Tourismus Konjunkturbericht Herbst 2021
Die Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg befragte im September 2021 Unternehmen der Tourismusbranche zu ihrer aktuellen Lage und zu den Erwartungen an die zukünftige geschäftliche Entwicklung. An der Umfrage beteiligten sich einundachtzig Unternehmen aus den Bereichen Beherbergung, Gastronomie, Camping und Reisegewerbe (Reiseveranstalter, Reisevermittler).
Geschäftslage
Sommer 2021 – Erholung nach tiefer Krise
Nach einer langen, mehr als 200 Tagen währenden Schließung der gastgewerblichen Einrichtungen für die touristische und freizeitliche Nutzung, konnten Gastronomen teilweise, Campingplatzbetreiber und Freizeitanbieter zu Pfingsten und Hoteliers im Juni wieder für Urlaubsgäste öffnen. Die damaligen Bestimmungen wie Mindestabstand, Personenobergrenzen, Testpflichten und Hygienevorgaben gelten nach wie vor. Mit diesen Einschränkungen können noch nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft und nicht allen Gästen die Unsicherheit genommen werden. Nicht zuletzt verschärft fehlendes Personal im Gastgewerbe die Situation zusätzlich.
Dennoch blicken die Mehrheit der befragten Unternehmen auf eine weitestgehend gute Sommersaison zurück. Doch wie sieht es im Detail aus? Gibt es Unterschiede zwischen den Beherbergungsunternehmen und der Gastronomien? Wo werden weitere Risiken gesehen?
Branchenübersicht
- Beherbergungsgewerbe
Die Beherbergungsunternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftslage in Anbetracht der vorangegangenen Schließungen bzw. Einschränkungen im Betrieb mit „gut“: Zwei Drittel beurteilen die Lage positiv, ein Viertel schließt die Saison befriedigend ab. Lediglich neun Prozent sind unzufrieden, das sind neun Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Viele Beherbergungsunternehmen im Umkreis der Tesla-Gigafactory in Grünheide profitieren von den dort tätigen Monteuren, Projetarbeitern oder Ingenieuren, andere haben ihre Zielgruppenansprache angepasst und sich auf Urlaubsreisende anstelle von Tagungs- und Seminargäste konzentriert. Ebenso positiv macht sich der Trend, Urlaub im eigenen Land zu machen, bemerkbar. Die aktuelle Übernachtungsstatistik bestätigt diesen Umstand, mit 1,77 Millionen Übernachtungen übertraf der Juli 2021 den Vorjahresmonat um 3,3 Prozent.© IHK OstbrandenburgDer Geschäftsklimaindex, der sich aus dem Saldo der aktuellen Geschäftslage und den Geschäftserwartungen ergibt, ist wie im vergangenen Herbst (114) mit einem Wert von 103 positiv. Damit zeichnet sich eine W-Kurve ab, wonach ein rascher Absturz einer ebenso raschen Erholung folgt und sich dann wiederholt.
