Position der Vollversammlung

10-Punkte-Programm Energiewende | Dekarbonisierung | Nachhaltigkeit

Klimaneutralität und Null-Schadstoff-Vision: Die „grüne“ Transformation der Wirtschaft betrifft alle Branchen. Wir möchten Unternehmen auf diesem Weg unterstützen und die Rahmenbedingungen aktiv mitgestalten. Nur wenn es gelingt, Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit miteinander zu verknüpfen, lassen sich ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeitsziele gleichermaßen erreichen.
  1. Energiewende zum Erfolg führen – erneuerbare Energien unter besseren Rahmenbedingungen beschleunigt ausbauen, Netze ausbauen, Versorgungssicherheit gewährleisten, Energieeffizienz fördern, Energiekosten dämpfen
  2. Gasimporte diversifizieren – Gasimporte möglichst schnell diversifizieren und die dazu erforderliche Infrastruktur für Flüssigerdgas schaffen, regionale Großprojekte unterstützen, Eignung der Infrastruktur für Wasserstoff („H2-readiness“) sicherstellen
  3. Wasserstoffwirtschaft aufbauen – Standortvorteile zum Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft nutzen, bedarfsgerechte Wasserstoffinfrastruktur schaffen, Anbindung der Unternehmen an die Leitungsnetze sicherstellen, Netzwerke und Kooperationen fördern
  4. Ressource Wasser schützen – Lösungen für lokale Nutzungskonkurrenzen entwickeln, regionale Projekte zur Wassereinsparung und -wiederverwendung begleiten, wasserwirtschaftliche Infrastrukturen zukunftsorientiert entwickeln, Hochwasser- und Deichschutz stärken
  5. Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen – Betriebe mit Beratung, Netzwerken und Veranstaltungen dabei unterstützen, energie-, material- und rohstoffeffizient zu wirtschaften, den Ausstoß von Schadstoffen zu senken und klimaneutral zu werden
  6. Ökologie und Ökonomie gewinnbringend verknüpfen – Klimaziele und übergreifende Nachhaltigkeitsziele unter Wahrung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erreichen, marktnahe Instrumente nutzen und auf Technologieoffenheit setzen
  7. Nachhaltigkeit als Wirtschaftsprinzip fördern – Nachhaltigkeit als grundlegendes Wirtschaftsprinzip verankern und fördern, Kooperationen mit Nachhaltigkeitsinitiativen ausbauen, Potenziale der Digitalisierung nutzen, nachhaltige Start-ups unterstützen
  8. Agrar- und Ernährungswirtschaft zukunftsfest machen – Transformation des Ernährungssektors aktiv mitgestalten, Abwanderung von Unternehmen verhindern, praxisnahe Lösungen im Verbund mit regionalen Initiativen, Hochschulen und Forschungsclustern entwickeln
  9. Verkehrswende voranbringen – Anreize für den Einsatz neuer Technologien, innovativer Logistikkonzepte und Telematik schaffen, Ladeinfrastruktur zügig ausbauen, Güter- und Personenverkehr auf die Schiene verlagern, betriebliches Mobilitätsmanagement ausbauen
  10. Tourismus nachhaltig entwickeln – dem wachsenden Gästebedürfnis, Urlaub im Einklang mit der Natur zu machen durch Entwicklung nachhaltiger Produkte und Angebote gerecht werden, Unternehmen über nachhaltige Produkte und Dienstleistungen informieren und beraten, Vernetzung und Austausch untereinander fördern und begleiten

Erläuterungen zum 10-Punkte-Programm Energiewende | Dekarbonisierung | Nachhaltigkeit

1. Energiewende zum Erfolg führen
Wir setzen uns für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien ein, der aus umwelt- und sicherheitspolitischen Gründen alternativlos ist.
Dazu sind bessere Rahmenbedingungen erforderlich. Beschleunigte Genehmigungsverfahren, mehr Rechtssicherheit, verbindliche Ziele zur Flächenausweisung, bessere Kostenstrukturen und mehr Tempo beim Netzausbau sind unsere Kernforderungen.
