Interview

Gemeinsam abheben

Beim Wort „Flughafen“ denken viele Brandenburger zuerst an den Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER). Neben ihm gibt es in Brandenburg aber viele weitere Flugplätze, die wesentlich für das Land sind. FORUM hat mit Uwe Hädicke, Geschäftsführer der Airport Berlin-Neuhardenberg GmbH und bis 2023 Vorstand des Berlin-Brandenburger Flughafenverbandes flyBB, über die Bedeutung und das Potenzial der „Kleinen“ gesprochen.

FORUM: Welches war der größte Flughafen von dem Sie je geflogen sind und wie haben Sie den Aufenthalt dort empfunden?

HÄDICKE: Das ist der neue Airport in Istanbul, an dem ich vor wenigen Wochen erstmalig gelandet und wieder gestartet bin. Dieser Flughafen ist sehr beeindruckend. Ich konnte mich trotz der Größe sehr gut orientieren. Alles klappte exzellent, der Service war top, so wie man sich das wünscht. Im Flughafen ist außerdem ein Hotel auf der Luftseite integriert, was für Transitgäste toll ist.

FORUM: Werfen wir einen Blick auf Regionalflughäfen. Wozu braucht es diese?

HÄDICKE: Regionalflugplätze fördern die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen und stärken das Wachstum der regionalen Wirtschaft in Berlin und Brandenburg. Und sie können zur Entlastung und als Servicepartner der stark frequentierten Hauptflughäfen beitragen. Regionalflughäfen sind wichtig für die Wertschöpfung der Region, sie beheimaten oftmals zahlreiche klein- und mittelständische Firmen mit Dutzenden Arbeitsplätzen. Beispiel sind hier unter anderem die Flugplätze in Schönhagen, Strausberg oder Kyritz. Oder wir hier in Neuhardenberg. Vor Ort herrscht ein großer Bedarf nach individuellem Geschäftsreiseverkehr, der möglichst nahe am Standort der Unternehmen beginnen muss. Kurze Wege stärken unsere mittelständischen Betriebe, die nicht alle in den Ballungsräumen zu Hause sind. Wir kleinen Flugplätze agieren nicht als Konkurrenten, sondern ergänzen uns mit unseren jeweiligen Eigenständigkeiten. Davon profitiert auch der BER. Uns in Neuhardenberg zeichnet aus, dass wir eine 2400 Meter lange Landebahn haben, die in Berlin und Brandenburg außer auf dem BER sonst nicht vorhanden ist. Außerdem verfügen wir über eine 24-Stunden-Genehmigung. Somit können wir für Ausbildungs- und Businessflüge Lösungen in den Rand- und Nachtzeiten anbieten. Die Regionalflugplätze sind außerdem sehr wichtig für die Nachwuchsgewinnung. Die Flugschulen der Region nutzen uns für die Ausbildung, und gestandene Piloten fürs Training. Es gibt zudem Firmen, die nicht den großen „Hub“ wie den BER suchen. Die ihre Geschäfte stattdessen in kleinerem Rahmen und diskret abwickeln wollen. Wir im Speziellen sind außerdem Partner für die polnische Seite und kooperieren mit dem Flughafen Zielona Góra-Babimost.

FORUM: Vor welchen Herausforderungen stehen Regionalflughäfen im Gegensatz zu Großflughäfen?

HÄDICKE: Eine besondere Herausforderung ist der wirtschaftliche Betrieb. Außerdem quälen wir uns wie andere Regionalflughäfen mit dem Planungsrecht, das wir für all das, was wir tun, schaffen müssen. Wir beschäftigen viele Planungsbüros, Umweltgutachter, Spezialisten für Flora und Fauna, die alle Gutachten erstellen, um überhaupt erst einmal einen Spaten in die Erde bringen zu können. Wenn man in Deutschland was bewegen will, ist der Aufwand sehr hoch.

Unsere Region hat hohe Wachstumspotenziale, erst recht durch Tesla. Wir haben uns mit Unternehmen der Region verbunden, um perspektivisch das Potenzial zu nutzen. Partnerschaftlich wollen wir eine flugaffine Wirtschaft um den BER herum ansiedeln und entwickeln. Unser Tochterunternehmen plant für 2024 den Bau von 34 barrierefreien Wohnungen mit Arztpraxis in Neuhardenberg. Wir wollen von der Oder aus in Richtung Berlin wachsen und nicht darauf warten, dass Berlin hier heraus kommt. Dafür muss sich aber auch die Landesregierung und die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg offener zeigen. In Neuhardenberg stehen wir außerdem immer noch vor unserem Genehmigungsverfahren hin zu einem satellitengestützten An- und Abflugverfahren. Hier erhoffe ich mir weiter den politischen Rückenwind aus Potsdam, Berlin und Bonn, um damit ins Ziel zu kommen. Wir können den Flugplatz Neuhardenberg nur entwickeln, wenn wir auch instrumentengestützt angeflogen werden können. Bisher können wir nur bei gutem Wetter angeflogen werden. Das ist nicht praktikabel für uns und nicht für die lokale Wirtschaft.