Preisanpassungen verhelfen zu stabilen Umsätzen
Das Segment der Geschäftsreisenden, Tagungen und Konferenzen ist weiterhin umsatzschwach und noch lange nicht auf Vor-Krisen-Niveau. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen verzeichnen jedoch eine Umsatzsteigerung bedingt durch Preiserhöhungen und einer verstärkten Nachfrage nach Kurzurlauben im Inland. Mehr als zwei Drittel werden ihre Preise weiter anheben, niemand plant eine Preissenkung. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Preise in Brandenburg um 13 Prozent und der Zimmererlös um 26 Prozent gestiegen (OSV Sparkassenbarometer 2021). Dies ist nicht nur ein Resultat, die stark gestiegene Nachfrage über den Preis zu steuern, vielmehr zwingen die Energie- und Rohstoffpreise die Beherbergungsunternehmen dazu.Ungewisser Blick in die Zukunft
Mit Blick auf den anstehenden Winter erwarten 10 Prozent bessere, 48 Prozent gleiche und 42 Prozent schlechtere Geschäfte. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr und damit die Angst vor einem erneuten Lockdown bringen Verunsicherungen mit sich, die die Unternehmen pessimistisch vorausschauen lassen. Fehlende Vorausbuchungen und mögliche Verschärfungen der Coronamaßnahmen lassen das sonst sehr sichere Weihnachts- und Silvestergeschäft prekär werden. Nicht zuletzt führt die Diskussion um die 2G-Regelung und die Ungewissheit durch die Bildung einer neuen Bundesregierung zu einer deutlich pessimistischeren Einschätzung als im Herbst 2020.Hohe Energiepreise belasten Hotellerie
Der Fach- und Arbeitskräftemangel ist deutlich in allen Unternehmen zu spüren. Dennoch werden seitens der Unternehmen die steigenden Energiekosten als größten Risikofaktor für die weitere wirtschaftliche Entwicklung befürchtet. Hinzu kommen Änderungen der wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen wie Lieferengpässe, steigender Leitzins und klimapolitische Maßnahmen.Hohe Personaltreue
Die anstehende Wintersaison planen 74 Prozent der Unternehmen mit dem vorhandenen Personalstamm anzugehen, 15 Prozent planen eine Erhöhung und 10 Prozent werden reduzieren. Damit sind weiterhin mehr Einstellungen als Entlassungen geplant, auch wenn die Unternehmen besorgt in die Zukunft schauen.Investitionen auf guten Niveau
Investitionen planen 8 von 10 Unternehmen. Hierbei stehen qualitätssteigende Maßnahmen, Ersatzbeschaffungen und Produktinnovation im Fokus. Maßnahmen, die dem Umweltschutz dienen, sind aktuell nicht von größerer Bedeutung. Gerade im Hinblick auf die gestiegenen Zimmerpreise ist das Halten der Qualität essentiell und ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Beherbergungsunternehmen in Ostbrandenburg. - Gastronomiegewerbe
Die Gastronomie hatte nach der langen Schließung einen deutlich schwereren Start als andere Segmente, zunächst durfte nur die Außengastronomie geöffnet werden, anschließend konnten Gäste nur mit Tests im Innenbereich bedient werden. Dennoch beurteilen 43 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage gut, 38 Prozent befriedigend und lediglich 19 Prozent sind unzufrieden. Damit ist das Ergebnis deutlich besser als im Vorjahr.© IHK OstbrandenburgDer Konjunkturklimaindex ist knapp mit 103 Punkten positiv, im vergangenen Herbst lag er bei 91 und deutlich unter dem Schwellenwert 100. Er folgt ebenso wie bei den Beherbergungsunternehmen einer W-Kurve.
Umsatzrückgänge belasten Unternehmen
Die Umsatzausfälle vom Jahresbeginn können in der Gastronomie nicht aufgeholt werden. Zwar half bei einigen Unternehmern ein Außer-Haus-Verkauf die Betriebskosten zu decken, aber das Geschäft zu Weihnachten, Ostern und Himmelfahrt ist verloren und konnte nicht in den Sommer geschoben werden. So berichten 31 Prozent der Gastronomen von einem gesunkenen Umsatz, 55 Prozent konnten zumindest einen gleichen Wert erreichen und 14 Prozent erwirtschafteten mehr. Dies ist ggf. auf gestiegene Preise sowie auf die Mehrwertsteuersenkung für Speisen zurückzuführen. Zukünftig planen 74 Prozent weitere Preissteigerungen vorzunehmen, ein Viertel plant die Preise stabil zu halten.Positive Erwartungen
