Kommunale Verpackungssteuer

Kommunen und Städte in ganz Deutschland stehen vor der Entscheidung, ob sie eine kommunale Verpackungssteuer einführen sollen. Ein wegweisendes Beispiel ist die Stadt Tübingen, deren kommunale Steuer vom Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erklärt wurde. Damit ist der Weg für ähnliche Regelungen bundesweit geebnet. Das folgende Faktenpapier der DIHK gibt einen Überblick über die möglichen Folgen einer solchen Einführung. Das Faktenpapier erhebt weder den Anspruch auf Vollständigkeit noch auf absolute Richtigkeit. Über mögliche Verbesserungen freuen wir uns sehr

Um was geht es?

Die Stadt Tübingen hat 2022 eine Steuer auf nicht wiederverwendbare Verpackungen von Speisen und Getränken sowie auf Einweggeschirr und -besteck eingeführt. Die Steuer ist vom Endverkäufer zu entrichten und wird mit einem feststehenden Satz pro Produkt berechnet. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wies am 27. November 2024 die Verfassungsbeschwerde gegen die Verpackungssteuersatzung der Stadt Tübingen zurück, womit kommunale Verpackungssteuern als rechtmäßig erklärt wurden. 1 Folglich können sich Anbieter von To-go-Produkten darauf einstellen, dass künftig in mehreren Gemeinden lokale Steuern auf Einwegverpackungen und -geschirr erhoben werden. Unter anderem planen die Städte Heidelberg und Freiburg die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer, während viele weitere Kommunen eine solche Maßnahme prüfen.

Wie sieht die kommunale Verpackungssteuer aus?

Kommunale Verpackungssteuern sind örtliche Verbrauchssteuern, die in den Kompetenzbereich der Länder fallen. Dabei dürfen sie jedoch keine Steuern erheben, die den bundesweiten Steuern zu ähnlich sind. Diese Steuern betreffen Endverkäufer, die nicht wiederverwendbare Verpackungen von Speisen und Getränken für den sofortigen Verbrauch nutzen. Die Steuer wird pro Produkt festgelegt und soll neben der Müllvermeidung auch Mehrwegsysteme fördern. Für die folgenden Einwegartikel gilt die Verpackungssteuer: Getränkebecher, Besteck, Rührstäbchen/Trinkhalme, Kartons, Schalen, Boxen, Tüten, Alufolien/Einwickelpapiere, Teller und Becher. Bei kalten Speisen gilt die Steuer nur, wenn sie mit Besteck verkauft werden. Außerdem gilt die Steuer für Einwegverpackungen und Besteck unabhängig vom Material, beispielsweise: Papier, Holz, Plastik und Naturfasern. Der feststehende Satz ist 50 Cent je Einweggeschirr und Einwegverpackungen und 20 Cent je Einwegbesteckset. Im Vergleich zur kommunalen Verpackungssteuer betrifft das Einwegkunststoff-Fonds-Gesetz (EWKFondsG) hingegen Hersteller, die Einwegkunststoffprodukte erstmals auf den Markt bringen. Die Abgabe wird nach Gewicht berechnet und soll nachhaltigere Verpackungen fördern. Da sich kommunale Verpackungssteuern und die EWK-Sonderabgabe in Ziel, Erhebung und wirtschaftlicher Wirkung unterscheiden, besteht keine unzulässige Doppelbelastung.

Wer kann betroffen sein?

Die Verpackungssteuer richtet sich an Endverkäufer, die bestimmte nicht wiederverwendbare Verpackungen verwenden, welche für den sofortigen Verbrauch bestimmt sind. Unter anderem verfolgt sie damit das Ziel, Mehrwegsysteme zu fördern. In Tübingen sind neben klassischen Imbissbetrieben auch die Systemgastronomie und Franchiseunter[1]nehmen, wie McDonald’s, Burger King oder Subway, steuerpflichtig. Ebenso umfasst die Regelung Supermärkte, Tankstellen mit Lebensmittelverkauf, Bäckereien, Cafés, Metzgereien, Gaststätten und Restaurants. Des Weiteren führt die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer nicht nur für die betroffenen Betriebe, sondern auch für die Kommunen zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Sämtliche steuerpflichtigen Unternehmen müssen erfasst, ihre übermittelten Angaben zur Berechnung der Steuerbescheide überprüft und regelmäßige Kontrollen zur korrekten Umsetzung der Steuer durchgeführt werden.

Wie kann der zeitliche Ablauf einer Einführung der kommunalen Verpackungssteuer aussehen?

Vom Auftrag bis zur Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer kann es 1,5 Jahre dauern, was anhand des Beispiels in Tübingen erkennbar ist.
  • Dezember 2018: Der Gemeinderat beauftragte die Stadtverwaltung mit der Erarbeitung einer Verpackungssteuersatzung.
  • September 2019: Informationsveranstaltungen zum ersten Satzungsentwurf für potenziell steuerpflichtige Betriebe sowie Verbände und Organisationen.
  • Ende 2019: Erstellung eines Rechtsgutachtens zur Einführung der Verpackungssteuer.
  • Anfang 2020: Überarbeitung des Satzungsentwurfs, unter anderem auf Basis von Anträgen aus dem Gemeinderat.
  • Januar 2020: Beschluss der Verpackungssteuersatzung mit Inkrafttreten zum 1. Januar 2021 sowie Einführung eines Förderprogramms für Mehrweggeschirr.
  • Mai 2020: Start des Förderprogramms für Mehrweggeschirr

Was könnten mögliche Folgen einer kommunalen Verpackungssteuer sein?