FORUM: Welche Chancen bietet die Umstellung der Flugzeug-Antriebe auf nachhaltige oder sogar emissionsfreie Antriebe für Regionalflughäfen?

HÄDICKE: Die Pionierarbeit in der Forschung wird immer an kleineren Flugplätzen und Flughäfen stattfinden. An einem Großflughafen ist wenig Platz. Wo tausende oder hunderttausende Passagiere täglich abgefertigt werden, kann nicht nebenbei experimentiert werden. Außerdem sind hier die Errichtung nötiger Infrastruktur, wie Photovoltaikanlagen, Biogasanlagen oder ähnliches sowie Ansiedlungen in Regionen mit mehr freier Fläche günstiger möglich. Regionalflugplätze sind meist umgeben von Forschungseinrichtungen oder Hochschulen. Diese sind wichtig für die Ausbildung von Ingenieuren. Das in Strausberg geplante Innovationszentrum Luftfahrt wird auch auf die Nachbarflugplätze ausstrahlen, davon sind wir überzeugt.
Wir benötigen generell Personal in der Luftfahrt. Ich denke, das kann man nur über Vernetzung und Zusammenarbeit lösen. Die kleinen Airports können gute Zulieferer für die großen sein. Das ist zumindest auch unsere Vorstellung, dass wir hier in bescheidenem Maße auch die Ausbildung für die Bodenabfertigung übernehmen. Es muss gelernt werden, wie Wasserstoff betankt wird und was beachtet werden muss.

In Neuhardenberg verfügen wir bereits über einen 155 Megawatt-Solarpark neben der Landebahn. In Ergänzung zu anderen Playern dieser Region widmen wir uns dem Thema CO2-armes Fliegen. Wir freuen uns auf die Impulse, die in Strausberg und Ostbrandenburg in Sachen Wasserstoff und Elektro-Flug gesetzt werden. Gleichzeitig entwickeln wir uns selbst auch in Richtung „Grüner Airport“ weiter. Wir wollen, dass die neuen Antriebsarten in Brandenburg schneller Fuß fassen, damit wir national und international als Hauptstadtregion vorne dabei sind.

FORUM: Auf Ihrem Flugplatz sind Events möglich, Sie bieten Rundflüge oder vermieten Gewerbeflächen. Brauchen kleine Regionalflughäfen neben dem Fluglinienverkehr ein eigenständiges Geschäftsmodell?

HÄDICKE: Es braucht schon mehrere Standbeine. Unsere 19 Mitarbeiter arbeiten neben dem Flugwesen, vor allem in unserer Baufirma und Wohneigentumsverwaltung mit 132 Wohnungen. Es ist viel Kreativität gefragt. Auch das Zusammenstehen aller Flugplätze ist künftig wichtig, um gemeinsam neue Aspekte zu entwickeln. Es gibt zum Beispiel schon Überlegungen, wenn das Fliegen grüner wird, auch zwischen den kleinen Flugplätzen Regionalflüge anzubieten. Wenn zum Beispiel die Ökobilanz nach München mit dem ICE nicht schlechter ist als mit dem Flugzeug, sind das neue Mobilitätsmöglichkeiten. Die Drohnen-Projekte bringen bestimmt auch viel Musik ins Geschäft. Das ist aber noch in den Kinderschuhen. Insgesamt sehe ich viel Potenzial für die Zukunft und Regionalflugplätze sind kein Auslaufmodell.

FORUM: Was wünschen Sie sich von der Politik?

HÄDICKE: Ich wünsche mir, dass die Politik Initiativen größeren Spielraum und teilweise sogar Anschub gibt. Wir stellen keine Milliardenoder Millionen-Förderanträge. Wir wollen etwas auf eigenes Risiko entwickeln. Wenn wir wirtschaftlich scheitern, ist das unser Problem, nicht das des Staates. Es muss auch der politische Wille zur ländlichen Region wieder entdeckt werden. Tesla ist in dem Punkt für uns mutmachend. Und da wünschen wir uns, dass die Verantwortlichen einfach auch Mut haben, solche Themen zu entscheiden und eben nicht das 100. Gutachten verlangt wird. Wenn politische Entscheider sagen, wir bewilligen ein Vorhaben unter Vorbehalt, würde es uns auch schon helfen.

Es fragte Katharina Wieske

Guido Noack
Referent Verkehr
Geschäftsbereich Wirtschaftspolitik