Vom Azubi zum Unternehmer

Ein Leben für Blumen

Das Leben von Kerstin Anders ist geprägt durch die Liebe zu Blumen. Ihr Großvater kaufte Ende der 1960er-Jahre ein Blumengeschäft – inzwischen führt sie es in dritter Generation.
Mitten in Woltersdorf (Oder-Spree), direkt an der Hauptstraße gelegen, befindet sich der Blumenladen Anders. Rechts neben dem Ladenlokal steht ein brandneuer Automat, an dem Kunden zu jeder Tages- und Nachtzeit Pflanzen und Gestecke kaufen können. Kurz vor Weihnachten gab es hinter dem Automaten einen Weihnachtsbaumverkauf, im Frühjahr werden in diesem Bereich saisonale Pflanzen für den Garten angeboten. Betritt man das Geschäft durch die kleine Eingangstür, kommt einem ein angenehmer Geruch von frisch geschnittenen Pflanzen entgegen. Groß ist der Verkaufsraum nicht, aber liebevoll und individuell gestaltet.

Großvater legte den Grundstein

Die Inhaberin und Chefin Kerstin Anders führt das Blumengeschäft seit vier Jahren in Eigenregie. Bis zum Tod ihres Vaters teilte sie sich die Leitung mit ihm in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Dabei legte bereits ihr Großvater den Grundstein für ihre heutige Selbstständigkeit. Er war es, der das Ladenlokal 1969 kaufte. „Damals lebten noch vier Familien in dem Haus. Es gab nur vorne ein ganz kleines Geschäft“, erzählt Kerstin Anders. Ihr Vater übernahm den Blumenladen Anders ab 1985 und begann nach der Wende, den Geschäftsbereich auf die heutige Größe auszubauen. Bis dahin existierte im hinteren Bereich noch eine eigene Produktion mit Pflanzen und Schnittblumen. Diese stellte der Vater jedoch ein. Die Rentabilität war nicht mehr gegeben. Mittlerweile bezieht der Blumenladen Anders seine Ware von verschiedenen Märkten aus der Umgebung.

Laufkundschaft ist weniger entscheidend

Der Blumenladen Anders ist vor allem auf Beerdigungen und den Verkaufsservice fokussiert. „Wir arbeiten für drei Bestattungsunternehmen. Der Ladenbereich läuft zurzeit eher nebenher“, erklärt die Inhaberin. Dabei wird dort eine große Auswahl unterschiedlichster Pflanzen, Gestecke und Übertöpfe angeboten, die keine Wünsche offenlässt. Selbst tropische Pflanzen wie die Protea aus der Familie der Zuckerbüsche gibt es zu erwerben. Der neu errichtete Blumenautomat bietet seit Kurzem zusätzlichen Service. Rund um die Uhr können Blumen und Sträuße entnommen werden. Heutzutage sei die Laufkundschaft weniger entscheidend, sondern vielmehr der Kundenservice, auf den besonders Wert gelegt werde.
Wir sind zwar noch kein Baumarkt, bieten aber viele Sachen an, vor allem den Service, selbst zusammengestellte Blumensträuße zu liefern oder den Fleurop-Dienst.

Kerstin Anders

Das Besondere am Blumenladen Anders ist eindeutig das familiäre Flair. Das bietet der in Woltersdorf geborenen Kerstin Anders die Möglichkeit, Familie und Kinder unter einen Hut zu bringen. Ihre Schwester ist im Blumengeschäft angestellt, früher wurde auch ihre Mutter mit eingespannt. Durch die Arbeit in der dritten Generation habe man sich darüber hinaus einen breiten und treuen Kundenstamm aufgebaut. „Wir kennen fast alle Kunden mit Namen, wissen, wann sie Geburtstag haben oder heiraten“, freut sich die Mutter von drei Kindern. Die Aufgaben der selbstständigen Inhaberin sind vielfältig und reichen von Wareneinkauf über Aufgabenverteilung bis hin zum Treffen wichtiger Entscheidungen. Dafür ist vor allem eine gute Übersicht nötig. Ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer drei Angestellten wäre das nicht zu meistern. „Ich bin sehr froh, ein wirkliches tolles Team zu haben, auf das ich mich verlassen kann“, betont Kerstin Anders. Neben den drei Angestellten gibt es eine Auszubildende.