Bürokratischer Mehraufwand: Die Verwaltung, Berechnung und Abführung der Abgabe wäre für viele Unternehmen eine zusätzliche Herausforderung. Insbesondere für Unternehmen mit bundesweiter Präsenz führen unterschiedliche Steuersätze in Städten und Gemeinden zu einem erheblichen Anstieg der Bürokratie. Zusätzlich, würde der Vollzug der Verpackungsabgabe personelle und organisatorische Ressourcen in der Verwaltung binden.
Mögliche Wettbewerbsverzerrungen: Eine solche Abgabe könnte vor allem Fast-Food-Anbieter und kleine Imbisse finanziell stärker belasten, was sich in höheren Preisen für Verbraucher niederschlagen würde. Regionale Unterschiede bei der Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer könnten zudem zu Wettbewerbsverzerrungen führen, insbesondere wenn benachbarte Gemeinden im In- oder Ausland keine vergleichbare Regelung haben. Es besteht das Risiko, dass potenzielle Kunden aufgrund der zusätzlichen Kosten von einem Kauf abgehalten werden.
Ökologische Zielerfüllung fraglich: Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass eine kommunale Verpackungssteuer nicht zwangsläufig zu einer deutlichen Reduzierung des Abfallaufkommens führt.8 Zudem zeigen Studien, dass Mehrwegsysteme bei niedrigen Umlaufzahlen einen hohen Res[1]sourcen- und Energieverbrauch haben können und daher nicht automatisch die umweltfreundlichere Alternative darstellen.
Branchenbelastung: Die Einführung einer Verpackungssteuer würde eine Vielzahl von Unternehmen und Branchen, wie beispielsweise die Gastronomie, den Einzelhandel, Lieferdienste sowie die Event- und Freizeitbranche etc. stark zusätzlich belasten. Neben den finanziellen Aspekten ist auch der zeitliche Mehraufwand durch die zusätzliche Bürokratie mit Blick auf eine sehr angespannte Personalsituation eine Herausforderung für die gastgewerbliche Betriebe. Auch Hersteller und Zulieferer von Verpackungen wären betroffen.
Belastung der Kommune: Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer betrifft nicht nur die Betriebe, sondern führt auch bei den Kommunen zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand. Sämtliche steuerpflichtigen Unternehmen müssen erfasst, ihre übermittelten Angaben zur Berechnung der Steuerbescheide überprüft und regelmäßige Kontrollen zur korrekten Umsetzung der Steuer durchgeführt werden.
Was könnte eine Alternative zur kommunalen Verpackungssteuer sein?
Statt einer Steuer, die die Wirtschaft zusätzlich belastet, könnten positive Anreize gesetzt werden, die den Umstieg auf Mehrwegverpackungen fördern und Unternehmen sowie Verbraucher gleichermaßen mit einbeziehen. Mögliche Maßnahmen könnten sein:
  • Ausbau zentraler Rückgabe- und Reinigungsstrukturen.
  • Unternehmen Beratungs- und Schulungsangebote zur Verfügung stellen, welche den Umstieg auf umweltfreundliche Verpackungen erleichtern.
  • Pilotprojekte, um die Wirksamkeit von Mehrweglösungen und die Abfallvermeidung zu testen.
Studienergebnis zur kommunalen Verpackungssteuer
Das Hauptziel der kommunalen Verpackungssteuer umfasst neben der Generierung von Einnahmen vor allem die Reduzierung von Müll im öffentlichen Raum, was laut der Beschlussvorlage von 2020 durch die verstärkte Nutzung von Mehrweglösungen angestrebt wird. Eine Studie der Universität Tübingen hat festgestellt, dass keine signifikante Reduzierung des Abfallaufkommens in öffentlichen Mülleimern im Stadtgebiet Tübingen nach der Einführung der kommunalen Verpackungssteuer festgestellt werden konnte. Obwohl keine direkte Reduzierung der gesamten Abfallmenge (Gewicht) nach Einführung der Verpackungssteuer gemessen wurde, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass der Verbrauch von Einwegverpackungen unverändert bleibt, da Plastikverpackungen in öffentlichen Abfalleimern deutscher Mittelstädte keinen großen Anteil am Gesamtgewichts ausmachen. Verpackungen aus anderen Materialien wie Glas, Papier und Metall hingegen tragen deutlich stärker zum Abfallaufkommen bei. Zusätzlich machen die To-go-Verpackungen nur eine kleine Menge des Abfalls aus. In einer Studie für das Umweltbundesamt aus dem Jahr 2019 wird der gewichtsmäßige Anteil der Papier-Einwegbecher an allen Papier-, Pappe- oder Kartonverpackungen mit 0,3 % angegeben. Einweg-Plastikbecher machen 0,6 % des Gewichts aller Kunststoffverpackungen aus. Dennoch führte die Einführung der Steuer zu einem deutlichen Anstieg der Betriebe mit Mehrwegangebot in Tübingen. Auch nach Inkrafttreten der bundesweiten Mehrweg-Angebotspflicht Anfang 2023 verzeichnet Tübingen im Verhältnis zur Einwohnerzahl weiterhin die höchste Dichte an Mehrwegrestaurants in Deutschland.
(Quelle: DIHK)