Recht und Steuern

Bürokratiebremse lösen!

Fragt man dieser Tage ein beliebiges deutsches Unternehmen nach den drei größten Herausforderungen, mit denen es sich in seiner täglichen Praxis konfrontiert sieht, dann findet sich unter den Antworten praktisch ausnahmslos auch die überbordende Bürokratie. Von ihr ist ein Kleingewerbetreibender ebenso betroffen wie das mittelständische Unternehmen und der Industriekonzern. 
Sie verhindert oder verzögert im großen Stil notwendige Investitionen; sie bindet erhebliche personelle Ressourcen nicht nur in den Unternehmen, sondern auch in den Behörden; sie bürdet der Wirtschaft – wie im Fall des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes – zum Teil die weltweite Durchsetzung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards auf, deren Bewältigung eigentlich eine originäre Aufgabe der Politik ist. Kurz: Sie bremst in erheblichem Maß Wachstum und Wohlstand in Deutschland aus. 
Natürlich ist ein gewisses Maß an Regeln für ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben, für einen verlässlichen Rechtsstaat und nicht zuletzt zur Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen erforderlich. Allerdings hat schon allein die schiere Anzahl an Verhaltensvorschriften heute eine kritische Masse erreicht, die von den Unternehmen kaum noch bewältigt werden kann. 
Auch in Politik und Verwaltung hält mittlerweile die Erkenntnis Einzug, dass das formale Korsett, in dem sich die Wirtschaft geradezu gefangen sieht, zum Wettbewerbsnachteil deutscher Unternehmen in einer weltweit vernetzten Wirtschaft geworden ist. Erste Ansätze zu einer Vereinfachung der Gesetzgebung hat die Politik auf den Weg gebracht, beispielsweise das aktuell im parlamentarischen Prozess befindliche Bürokratieentlastungsgesetz IV und die teilweise Entschlackung der Niedersächsischen Bauordnung. 

Erste Ansätze reichen nicht aus

Diese reichen aber allein nicht aus, um die Unternehmen so zu entlasten, dass sie sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiv machen können. Um dies zu erreichen, sind weitere grundlegende Veränderungen erforderlich, wie zum Beispiel 
  • eine beschleunigte und vernetzte Digitalisierung aller Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, 
  • eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren auch unter Einsatz von KI-Lösungen, 
  • die schnelle Umsetzung des erst kürzlich auch im Bund-Länder-Pakt vereinbarten „Once-Only“-Prinzips, 
  • die Erweiterung der Kompetenzen der Clearingstelle des Landes Niedersachsen sowie 
  • eine deutliche Reduktion von unnötigen Dokumentations-, Informations- und Nachweispflichten.
Für die IHK wird das Thema Bürokratievermeidung und -abbau auch in diesem Jahr einen Schwerpunkt ihrer wirtschaftspolitischen Aktivitäten bilden. Die Vollversammlung der IHK hat zu diesem Zweck bereits im vergangenen Jahr ein 10-Punkte-Programm für Bürokratievermeidung und -abbau beschlossen. Gemeinsam mit der IHK Niedersachsen (IHKN), in der wir unter anderem die Federführung Recht und Bürokratie verantworten, und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) setzen wir uns gegenüber Politik und Verwaltung für eine nachhaltige Reduktion unnötiger bürokratischer Lasten, für eine Vereinfachung der Gesetzgebung sowie für die stärkere Digitalisierung und Beschleunigung administrativer Verfahren ein. Alle IHK-Mitglieder sind eingeladen, uns bürokratische Überbelastungen aus ihrem Alltag mitzuteilen, damit wir diese an die Politik adressieren können.

Weitere Meldungen

Am 2. Juli 2023 ist das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinschG) in Kraft getreten. Dessen Ziel ist der Schutz von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden (sog. Whistleblowing). Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten mussten die Vorgaben nach dem Gesetz spätestens bis zum 17. Dezember 2023 umsetzen, Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten bereits zum 2. Juli 2023. Über die Pflichten haben wir Mitgliedsfirmen im März und November 2023 in digitalen Online-Vorträgen informiert.
Seit Mai 2023 können sich in Niedersachsen ansässige Mediatorinnen und Mediatoren mit unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten über ihre IHK vor Ort in das neue IHKN-Mediatorenverzeichnis eintragen lassen. Unternehmerinnen und Unternehmer finden hier schnell einen geeigneten neutralen Dritten für ihren zu lösenden Konflikt. Damit möchte die IHKN einen Beitrag zur Steigerung der Bekanntheit außergerichtlicher Konfliktlösungen leisten. Aktuell beteiligen sich neben der Oldenburgischen IHK vier weitere der sieben niedersächsischen IHKs am IHKN-Mediatorenverzeichnis.
Nach monatelanger Debatte hat am 22. März 2024 auch der Bundesrat dem Wachstumschancengesetz zugestimmt. Obwohl es in seiner entlastenden Wirkung gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf aus dem Sommer 2023 mehr als halbiert wurde, sind die beschlossenen Entlastungen zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.