Wirtschaft stellt Forderungen an die neue Bundesregierung

Die Neuwahlen zum Deutschen Bundestag bieten große Chancen für Veränderungen. Damit das Oldenburger Land als Standort attraktiv bleibt, brauchen die Unternehmen klare wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die ihnen die notwendigen Handlungsspielräume und Planungssicherheit bieten.

Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen

Das Dickicht an bürokratischen Vorschriften und die oftmals zu langwierigen Verwaltungsverfahren sind mit die größten Hemmschuhe der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. In jeder Umfrage bei Unternehmen rangiert die überbordende Bürokratie auf einem der ersten drei Plätzen der drängendsten Probleme. Die Vielzahl von Informations- und Meldepflichten, das Lieferkettengesetz, die Nachhaltigkeitsberichterstattung, den Einwegkunststoff-Fonds und vieles mehr führen zu einem Aufwand der Betriebe, der in der Summe die Grenze des Zumutbaren längst überschritten hat.
Das 2024 beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz IV ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber bei Weitem nicht aus, um zu spürbaren Entlastungen zu führen. Daher muss jetzt auf europäischer ebenso wie auf bundes- und landesrechtlicher Ebene ein Umdenken stattfinden, und die bürokratischen Belastungen müssen spürbar abgebaut werden.
Das Prinzip „One in – one out“ muss endlich konsequent umgesetzt werden. Genehmigungsverfahren müssen rechtlich entschlackt und in der Praxis durch intensivere Nutzung von IT- und KI-Lösungen ebenso wie durch gesetzliche Genehmigungsfiktionen stark gestrafft werden. Auf Landesebene muss die Rolle der Clearingstelle bei der Bekämpfung von neuer und alter Bürokratie geschärft und ausgebaut werden.

Betriebliche Ausbildung weiter stärken und zielgruppengerechte Qualifizierungsmodelle ausbauen

Die künftige Bundesregierung muss klare bildungspolitische Weichenstellungen vornehmen, um die Zukunft unserer Bildungssysteme nachhaltig zu sichern.
Der Digitalpakt für Schulen sollte verlängert werden, um Schulen und Bildungseinrichtungen weiterhin mit der notwendigen digitalen Infrastruktur auszustatten. Nur so können wir sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt Zugang zu modernen Lernmitteln haben und digitale Kompetenzen erwerben, die in einer zunehmend digitalisierten Welt unerlässlich sind.
Die neue Bundesregierung muss eine grundlegende Neuregelung für die Freiberuflichkeit von Dozenten im speziellen oder aber das Statusfeststellungsverfahren im Allgemeinen finden, um eine Selbständigkeit weiterhin zu ermöglich. Da die am 30.01.2025 im Bundestag beschlossene Übergangsregelung zur „Freiberuflichkeit von Dozierenden“ am 01.01.2027 endet ist hier ein Handlungsbedarf gegeben.
Die Politik sollte Fördermöglichkeiten für den Austausch von Auszubildenden in Europa beibehalten. Internationale Erfahrungen sind für junge Menschen von unschätzbarem Wert und tragen zur persönlichen sowie beruflichen Entwicklung bei. Ein solcher Austausch fördert nicht nur interkulturelles Verständnis, sondern stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe auf dem europäischen Markt. Um die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt weiterhin zu fördern, sollte das Projekt „Willkommenslotsen“ fortgesetzt werden und zur Verbesserung der Berufsorientierung sollte ein Förderprojekt zur flächendeckenden Einführung der Ausbildungsbotschafter geschaffen werden.

Innenstädte und Zentren stärken

Attraktive Städte und Gemeinden sind wichtig für eine prosperierenden Wirtschaftsraum. Sie stehen für Lebensqualität im Oldenburger Land. Der Bund hat Rahmenbedingungen zu schaffen, die Anreize für Investitionen und wirtschaftliche Aktivitäten zur Aufwertung der Geschäftsbereiche geben können. Fördermittel sind flexibel auszugestalten und zu verstetigen die Programme der Städtebauförderung des Bundes „Lebendige Zentren“, „Sozialer Zusammenhalt“ sowie „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“ sollten mindestens im bisherigen Umfang fortgeführt werden. Zukünftig sollten zudem auch „Werbe- und Standortgemeinschaften“ in das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ aufgenommen werden. Die verkaufsoffenen Sonntage sind als wichtiges Instrument rechtssicher ohne Anlassbezug zur ermöglichen, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Hierfür sind auch auf Bundesebene die Rechtsrahmen anzupassen und ggf. das Grundgesetz zu ändern.