Die Versorgungssicherheit muss dabei als Grundvoraussetzung für den Wandel des Energiesystems jederzeit gewährleistet sein. 
Mit Fakten- und Forderungspapieren zur Energiewende und dem jährlichen IHK-Energiewende-Barometer stellen wir die komplexen Zusammenhänge verständlich dar und bringen die Handlungsbedarfe auf den Punkt.
Wir fördern Energieeffizienz: Ganz praktisch durch unseren jährlichen Wettbewerb „IHK Energie-Scouts“, bei dem Auszubildende Einsparpotenziale in ihrem Unternehmen ermitteln und ausschöpfen.
2. Gasimporte diversifizieren
Wir setzen uns dafür ein, Gasimporte möglichst schnell zu diversifizieren und die dazu erforderliche Infrastruktur für LNG (liquefied natural gas/Flüssigerdgas) zu schaffen. 
Wir sind Mitglied der Initiative „Energiedrehscheibe Wilhelmshaven 2.0“ und unterstützen die im „Energy-Hub Wilhelmshaven“ gebündelten Projekte, insbesondere den dringend notwendigen Bau des LNG-Terminals.
LNG ist nicht klimaneutral, aber als Brückentechnologie unverzichtbar. Die entstehende LNG-Infrastruktur muss daher „H2-ready“ sein, also für die Nutzung von Wasserstoff geeignet sein.
3. Wasserstoffwirtschaft aufbauen 
Unsere Region sowie Norddeutschland insgesamt sind aufgrund ihrer Standortvorteile mit Küstennähe, Salzkavernen und Seehäfen für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft prädestiniert. 
Im Verbund mit der IHK Nord, dem Zusammenschluss der norddeutschen IHKs, setzen wir uns dafür ein, die sich daraus ergebenden wirtschafts- und strukturpolitischen Chancen zu nutzen. 
Eine bedarfsgerechte Wasserstoffinfrastruktur im IHK-Bezirk ist sicherzustellen, insbesondere die Anbindung der Unternehmen an die Leitungsnetze.
Unser Netzwerk IH2K Nordwest, das wir gemeinsam mit der IHK für Ostfriesland und Papenburg gegründet haben, bietet eine ideale Plattform zur Vernetzung der regionalen Wasserstoff-Akteure. Darüber hinaus unterstützen wir aktiv das Projekt „Hyways for Future“ der EWE.
Wir tragen aktiv zur Fach- und Arbeitskräftesicherung bei und sind an der Konzeption zum geplanten Zertifikatslehrgang „Fachkraft für Wasserstoffanwendungen (IHK)“ beteiligt.
4. Ressource Wasser schützen
Wasser ist eine unverzichtbare Ressource – für Wirtschaft und Haushalte gleichermaßen. Klimawandel und lange Trockenphasen stressen die Wasserressourcen, Nutzungskonkurrenzen werden daher zunehmen. Deshalb setzen wir uns für einen umfassenden Schutz der Wasserressourcen ein. 
Im Verbund mit der Wasserwirtschaft unterstützen wir Lösungsansätze, um lokale Nutzungskonkurrenzen zu mindern. Dazu zählen etwa Projekte zur Wassereinsparung und -wiederverwendung.
Leistungsfähige und effiziente wasserwirtschaftliche Infrastrukturen schaffen die Grundvoraussetzungen für ein sicheres, gesundes Leben und eine leistungsfähige Wirtschaft. Wir machen uns deshalb für eine bedarfsgerechte und zukunftsorientierte Weiterentwicklung dieser Infrastruktur stark.
Dem Hochwasserschutz kommt im Zuge des Klimawandels eine zunehmende Bedeutung zu – im Binnenland ebenso wie an der Küste. Der Deichschutz steht dabei vor besonderen Herausforderungen. Im Schulterschluss mit regionalen Akteuren setzen wir uns dafür ein, dass Maßnahmen zur Klimaanpassung solide und in der Fläche finanziert werden.
5. Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen
Mit individueller Beratung, praxisnahen Informationen und Veranstaltungen unterstützen wir Betriebe dabei, energie-, material- und rohstoffeffizient zu wirtschaften, den Ausstoß von Schadstoffen zu senken und klimaneutral zu werden. 