Karriereweg mit einer Ausbildung begonnen

Die heute 41-jährige Chefin war auch einmal eine Auszubildende. Um die richtige Wahl zu treffen, begann sie zunächst ein Praktikum in einem Schöneicher Blumengeschäft. Sie habe damals ihre sehr hart arbeitende Mutter unterstützen wollen. „Außerdem hatte ich nach der zehnten Klasse keine Lust mehr darauf, zur Schule zu gehen. Ich wollte endlich praktisch arbeiten. Das Praktikum hat sie jedoch nicht im Geschäft der Eltern absolviert. In Schöneiche hat es ihr so gut gefallen, dass sie kurz darauf noch eine Ferienarbeit anschloss.
Ich habe schnell gemerkt, dass ich in dem Bereich richtig bin. Daher stand für mich fest: Das will ich machen.

Kerstin Anders

Darum habe sie 1997 eine Ausbildung zur Floristin begonnen. Sie wollte damit nicht nur ihre Mutter unterstützen. Für Kerstin Anders war schon damals klar, dass sie später einmal das Geschäft des Vaters übernehmen werde. „Mein Traum war es sogar früher, vier oder fünf Filialen zu eröffnen. Das war dann doch eher utopisch“, gibt sie heute zu. Im Endeffekt sie froh über diese Entscheidung, denn es sei besser, ein Geschäft gut zu führen. Dass ihre Karriere in einer Selbstständigkeit mündete, war wiederum keine bewusste Entscheidung. Lange war lediglich sicher, dass sie den Familienbetrieb weiterführen wird. Bis im Jahr 2004 der Steuerberater vom Blumenladen Anders eine entscheidende Rolle spielte. Er sagte damals zu ihrem Vater: „Seitdem Kerstin hier drin ist, läuft es immer besser. Sie muss jetzt voll mit rein.“ Und so kam es, dass aus der Anstellung bei dem Vater eine Betriebsbeteiligung in Form einer GbR wurde.

Die Ausbildung offenbarte viele Möglichkeiten

Während dieser Schritt für junge Menschen nicht selten mit Ängsten verbunden ist, war das für Kerstin Anders kein Problem. „Ich konnte es halt“, zeigt sich die Floristin selbstbewusst. Grundlage dafür war nicht zuletzt die Ausbilderin, die sie immer ermutigt habe. „Sie hat immer gesagt, dass alles möglich sei und man mit allem irgendwas machen kann. Wichtig seien vor allem gute Mitarbeitende und dass man mit seinen Aufgaben wachse.“ Den Schritt in die Selbstständigkeit hat sie nicht einen Tag bereut. „Es ist sehr schön, selbstständig zu sein und seine Arbeitszeit selbst einteilen zu können. Natürlich kommen am Ende immer mehr Stunden zusammen als bei einem Anstellungsverhältnis. Aber man kann sich diese einteilen, wie man möchte.“ Hinzu komme eine große Verantwortung, die ihr gleichzeitig das gute Gefühl gebe, gebraucht zu werden. Langweilig wird der jungen Chefin daher nie. Was unter anderem damit zusammenhänge, dass ihre Arbeit weiterhin ihr Interesse wecke. Jeder Tag sei anders und es gebe immer etwas Neues. Jeder Auftrag bringe unterschiedliche Aspekte mit sich und die Kunden seien ebenso vielfältig.
Und natürlich das praktische Arbeiten. Ich finde es sehr wichtig, nicht nur vor dem Computer zu sitzen.