Touristische Potenziale weiter entwickeln

Das Oldenburger Land ist mit seinen vielfältigen Reisezielen und Angeboten insbesondere an der Nordsee eine der beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands. Der Tourismus ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor, der erheblich zur Bruttowertschöpfung beiträgt und die Lebensqualität in der Region und das Image steigert. Das wirkt sich auch vorteilhaft auf das Standortmarketing aus. Die IHK fordert den Bund u. a. dazu auf, die Potenziale des Tourismus weiter auszuschöpfen und sich …
  • … für faire Bedingungen in der Tourismuswirtschaft zu sorgen und bürokratische Verpflichtungen mit klarer Priorität abzubauen.
  • … dabei zu unterstützen, Potenziale zur Fachkräftegewinnung für die Betriebe zu erschließen, z. B. durch Zuwanderung und Integration.
  • … die bessere Erreichbarkeit für alle Verkehrsträger in die touristischen Regionen sicherzustellen, vor allem durch ein verlässliches Angebot im Schienenpersonenverkehr.
  • … dabei unterstützen, dass die digitale Infrastruktur flächendeckend in touristischen Regionen so ausgebaut wird, dass stabiles Internet bereitsteht.
  • … in der EU darauf hinzuwirken, dass die Mehrwertsteuerbelastung harmonisiert wird.

Unternehmensfinanzierung zukunftsfest gestalten – Startup-Zentren gezielt unterstützen

Die Attraktivität der Selbständigkeit hat nachgelassen. Bei den aktuell guten Arbeitsmarktchancen verlieren die Alternativen Gründung und Betriebsübernahme an Reiz. Im Ergebnis droht im schlimmsten Fall eine Ausdünnung des Mittelstandes im Oldenburger Land.
  • Verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen und Gewerbefreiheit unterstützen dabei die Kultur der Selbstständigkeit.
  • Bei öffentlichen Fördermitteln sollte die Qualität der Geschäftsidee Hauptkriterium einer Förderentscheidung sein.
  • Durch eine gezielte Starthilfe sollen aus guten Ideen erfolgreiche innovative Unternehmen entstehen. Denn Startups, die mit neuen Geschäftsmodellen die Märkte erobern, stärken die regionale Wirtschaft. Regionale Startup Zentren unterstützen hierbei.

Krankenhausstrukturreform schnell umsetzen

Die Oldenburgische IHK hält eine hochwertige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sowie eine adäquate regionale Krankenhausinfrastruktur als einen für die Wirtschaft entscheidenden Standortfaktor. Die IHK begrüßt die Ziele des Krankenhauversorgungsverbesserungsgesetz, insbesondere die Verbesserung der Behandlungsqualität und die Sicherstellung einer flächendeckenden, gleichwertigen medizinischen Versorgung vor allem auch in ländlichen Gebieten.
  • Die Strukturreform muss schnell umgesetzt werden, um den Wohlstand zu sichern und um die auflaufenden Defizite zu minimieren.
  • Der Bund muss die Finanzierung aller Krankenhäuser in der Übergangsphase bis zur Umsetzung der Reform 2027 sicherstellen und die aktuell auflaufenden Defizite tragen und für den Ausgleich der Defizite bei allen Krankenhäusern, egal welcher Trägerschaft sorgen. Darüber hinaus muss ein System gefunden werden, wie die Betriebskostenfinanzierung ggf. auch über 2027 hinaus gesichert werden kann.
  • Dabei muss die wirtschaftliche Belastung aller Krankenhäuser minimiert und gleichzeitig eine stabile, gleichwertige und effiziente Gesundheitsversorgung gewährleistet sein. Auch sollte die Vorhaltepauschale nicht dazu führen, dass die Krankenhäuser weniger Patientinnen und Patienten behandeln. Kleine Kliniken, die für die Gesundheitsversorgung z. B. im ländlichen Raum notwendig sind, müssen mitberücksichtigt werden.