Ein Beispiel ist die kostenfreie Webinarreihe „Fit für den Green Deal“, bei der wir mit monatlich wechselnden Themenschwerpunkten die Auswirkungen des europäischen „Grünen Deals“ auf die Unternehmen verdeutlichen.
Wir engagieren uns im Beirat der Klimaschutz und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) und unterstützen die „Transformationsberatung Klimaneutralität“ der KEAN.
Mit der IHK-Plattform „Unternehmensnetzwerk Klimaschutz“ bieten wir Mitgliedsunternehmen Zugriff auf zahlreiche kostenfreie Angebote und Tools, etwa zur Treibhausgasbilanzierung, zur Förderberatung oder zur Orientierung im Bereich Siegel und Zertifizierungen.
Künftig werden wir ein Klimaschutzcoaching anbieten, um Unternehmen aufzuzeigen, wo sie beim betrieblichen Klimaschutz Akzente setzen können. Ein weiteres Coaching-Angebot ist für das Thema Biodiversität geplant.
6. Ökologie und Ökonomie gewinnbringend verknüpfen
Unsere Wirtschaft bekennt sich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens und den übergreifenden Nachhaltigkeitszielen. Der Industrie-, Energie- und Umweltausschuss der IHK befasst sich regelmäßig mit umwelt- und energiepolitischen Themen und bereitet Positionen für die Vollversammlung vor.
Unser klimapolitisches Leitbild haben wir mit dem Positionspapier „Klimaschutz mit der Wirtschaft“ umschrieben. In dem Papier haben wir zugleich Leitlinien für die Klima- und Umweltpolitik veröffentlicht. Die Kernforderungen: Wettbewerbsfähigkeit sichern, marktnahe Instrumente nutzen und auf Technologieoffenheit setzen.
Für das Oldenburger Land als bedeutenden Industriestandort ist es besonders wichtig, dass die Abwanderung von Unternehmen in Länder mit niedrigeren Umwelt- und Klimastandards („Carbon Leakage“) wirksam verhindert wird. Hierfür setzen wir uns auf regionaler und überregionaler Ebene ein – u. a. in unserer Rolle als Federführung Umwelt der IHK Niedersachsen (IHKN), der Landesarbeitsgemeinschaft der niedersächsischen IHKs.
7. Nachhaltigkeit als Wirtschaftsprinzip fördern 
Wir sind dem Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns verpflichtet: Nicht das kurzfristige Gewinnstreben zählt, sondern der langfristige Unternehmenserfolg. Daraus ergibt sich eine unmittelbare Verantwortung der Unternehmen für die Rahmenbedingungen des eigenen Wirtschaftens. An der Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Politik und Verwaltung setzen wir uns daher dafür ein, Nachhaltigkeit als grundlegendes Wirtschaftsprinzip zu verankern und weiter zu fördern. 
So engagieren wir uns etwa in der Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit (NAN), einer Kooperation zwischen Landesregierung, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Kammern. Hauptziel der NAN ist die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Unternehmen und damit die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen.
Digitalisierung kann zu Nachhaltigkeit beitragen, z. B. durch mehr Effizienz in der Produktion, weniger Reiseaufwand oder die Dematerialisierung von Produkten. Hierzu beraten wir umfassend, u. a. in Kooperation mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen und dem Mittelstand-Digital Zentrum Hannover. Als offizieller Regionalpartner des Zentrums in Bremen möchten wir unsere Kooperation künftig noch weiter vertiefen. 
Wir beraten zu Finanzierungs- und Förderprogrammen, die einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legen, und setzen uns für die Ausweitung dieser Programme ein. Wir arbeiten eng mit dem GO! Start-up Zentrum Oldenburg zusammen, das u. a. Start-ups mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt fördert. Wir unterstützen nachhaltige Gründungsvorhaben und setzen uns für die Einrichtung weiterer Acceleratoren ein.
