Handel im Reisegewerbe

Wer braucht eine "Reisegewerbekarte"?

Unter dem so genannten Reisegewerbe versteht die Gewerbeordnung das ambulante Gewerbe, zum Beispiel "fliegende Händler" oder Standinhaber auf privaten Märkten. Wer ein Reisegewerbe betreiben möchte, benötigt dazu eine Erlaubnis, die sogenannte "Reisegewerbekarte".

1. Wer betreibt ein Reisegewerbe?

Derjenige, der ohne vorherige Bestellung (zum Beispiel ohne vorherige Terminverabredung) außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (vgl. § 42 Abs. 2 Gewerbeordnung), oder ohne eine solche zu haben, Waren vertreibt oder ankauft oder derjenige, der Leistungen anbietet oder Bestellungen auf Leistung aufsucht (vertreibt). (vgl. § 55 Abs. 1 GewO).
Unter das Reisegewerbe fällt darüber hinaus die selbstständige Tätigkeit als Schausteller oder nach Schaustellerart. Für bestimmte Schaustellertätigkeiten, die mit besonderen Gefahren verbunden sind, muss zusätzlich eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden (vgl. § 55 f GewO).
Zusammenfassend lässt sich sagen: Beim stehenden Gewerbe kommt der Kunde zum Unternehmen (und sei es telefonisch). Beim Reisegewerbe geht die Initiative zur Erbringung der Leistungen vom Unternehmer aus; er also (unangemeldet) zum Kunden geht.

2. Der Angestellte benötigt keine Reisegewerbekarte

Seit dem 14. September 2007 benötigen Angestellte im Reisegewerbe keine eigene Reisegewerbekarte mehr (BGBL 2007, Teil I Nr. 47, 13.08.2007).
Es ist zu beachten:
  • Nur der Prinzipal benötigt die Reisegewerbekarte.
  • Der Angestellte benötigt eine Zweitschrift oder eine beglaubigte Kopie der Reisegewerbekarte des Inhabers, wenn er unmittelbaren Kundenkontakt hat (§ 60 c Abs. 2 GewO).
  • Neu eingeführt wurde § 60 GewO: Die Beschäftigung einer Person im Reisegewerbe kann dem Gewerbetreibenden untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person die für die Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.

3. Ausnahmen

Nicht zum Reisegewerbe gehören Teilnehmer an sogenannten "festgesetzten" Märkten. Wer also einen Marktstand auf einem festgesetzten Wochenmarkt eröffnen will, muss sich, nach der erforderlichen Anzeige des Gewerbes gemäß § 14 GewO, lediglich an den Marktleiter wenden.
Einige Tätigkeiten sind gem. § 55 a GewO von der Reisegewerbekartenpflicht befreit. Das betrifft unter anderem den Vertrieb von Lebensmitteln oder anderen Waren des täglichen Bedarfs, wenn diese von nicht ortsfesten, also mobilen, Verkaufsstellen in regelmäßigen kürzeren Zeitabständen an derselben Stelle vertrieben werden. Auch das Feilbieten von Druckwerken im Straßenverkauf ist von der Pflicht ausgenommen. Gegebenenfalls ist nach § 55 c GewO eine Anzeige beim Gewerbeamt erforderlich.
Einer Reisegewerbekarte bedarf es ferner nach § 55 b GewO nicht, soweit der Gewerbetreibende andere Personen im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes aufsucht. Dies gilt auch für Handlungsreisende und andere Personen, die im Auftrag und im Namen eines Gewerbetreibenden tätig werden.