Kerstin Anders

Ausbildung beginnen und zu Ende bringen

Wer sich als junger Mensch für eine Ausbildung im Bereich Floristik interessiert, sollte sich aus ihrer Sicht zunächst sehr gut überlegen, welcher Ausbildungsbetrieb der richtige ist. Zuvor ein Praktikum auszuprobieren, um nicht nur den Beruf selbst, sondern die zukünftige Firma bereits einmal kennenzulernen, sei der beste Einstieg. „Einfach wirklich in den Beruf reingehen. Es ist immer sinnvoll, erst einmal auszuprobieren, wie es einem gefällt und ob man selbst dafür geeignet ist.“ Wichtig sei außerdem, eine begonnene Ausbildung zu Ende zu führen. Danach könne man sich immer noch entscheiden, in welchem Bereich es konkret weitergehen soll. „Mit Floristikm lässt sich eine ganze Menge machen, zum Beispiel in der Eventbranche anfangen, sich mit einem eigenen Geschäft selbstständig machen oder man kann als Mitarbeitender weiterarbeiten“, erzählt die Unternehmerin. „Der Weg in die Selbstständigkeit ist auch ohne eigenes Geschäft möglich, im Bereich der Dekoration von Hochzeiten und anderen Events beispielsweise. Arztpraxen und andere Ladenlokale suchen ebenfalls häufig Dekorateure. Oder man macht einfach Gärten wieder schön.“ Und natürlich kann das Ziel sein, den Meister im Bereich Floristik zu machen. Kerstin Anders selbst ist der beste Beweis dafür: Die Möglichkeiten, sich selbst weiterzuentwickeln und Karriere zu machen, sind definitiv dafür gegeben.

Interessante Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung

Dabei geholfen hat ihr nicht nur die für sie perfekte Chefin, sondern ebenso ein angenehmes Miteinander während ihrer Ausbildung erleben zu dürfen. „Alle standen voll im Leben und brachten viel Erfahrung mit, die sie an mich weitergaben“, erzählt sie. Ihr seien zahlreiche Tricks und Kniffe beigebracht worden – nicht nur, wie man mit den Arbeitsmaterialien umgeht, sondern auch mit anderen Menschen. In alle Bereiche sei sie von Beginn an einbezogen worden – ob bei der Buchführung, der Warenpräsentation oder den Besuch von Kunden zu Hause. Das hat ihr bei dem Schritt zur Selbstständigkeit enorm geholfen, da sie auf diese vielen Erfahrungen zurückgreifen konnte. Zu ihrer Ausbilderin pflegt sie heute noch guten Kontakt.

Natürlich hat nicht jeder das Glück, einen Familienbetrieb weiterführen zu können. „So einen Laden selbst aufzubauen, ist schwierig. Es bedeutet sehr viel Investition und viele Sachen hängen dran, die erst erwirtschaftet werden müssen.“ Sie rät dazu, zunächst ein bestehendes Geschäft zu übernehmen. Viele ältere Unternehmerinnen und Unternehmer, die bald ins Rentenalter eintreten, suchen nach junger und motivierter Nachfolge zur Weiterführung ihres Lebenswerks.

Gutes Zeitmanagement

Ein Grund, warum es im Blumenladen Anders die Möglichkeit gibt, sich im Bereich Floristik ausbilden zu lassen, sei der Fachkräftemangel. Im Umkehrschluss bedeutet das für junge Menschen mit dem Wunsch, Florist zu werden, sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Um sich später ebenfalls selbstständig zu machen sei vor allem Menschlichkeit und ein guter Überblick entscheidend – und das Wort Mathematik sollte nicht den Angstschweiß auf die Stirn treiben.

Natürlich ist gutes Zeitmanagement von Vorteil, damit neben der beruflichen Selbstständigkeit auch mal Gelegenheit für andere Sachen bleibt. Kerstin Anders gelingt das. Wenn sie sich nicht gerade um ihre Kinder kümmert, findet sie immer mal Zeit, sich ein gutes Buch zu gönnen.

FORUM/Manuel Wozniak

Wer etwas erreichen will, muss studieren – so lautet ein Vorurteil. In der Ostbrandenburger Wirtschaft zeigt sich: Auch eine Ausbildung kann eine gute Voraussetzung sein, um es zum Chef einer erfolgreichen Firma zu schaffen. In Kooperation mit dem Märkischen Medienhaus stellen wir einige Beispiele vor.

Michael Völker
Leiter
Geschäftsbereich Aus- und Weiterbildung