8. Agrar- und Ernährungswirtschaft zukunftsfest machen
Der Ernährungssektor zählt zu den wichtigsten wirtschaftlichen Standbeinen unserer Region. Geschlossene Wertschöpfungsketten und intensive wirtschaftliche Verflechtungen bilden ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal. Der Sektor befindet sich in einem umfassenden Transformationsprozess hin zu mehr Nachhaltigkeit. Die Transformation kann nur gelingen, wenn die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass die Branche weiterhin wettbewerbsfähig vor Ort produzieren und investieren kann. Dafür setzen wir uns ein.
Wir haben maßgeblich zum Aufbau des neuen Forschungsclusters „Nachhaltigkeitsorientierte Transformationsforschung in ländlichen Räumen“ an der Universität Vechta beigetragen und die Finanzierung der Stiftungsprofessur „Innovation und Entrepreneurship“ übernommen. Wir werden darauf einwirken, dass hier praxisnahe Lösungen für die Herausforderungen im ländlichen Raum mit Fokus auf den Wandel der Agrar- und Ernährungswirtschaft entwickelt werden.
Wir arbeiten eng mit dem Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland (AEF) und dem Verbund Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) zusammen. Im Verbund trafo:agrar sind Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zusammengeschlossen. Wir sind im Fachbeirat vertreten und setzen gemeinsame Projekte um, aktuell z. B. eine umfassende Studie zur Transformation der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Nord-West-Niedersachsen (Projekt „TRAIN“).
9. Verkehrswende voranbringen
Die Verkehrswirtschaft ist sich ihrer Bedeutung für die Erreichung der Klimaziele bewusst. Um die Verkehrswende voranzubringen, setzen wir uns in Hannover und Berlin dafür ein, weitere Anreize für den Einsatz neuer Technologien bei Fahrzeugen, innovativer Logistikkonzepte und Telematik zu schaffen. Im Bereich des Individualverkehrs ist ein schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität unabdingbar. 
Um mehr Güter- und Personenverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, engagieren wir uns sowohl für ein besseres Angebot im Schienenpersonennah- und -fernverkehr zur Anbindung der Region als auch für einen leistungsfähigen Ausbau der Infrastruktur für den Schienengüterverkehr. Darüber hinaus ist die Steigerung der Systemproduktivität der Güterbahn ein großes Anliegen. Mit dem neuen Angebot Rail-Coach wollen wir unsere Unternehmen zu Möglichkeiten beraten, die Schiene verstärkt für den Gütertransport zu nutzen.
Betriebliches Mobilitätsmanagement ist ein wichtiger Baustein der Verkehrswende. Mit verhältnismäßig geringem Aufwand können die unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse von Unternehmen und Mitarbeitern effizient und nachhaltig erfüllt werden. So lassen sich Kosten und CO2-­Emissionen senken. Um Unternehmen hierfür zu sensibilisieren, wollen wir unser Beratungsangebot weiter ausbauen. 
10. Tourismus nachhaltig entwickeln
Nachhaltigkeit wird in Zukunft vermehrt für touristische Betriebe und bei der Angebotsgestaltung einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsstärkung leisten. Land und Kommunen müssen Impulsgeber für die nachhaltige Entwicklung sein und die Infrastruktur sicherstellen. Wir wirken bei der Optimierung der Standortbedingungen durch einen intensiven Austausch mit Tourismusakteuren vor Ort und gegenüber der Politik mit. 
Wir beraten zu nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen, informieren zu Fördermöglichkeiten und unterstützen bei der Gästeansprache. Zudem fördern wir die Vernetzung von Unternehmen und bieten eine Plattform, um mit Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung ins Gespräch zu kommen. Gerade in der häufig kleinteiligen Tourismusbranche bündeln wir auf diese Weise Interessen und verschaffen ihr durch Positionierungen Gehör.
Wir begleiten Aktivitäten zum Schutz wertvoller Natur- und Kulturlandschaften, z. B. der Tourismus Agentur Nordsee GmbH, des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer und des Naturparks Wildeshauser Geest. Dort gilt es, nachhaltigen Tourismus zu sichern, da diese Landschaften langfristig nationale und internationale Gäste und damit Kaufkraft in die Region ziehen.