4. Antrag, Gültigkeit und Kosten

Die Reisegewerbekarte wird in der Regel unbefristet erteilt. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnort des Antragstellers. Die Reisegewerbekarte gilt für das gesamte Bundesgebiet. Die Gebühr für eine Reisegewerbekarte richtet sich nach der Satzungen der einzelnen Städte und Gemeinden sowie nach der jeweils angestrebten Tätigkeit.
Erforderliche Unterlagen bei Antragstellung:
  • das ausgefüllte Antragsformular
  • der Personalausweis oder Pass zur Einsichtnahme
  • gegebenenfalls die Aufenthaltsberechtigung oder die zur selbstständigen Gewerbeausübung berechtigte Aufenthaltserlaubnis beziehungsweise -befugnis
  • gegebenenfalls ein Auszug aus dem Handels- oder Vereinsregister
  • Führungszeugnis zur Vorlage bei einer Behörde
  • Auskunft aus dem Zentralregister zur Vorlage bei einer Behörde
  • ein Lichtbild (gegebenenfalls zwei)
  • bei Feilbieten von Lebensmitteln (Ausnahme Obst und Gemüse) eine Bescheinigung nach § 43 Infektionsschutzgesetz (Erteilung über das jeweilige Gesundheitsamt)
  • die Bearbeitungs/-verwaltungsgebühr

    Zu beachten ist weiterhin:
  • im Antrag sollte die Art der angebotenen Waren bezeichnet werden
  • die Erteilung erfolgt grundsätzlich auf Lebenszeit, nur auf Antrag hin befristet.

5. Zusätzliche Vorschriften bei der Ausübung

Nach § 56 a GewO müssen der Name des Gewerbetreibenden mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen oder seiner Firma an den Verkaufseinrichtungen wie Autos, Handkarren, Tischen und so weiter (zum Beispiel in Form von Schildern, die für den Kunden deutlich sichtbar und lesbar sind) angebracht werden.
Außer der Gewerbeordnung sind, zum Beispiel beim Vertrieb von Speiseeis, auch die lebensmittelrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Für den Vertrieb bestimmter Lebensmittel ist nach dem Infektionsschutzgesetz eine Erstbelehrung beim Gesundheitsamt erforderlich. Die Bescheinigung über die Belehrung darf bei Tätigkeitsbeginn nicht älter als drei Monate sein (vgl. § 43 IfSchG).
Der Reisegewerbetreibende muss darüber hinaus grundsätzlich die Vorschriften des Ladenschlussgesetzes sowie des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage beachten. Eine Ausnahme gilt für Schausteller, für das Feilbieten von Waren sowie für selbstständige Gewerbetreibende, die anderen Personen im Rahmen deren Geschäftsbetriebs aufsuchen (vgl. § 55 e Abs.1 GewO).
Desweiteren hat der Gewerbetreibende grundsätzlich ein sogenanntes Steuerheft zu führen und dieses auch bei der Ausübung seines Gewerbes mit sich zu führen. Unter den Voraussetzungen § 68 UStDV (Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung) kann sich der Reisegewerbetreibende aber auch von der Pflicht zum Steuerheft befreien lassen. Auskünfte hierzu gibt das Finanzamt.

6. Zusätzlich erforderliche Erlaubnisse

Mit der Reisegewerbekarte ist es oft nicht getan. Will der Reisegewerbetreibende auf öffentlichem Straßenland tätig werden, so benötigt er den sogenannten Standschein, also eine Sondernutzungserlaubnis der zuständigen Behörde. Auch der Handel aus Bauchläden stellt eine erlaubnispflichtige Sondernutzung öffentlichen Straßenlandes dar.
Zuständig ist das Bauamt in der jeweiligen Stadt- oder Gemeindeverwaltung, wo der Reisegewerbetreibende seinen Standort nehmen will beziehungsweise der fliegende Händler seine Hauptaktivität hat (Nutzungsort). Ist eine Tätigkeit in mehreren Bezirken beabsichtigt, so ist die beim zuerst aufgesuchten Amt anzugeben, welches dann behördenintern die weiteren Erlaubnisse einholt und stellvertretend erteilt (Federführung).
Nicht für alle Straßen wird ein "Standschein" erteilt. Es empfiehlt sich in den Städten und Gemeinden vorab nachzufragen. Die Kosten für einen Standschein richten sich nach der jeweiligen Gebührensatzung der Städte und Gemeinden.
Neben der Reisegewerbekarte und dem Standschein benötigt man aufgrund der Gefahren im Zusammenhang mit der Benutzung öffentlichen Straßenlandes noch eine straßenbehördliche Ausnahmegenehmigung. Die Zuständigkeit der Behörde richtet sich dabei nach dem Wohnort des Gewerbetreibenden.
Diese Erlaubnisse sind personengebunden und nicht übertragbar.