Die Erwartungen der Befragten sind optimistischer als im Vorjahr: 9 Prozent gehen von einer besseren, 65 Prozent von einer gleichen und 26 Prozent von einer schlechteren Geschäftsentwicklung aus. In Anbetracht einer erneuten fehlenden Planbarkeit durch steigende Infektionszahlen schauen die Gastronomen verhalten positiv in die Zukunft. Ähnlich wie bei den Beherbergungsunternehmen werden nunmehr die gestiegenen Energiepreise als das stärkste Risiko, in der Reihenfolge vor fehlenden Fachkräften und Arbeitskosten, empfunden.Personalbedarf
Trotz akutem Personalmangels planen 22 Prozent der Gastronomen Personal im Winter zu entlassen. Demgegenüber planen 24 Prozent weitere Einstellung vorzunehmen. Mehr als die Hälfte wird am bestehenden Personalstamm festhalten.Zwei Drittel der Unternehmen wird investieren. Im Fokus stehen dabei Ersatzbeschaffungen, qualitätssteigende Maßnahmen und Maßnahmen in den Umweltschutz. - Beschäftigung und Finanzen
Zusatzfrage: Beschäftigung
Der Arbeitskräftemangel war bereits vor der Corona-Krise eine große Herausforderung für das Gastgewerbe. Bedingt durch die lange Schließung der Unternehmen und dem gesellschaftlichen Wandel sind viele Arbeitskräfte in andere Branchen abgewandert und stehen den gastgewerblichen Unternehmen nicht mehr zur Verfügung. Mehr als zwei Drittel der Befragten können offene Stellen in ihren Unternehmen nicht mehr besetzen. Dabei wird über alle Ausbildungsniveaus hinweg gesucht: Zwei Drittel geben an, Mitarbeiter ohne Berufsabschluss und 80 Prozent mit einer dualen Ausbildung zu suchen.Zusatzfrage: Finanzlage
Zwei Drittel der befragten Unternehmen geben an, aktuell keine problematische Finanzlage zu haben. Etwa ein Viertel verzeichnen einen Rückgang des Eigenkapitals. - Klima
Mit Änderung des Klimaschutzgesetzes und vorgenommenen Green Deal auf Europäischer Ebene sind die Unternehmen angehalten, sich mit Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität zu befassen.6 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, bereits klimaneutral zu sein, 40 Prozent wollen dies bis in zehn Jahren erreicht haben und 45 Prozent haben noch keine Anstrengungen dahingehend unternommen.
Viele Maßnahmen in Umsetzung
Die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen haben bereits 53 Prozent vorgenommen, 26 Prozent planen diese, während 21 Prozent noch nichts in der Planung haben. Mit Änderung des Verpackungsgesetzes wurden bereits viele Gastronomen zum aktiven Handeln gebracht, indem sie auf Mehrwegverpackungen umstellten. Weitere umgesetzte Maßnahmen sind Elektrotankstellen für Gäste, Einsatz einer Solar- oder Photovoltaikanlage, Nutzung regionaler Produkte, Umstellung auf ein effizientes Energiemanagement, Einsatz von LED-Lampen, Nutzung von grünem Strom, Pflanzung von Hecken und Bäumen, Schaffung einer Insektenwiese uvm. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die Zeit drängt jedoch, den Green Deal in den Unternehmen anzugehen.Drei Viertel der Befragten sehen vor allem Hemmnisse im hohen finanziellen Aufwand, etwa der Hälfte fehlt das Personal zur Umsetzung (hier kann das Programm EnergieScouts ein Lösung sein), 40 Prozent empfinden die politischen Rahmenbedingungen zu unstetig, ein Drittel wünscht sich mehr Förderprogramme (Maßnahmen sind über GRW-Invest förderfähig) und 35 Prozent schätzt den Aufwand für eine CO2-Bilanzierung als zu hoch ein.Auswirkung der CO2-Bepreisung
Seit 1. Januar 2021 gilt in Deutschland eine neue CO2-Bepreisung. Dabei handelt es sich um einen Preis, der für den Ausstoß von CO2 gezahlt werden muss und betrifft in erster Linie Unternehmen, die in den Bereichen Wärme und Verkehr tätig sind und anschließend die Preissteigerung an nachfolgende Branchen weitergeben.Aktuell können 56 Prozent der gastgewerblichen Unternehmen keine Einschätzung vornehmen, welche Auswirkungen sie direkt betreffen. 46 Prozent geben an, eine Verteuerung der Vorprodukte und Vorleistungen zu spüren.