-qualifying Northern Ireland goods” (tierische und pflanzliche Produkte, Futtermittel), die von Nordirland direkt nach UK befördert werden, dass Vorabanmeldungen und umfassende Zollkontrollen eingeführt werden. Für tierische Produkte, Pflanzen und Pflanzenprodukte mittleren Risikos und Lebensmittel und Futtermittel nichttierischen EU-Ursprungs mit hohem Risiko müssen dann auch Gesundheitszertifikate beim Warenverkehr von Nordirland nach UK vorgelegt werden (siehe Timeline der Northern Ireland Assembly Commission).
Daneben umfasst der Windsor-Rahmen auch Regelungen bezüglich einem Einspruchsrecht des nordirischen Parlaments gegen bestimmte EU-Regelungen (“Stormont brake”), Zollkontingente und staatliche Beihilfen.
Das Windsor-Agreement ist zunächst jedoch „nur“ eine politische Übereinkunft. Einschlägige Rechtstexte zur konkreten Ausgestaltung der verschiedenen Themenbereiche (z.B. Zoll, VAT, Vertrieb von Medikamenten, Paketsendungen etc.) müssen erst noch ausgearbeitet werden. Daher bleiben die bisher gültigen Regelungen des Nordirland-Protokolls weiter in Kraft.
Quelle: EU-Kommission, DIHK