Ausbau und Erhalt von Infrastruktur beschleunigen und die Verkehrswende voranbringen

Neben einer dringend erforderlichen Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren zur schnelleren Umsetzung von Infrastrukturprojekten gilt es, in der neuen Legislaturperiode seitens des Bundes eine ausreichende Finanzierung für den Ausbau und Erhalt von Verkehrsinfrastruktur sämtlicher Verkehrsträger zu gewährleisten. Der Ausbau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur ist zunehmend auch ein sicherheitspolitisches Erfordernis, wenn Deutschland zentrale Bündnisverpflichtungen innerhalb der NATO erfüllen muss. Eine Schlüsselrolle nehmen dabei die niedersächsischen Seehäfen ein, über die ein Großteil militärischer Transporte verbündeter Streitkräfte umgeschlagen und anschließend per Bahn und auf der Straße weiter transportiert wird. So muss der Bund die niedersächsischen Seehäfen für die Umsetzung der Energiewende sowie zur Aufrechterhaltung ihrer logistischen Funktion für die Wirtschaft zukünftig in erheblich stärkerem Maße finanziell unterstützen.
Darüber hinaus muss nach über 20 Jahren Planung die bedarfsgerechte Fahrrinnenanpassung von Außen- und Unterweser (Nord) endlich in die Umsetzung kommen. Gleiches gilt für den Bau der Küstenautobahn A 20, den vierspurigen Ausbau der E 233 Cloppenburg – Meppen und die Fertigstellung der B 212n mit Anbindung an die A 281. Auch bei der Bahn sind umfangreiche Investitionen zu tätigen, um mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Zu den vordringlichsten Schienenprojekten im Oldenburger Land zählen der zweigleisige Ausbau der Bahnstrecke Oldenburg – Osnabrück, die Fertigstellung des Ersatzneubaus der Huntebrücke in Elsfleth-Ohrt bis zum Jahr 2027 sowie die zeitnahe Ertüchtigung der Huntebrücke in Oldenburg.
Verlässliche Rahmenbedingungen für den Im- und Export als Motor der deutschen Wirtschaft sind unabdingbar. Neben der Ratifizierung des Mercosur-Abkommens muss sich um weitere Freihandelsabkommen bemüht werden, um den Welthandel möglichst barrierefrei und konkurrenzfähig gestalten zu können. Vereinfachte Steuer- und Zollgesetze sowie ein spürbarer Bürokratieabbau sind zwingend notwendig. A1-Bescheinigungen für Auslandsreisen innerhalb der EU belasten die Unternehmen zum Beispiel sehr. Umfassende Nachhaltigkeitsberichte und Erklärungen zum Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz (LkSpG), zum CO2-Grenzausgleichsystem (CBAM) und zur Entwaldungsverordnung (EUDR) fordern zu viel Arbeitskraft und -zeit und müssen reduziert werden. Der Zugang zu Fördermittel für nationale und internationale Investitionen ist zu kompliziert und sollte einfacher beantragt werden können. Aber auch die fehlende Vertragstreue im Zusammenhang mit langfristigen Seefrachtraten sorgt für vielfältige Probleme in den Unternehmen. Eine Regelung, nach der diese Verträge bindend sein müssen, wäre wünschenswert.

Energiepolitik neu ausrichten

Die Zielsetzungen der Energiewende und des Klimaschutzes sind nur im engen Zusammenspiel mit der Wirtschaft zu erreichen, die von der Politik effektive industriepolitische Strategien erwartet. Gleichzeitig müssen die Energiepreise für die Wirtschaft deutlich auf ein im europäischen Vergleich wettbewerbsfähiges Niveau gesenkt werden. Darüber hinaus muss die Versorgungssicherheit gewährleistet sein. Beides macht eine Ausweitung des Energieangebots unerlässlich. Fossile Anlagen dürfen nur abgeschaltet werden, wenn alternative Energiequellen den Bedarf zuverlässig decken können. Die im Norden erzeugte erneuerbare Energie sollte – nicht zuletzt aufgrund fehlender Leitungs- und Speicherkapazitäten – auch vorwiegend im Norden für Wertschöpfung genutzt werden. Rahmenbedingungen für Net Zero Valleys sind so zu gestalten, dass vor Ort Energiekostenvorteile realisiert werden können.

Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft unterstützen

Unternehmen der Ernährungswirtschaft kämpfen mit schwierigen Marktbedingungen zwischen volatilen Rohstoffpreisen und einer Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels. Zudem sieht sich die Branche mit einem unüberschaubaren rechtlichen Rahmen und einer Vielzahl von bürokratischen Vorschriften konfrontiert. Dies führt zu einer signifikant sinkenden Innovations- und Investitionsbereitschaft. Bürokratielasten sollten daher reduziert und Regularien des Lebensmittelrechts abgebaut werden. Zusätzliche verpflichtende Nährwert- und Tierwohlkennzeichnungen sollten zugunsten von Umsetzungsoptionen auf freiwilliger Basis vermieden werden. Zur Umsetzung höherer Tierwohlstandards ist eine ausreichende Finanzierung ebenso sicherzustellen wie ein Level Playing Field für deutsche Unternehmen auf dem europäischen Binnenmarkt.